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In den Schuhen von Silvio Berlusconi
Berlusconi mit dem israelischen Staatspräsidenten Katzav im vergangenen November (Foto: ap) Was sind das für Schuhe? Schwer zu sagen, ist doch Italien bekannt für sein lederverarbeitendes Gewerbe und Heimat zahlreicher Schuhmanufakturen. Jedoch rühmt sich Geox, Hersteller von Ventilationsfußbekleidung, dass auch der italienische Premier zu seinen Kunden zählt. Diese Behauptung klingt schlüssig, sind die atmenden Schuhe bestimmt wie geschaffen für das Ausstehen langer Parlaments- oder Gerichtssitzungen. In einem anderen Zusammenhang hat es die Bezeichnung "Berlusconi's" bereits in das Urban Dictionary geschafft. Und zwar als Gattungsbegriff für heimlich verwendete Absätze innerhalb männlichen Schuhwerks um größer zu wirken. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass auch Silvio Berlusconi diese Taktik nutzt. Schließlich würde das eher kleingewachsene italienische Regierungsoberhaupt dadurch mindestens zwei Zentimeter größer wirken. Die Behauptung fügt sich auch gut in das unumstrittene Eitelkeitsschema des Premiers. Offensiv bekannte sich Berlusconi zu einem Lifting und einer Haartransplantation. Immerhin sei er „das Gesicht Italiens.“ Und das „muss schließlich gutaussehen,“ sagte er einmal, solariumsgebräunt, über blitzend weiße Zahnreihen hinweg. Wo kommen diese Schuhe her? 1936 in Mailand als Sohn eines Backangestellten geboren, schuf Berlusconi mit großen Schritten und einer gesunden Portion Unternehmertum ein Wirtschaftsimperium, das nicht nur in Italien seinesgleichen sucht. Befriedigt hat ihn dies nicht. 1994 gründete er seine Partei Forza Italia, mit der er sich im selben Jahr auch zum ersten Mal als Premierminister wählen ließ. Allerdings wurde Berlusconi bereits nach 226 Tagen im Amt gestürzt. 2001 erfolgte dann der zweite, bisher erfolgreichere Anlauf. Trotz verschiedener Querelen führte Berlusconi mit seinen postfaschistischen Koalitionspartnern von der Lega Nord und der Alleanza Nazionale eine einigermaßen stabile Regierung, die eine ganze Legislaturperiode überdauerte. In der zerklüfteten Polit-Topographie Italiens, das von 1947 bis heute immerhin 50 Regierungen hatte, eine Seltenheit. Unmut und Kritik erntet er vor allem für sein Medienkonglomerat MEDIASET. Man sagt, Berlusconi herrsche über 90% der TV-Reichweite in Italien, nachdem er neben seinen Privatsendern Italia 1, Rete 4 und Canale 6 als Regierungschef auch das Sendeklima des staatlichen Fernsehens RAI faktisch nach seinem Gusto bestimmen kann. Und er macht sich seine Marktmacht auch zunutze. So bekamen vor der vergangenen Europawahl tausende Italiener von Berlusconi unterzeichnete SMS auf ihre Mobiltelefone, mit der Aufforderung, doch bitte den Urnengang anzutreten. Auch monetär ist der Premier extrem erfolgreich - laut Forbes Magazin wuchs sein Vermögen allein im vergangenen Jahr um vier Milliarden Dollar. Da ist es kein Wunder, dass Negativassoziationen nicht ausbleiben. Alexander Stille schrieb in seinem kürzlich erschienenen Buch Bürger Berlusconi: „Berlusconi vereinigt mehr Macht in seinen Händen als irgendein einzelner Italiener seit Mussolini.“ Wo gehen diese Schuhe hin? Zunächst von TV-Show zu TV-Show. Von der Maske ins Studio und danach vor Kamera und Mikro, was er dabei sagt, scheint egal zu sein, um politisch profunde Äußerungen handelt es sich jedoch selten. Und wenn er nicht als Studiogast geladen war, hat er während den Sendungen angerufen, sogar im Verkehrsfunk war er vor kurzem zu hören. Ein weiteres Beispiel war letzte Woche zu beobachten, als er ein zuvor geleistetes Keuschheitsgelöbnis nach kurzer Zeit wieder aufkündigte. Berlusconi will sich ins Gehirn des Wahlvolks talken und wechselt zwischen seinen beiden Rollen als Show-Gorilla und semiseriösem Landesvater. Bis jetzt scheinen die Bemühungen des Premiers jedoch nicht von Erfolg gekrönt zu seien. Sein Gegenspieler, der ehemalige EU-Kommisionspräsident Romano Prodi, liegt mit dem von ihm geführten Mitte-Links Bündnis „Union“ in jüngsten Umfragen knapp vorn. Es ist zu erwarten, dass Berlusconis mediales Power-Selling noch bis zum 11. Februar weiter geht. Danach wird auch in seinen Sendern die Ausstrahlungszeit gerecht zwischen den Parteien aufgeteilt. Eine Einschränkung, die, wie Berlusconi kürzlich live auf RAI betonte, „mit einer wahren Demokratie nicht zu vereinbaren“ sei. Mehr über Silvio Berlusconi gibt es am Freitag auf der Berlinale zu sehen. Dort präsentiert der Muxmäuschenstill-Autor Jan Henrik Stahlberg seinen neuen Film Bye Bye Berlusconi.