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So, Instagram, jetzt reicht's!

Illustration: Lucia Götz

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Seit ungefähr zwei Wochen hat sich meine ins Besorgniserregende reichende Instagram-Sucht erheblich gebessert. Und zwar gar nicht, weil ich mir eine Social-Media-Fastenkur verordnet hätte oder mein Handy ins Klo geschmissen. Nein, der Grund, warum mich die Foto-App auf einmal ziemlich kalt lässt, ist von Instagram selbst gemacht: Seit zwei Wochen wird mein Feed von so viel Werbung zugemüllt, dass mir die Lust vergangen ist, ihn durchzuscrollen. Und das will was heißen.

Klar, mittlerweile weiß wirklich jeder halbwegs intelligente Mensch, dass im Leben für gewöhnlich nichts umsonst ist –vor allem nicht im Internet. Wenn eine App oder ein Angebot kostenlos ist, dann bedeutet das einfach nur, dass sein Nutzer das Produkt ist, mit dem das Unternehmen Geld verdienen will. Facebook, das Unternehmen, das im April 2012 Instagram gekauft hat, verdient seine Milliarden damit, so viel über seine Nutzer zu wissen, dass es für Werbetreibenden millimetergenau passende Zielgruppen ausspucken kann. Auch auf Twitter wird man mit Werbung in Twitter-Format behelligt, die aber meist so fade ist, dass man sie in dem Moment vergessen hat, in dem man an ihr vorbei gescrollt hat. 

Instagram war da bis vor kurzem noch eine Art Insel der Seligen. Ich hatte mir einen wirklich hübschen und unterhaltsamen Feed zusammengebastelt, an dessen Zusammenstellung ich stetig weiter feilte. Ich wollte Inspiration, schöne Fotos, wissen, was wichtig ist, Urlaubsfotos von Freunden beneiden und Menschen folgen, die sehr lustige Witze erzählen können.  Klar, auch da gab es hin und wieder Werbung, aber die war sehr großzügig verteilt und fiel nicht weiter ins Gewicht. Die paar Sonnenuntergangs-Bilder von Reiseportalen oder Sektkelche vor nächtlichem Feuerwerks-Himmel konnte ich gut aushalten, weil sie nicht auffielen.

Jede Anzeige wird händisch verborgen – aus Trotz

Bis vor zwei Wochen. Da gab es offenbar ganz plötzlich eine Änderung im Algorithmus, seitdem ist jedes siebte bis zehnte Bild ein Werbebild. Ich habe das ziemlich genau, um nicht zu sagen, nahezu besessen abgezählt: seit jener Umstellung ist der dritte Post, der mir nach Öffnung der App angezeigt wird, eine Werbeanzeige, danach jedes siebte bis zehnte Bild in meinem Feed. Das ist wirklich, wirklich, wirklich viel - zu viel.

Ich neige sonst nicht zum Querulantentum, aber ich war in dem Fall von der Anzeigen-Schwemme so genervt, dass ich jede einzelne sehr trotzig verborgen habe. Die Funktion „Anzeige verbergen“ wird von Instagram angeboten mit der Argumentation, man wolle dadurch mehr über die Wirksamkeit der Anzeigen erfahren. Also meldete ich jede einzelne Anzeige in der Hoffnung, damit eine Botschaft an irgendwelche Menschen in der Instagram-Zentrale zu senden.

Das ist natürlich ziemlich naiv, doch unbewusst habe ich tatsächlich die richtige Strategie verfolgt. Nachdem ich nämlich eine Woche komplett entnervt unzählige Postings händisch verbarg und täglich weniger Lust auf Instagram hatte, wollte ich wissen, wie es denn anderen Nutzern so geht mit der neuen Werbeoffensive auf der Plattform. 

Ich fand: nichts. Offenbar scheine ich entweder besonders empfindlich zu sein – oder der Algorithmus hat sich diese Werbeoffensive nur für mich persönlich überlegt – was ich für relativ unrealistisch halte. 

Doch als ich ein bisschen weiter recherchierte, stieß ich auf einige englischsprachige Artikel vom Anfang dieses Jahres. Da scheint Instagram genau dasselbe in Amerika getan zu haben. Von einem Tag auf den anderen wurde die Frequenz der Webeanzeigen drastisch erhöht und die Nutzer waren dementsprechend genervt. Ein Mensch entdeckte eine Möglichkeit, die Anzeigen aus seinem Feed verschwinden zu lassen: indem er, genauso wie ich, jede einzelne Anzeige verbarg.

 

Ein guter Trick – der leider nicht mehr funktioniert

 

Das funktionierte für ihn eine Weile lang, bis die Anzahl der Anzeigen wieder drastisch anstieg. Diesmal versuchte er es mit der Strategie, die Anzeigen jeweils zu melden. Auch das ist eine Funktion, die Instagram anbietet. Sie soll dabei helfen, unangemessene oder illegale Werbeanzeigen zu definieren und aus dem Angebot zu entfernen. Indem der Autor wirklich jede einzelne Anzeige als „unangemessen“ meldete, schaffte er es, seinen Feed komplett werbefrei zu kriegen.  

 

Allerdings scheint Instagram diese Möglichkeit, sich selbst eine werbefreie Zone zu verschaffen, inzwischen identifiziert zu haben. Viele Nutzer berichten, dass diese Strategie bei ihnen nicht mehr funktioniert und sie weiter mit unerwünschten Werbeanzeigen belästigt werden. 

 

Trotzdem ist mein Frust gesunken, weil mir bei der Auseinandersetzung mit dem Thema klargeworden ist, dass durch diese Werbeoffensive einfach nur etwas sichtbarer geworden ist, was bis dato unter der Oberfläche von Instagram brodelte wie in einer nicht gewarteten Klärgrube:

Denn natürlich fand von Anfang an auf Instagram Werbung statt. Sie wurde nur nicht als solche gekennzeichnet. Weil auf der Social Media-Plattform anscheinend besonders viele materialistische und leicht zu beeinflussende Menschen unterwegs zu sein scheinen, ist dank Instagram das Berufsbild „Influencer“ erst so richtig groß geworden.

 

Diese selbst ernannten Beeinflusser der Massen bekommen zum Teil unanständig viel Geld dafür, dass sie einen Diät-Tee, der übrigens  scheußlich schmeckt und Durchfall verursacht, in die Kamera halten und treuherzig versichern, selbigen liebend gerne zu trinken. Andere werden von Unternehmen auf teure Reisen eingeladen, wofür sie im Gegenzug ihrer Community die Produkte desselben Unternehmens anpreisen, ohne da einen Zusammenhang transparent herzustellen. Dass zwischen Influencern und Unternehmen Geld geflossen ist, dass es sich hierbei also um eine tatsächlich bezahlte Anzeige handelt, hat man unterdes gerne verschleiert, im Höchstfall mit einem kurzen Hashtag gekennzeichnet, den man sehr leicht überlesen kann. 

 

Sollte durch die neue Werbeoffensive und andere Änderungen, die Instagram in dem Bereich durchsetzen will, dieser Schleichwerbung ein Ende gesetzt werden, kann ich es gut aushalten, wenn mein hübsch zusammengestellter Feed bisweilen von Hühneraugenpflaster-Werbung zerschossen wird. 

Und selbst für die Hühneraugenpflaster-Werbung will ich dankbar sein, hat sie mir doch recht deutlich gezeigt, wie heftig meine Insta-Sucht war und wie hirnverbrannt der Versuch, mir einen "inspirierenden" Feed zusammen zu stellen, den ich doch immer nur absurfte, ohne auch nur einmal "inspiriert" zu werden. 

 

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