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Hochzeitskolumne. Heute: Der Junggesellinnenabschied
Ich war am Sonntag stark verkatert. Das war klar, obwohl ich bereits seit Wochen ungefragt behaupte, bis zum 26. Juli jegliche Alkoholisierung und Nikotinbelastung vermeiden zu wollen. Aber am Samstag war Junggesellinnenabschied. Und Junggesellenabschied. Ich hatte im Vorfeld klargestellt, was meinerseits nicht erwünscht ist: Im Groben ein sich in einer Torte befindlicher Stripper; Spiele, bei denen ich aus einer Flasche trinken muss, die zwischen Männerbeinen steckt; Spiele, bei denen ich einen Bauchladen tragen und mir unbekannte Personen auf der Straße ansprechen muss; das Tragen eines bedruckten T-Shirts. Also im Großen und Ganzen: keine Demütigungen. Erwünscht war: Alkoholtrinken. Im Sitzen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Johannes fand, dass ich mal wieder wie ein blöder Kontrollfreak verhalte und damit Leute vor den Kopf stoße, die sich etwas Schönes für mich ausdenken wollen. Ach, man kann halt nicht aus seiner Haut! Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich auf mehreren Internetseiten zum Thema “Bachelorette Party Etiquette“ gelesen hatte, dass die goldene Regel des Abends lautet: Erlaubt ist, was der Braut gefällt. Genau!
Johannes wiederum war im Vorfeld ein bisschen enttäuscht. Seine aus München anreisenden Freunde hatten nämlich signalisiert, „ganz softe Action“ machen zu wollen. Dabei hatte sich Johannes schon so auf Tabledance-Bars und ein T-Shirt mit einer Aufschrift wie „Da freut man sich auf die Stripperin und bekommt dieses T-Shirt“ gefreut. Er selbst hält sich nämlich für den König der Junggesellenabschied-Organisatoren und hatte seinen Freund Kai vor einigen Wochen in einem T-Shirt mit dem Aufdruck „I fuck for coke“ zum Ringbahnsaufen eingeladen. Dabei fuhr man mit der S-Bahn, entschied per Würfel, wo auszusteigen sei und trank im dem S-Bahnhof jeweils nächstgelegenen Etablissement, in der Regel Biergaststätten, Schnäpse. Involviert war auch eine Versteigerung von „Banging Bonita“, einer aufblasbaren Sexpuppe, die netterweise ich spendiert hatte, nachdem ein Erotik-Discounter in einer ausufernden Marketing-Aktion Pakete mit Sexspielzeug an sämtliche Redakteure dieses Landes verschickt hatte.
Ich weiß nicht, ob Männer beim Thema Junggesellenabschied einfach schmerzbefreiter oder hemmungsloser sind als Frauen, ich jedenfalls bin anscheinend einfach zu verklemmt und hätte eine Versteigerung von Banging Bonita nicht ertragen. Nüchtern zumindest. Alle Sorgen waren aber eh unbegründet, denn es sollte ein großartiger Abend werden, der voll unter der Berücksichtigung der Bachelorette Party Etiquette stand. Zunächst saßen wir in einem lauschigen Biergarten unter Apfelbäumen, aßen grobe Bratwürste und tranken Prosecco Aperol, dann gingen wir in eine kleine Bar, in der meine Freundin Nina vor vielen Jahre jedes Wochenende auflegt hatte. Ach ja, damals, schöne Zeiten, und das Leben noch so unbeschwert....Nina zog leider irgendwann für einige Jahren ins Ausland. Am Samstag war sie wieder da und spielte ungefähr zwanzigmal meine Lieblingsplatte, The Burt Bacharach Italian Songbook, bis ein entnervter Gast Beschwerde einlegte.
Später, Alkohol mag eine Rolle gespielt haben, warf ich meine Prinzipien über Bord und forderte zum Besuch einer Karaokebar und einer Stripbar namens „Jadehouse“ auf, die allerdings unauffindbar blieb. Am Ende trafen wir auf die Teilnehmer von Johannes´ Veranstaltung, die wider Erwarten nicht, wie ich eigentlich vermutet hatte, bei Molly Luft, „Berlins dickster Prostituierte“ (Eigenwerbung),die ihren Laden zwei Häuser neben unserer Wohnung hat, gelandet waren, sondern beim Minigolfspielen. Perfekt. So. Und jetzt werde ich wirklich keinen Alkohol mehr trinken, auf träge Kohlenhydrate verzichten, jeden Tag heimlich mein Brautkleid anprobieren, und die linke Augebraue, die ich blöderweise neulich zur Hälfte amputiert habe, wachsen lassen. In zehn Tagen bin ich in Topform!
Text: theresa-selig - Illustration: katharina-bitzl