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Hochzeitskolumne-Finale! Das große Fest und das große Nichts danach
Was soll ich sagen: Der Samstag war ein perfekter Tag. Und ich war sehr glücklich. Ich war zudem sehr aufgeregt, denn ich kam zu spät in die Kirche. Weil Johannes spontan beschloss, sich in der Früh im Hotelzimmer von meiner Stylistin die Haare schneiden zu lassen. Weil uns die Blumengirlande für das Auto der Freunde, die mich zur Kirche fuhren, die ich bei einer Frau namens „Netti“ im Internet bestellt hatte, uns plötzlich um die Ohren flog und wir sie auf der Maximilianstraße wieder einsammeln mussten. Und weil weder ich noch die weiteren Insassen den Weg zur Kirche kannten. Was also schließlich dazu führte, dass ich, einen bodenlangen Schleier hinter mir her zerrend, in die Kirche rannte.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
In den Tagen vor der Hochzeit hatte ich eine erstaunliche neue Zen-Mentalität entwickelt und war die Ruhe selbst. Und es ist nichts schief gegangen! Fast nichts. Ich hatte vorher wie gewohnt in einigen Brautforen gestöbert, und mit den Stichworten „Pannen“ und „Hochzeit“ nach möglichen Desastern gesucht. Der Erlebnisbericht einer Userin machte mich besonders betreten: „Meine blöde Schwester ist nach dem Friseurbesuch mit ihrer Fönfrisur durch den Regen nach Hause gelaufen und sah aus wie Arsch auf Eimer. Und mein beklopptes Schwiegermonster wollte schon um fünf Uhr mit unserer Tochter nach Hause, weil sie keinen Bock auf die Feier hatte und hat durchgehend gemeckert, die Kleine müsste nach Hause, obwohl die sich pudelwohl gefühlt hat. Irgendwann habe ich einfach geschrieen: Kann vielleicht irgendjemand diese Frau hier wegbringen? Dann ist sie endlich weg, ich kann sie nicht mehr ertragen!“ Hm. Der Stress, wahrscheinlich.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Meine Zen-Mentalität hat solche Auswüchse verhindert. Weder habe ich befohlen, meine Schwiegermutter entfernen zu lassen, noch sah meine Schwester aus wie Arsch auf Eimer. Über kleine schief gegangene Details konnte ich großzügig hinwegsehen. Johannes konnte sein Traugelübde trotz Arial 18 + unterstrichene Betonungen, natürlich nicht auswendig, meins hingegen saß bombensicher. Alle anderen Sorgen waren unbegründet. Alle sind satt geworden. Eine Freundin, die schon einmal dort feierte, wo wir feierten, hatte vor recht übersichtlichen Portionen gewarnt. Deshalb hatten wir in einem zähen Ringen „größere Portionen“ durchgeboxt“ – augenscheinlich musste dann für den Rehbraten pro Gast ein kleines bis mittleres Reh sein Leben lassen. Mein Vater hat eine wundervolle Rede ohne ein einziges Saint-Exupery-Zitat gehalten. Wir haben getanzt, bis es hell wurde. Jetzt bin ich immer noch verkatert. Und sehr glücklich. Ich habe die schönste Party meines Lebens gefeiert am Samstag. Mit allen Menschen, die uns wichtig sind. Seit Sonntag habe ich allerdings eine große Sorge: Dieses große schwarze Loch, in das ich zielsicher stürzen werde. Ich habe ein Jahr lang meine Wochenenden in Kirchen, Landgasthöfen und Schlössern, auf Pfarrer-Sofas, in Brautmodegeschäften, Druckereien, Blumenläden, Konditoreien, Elektronikfachmärkten und Brautforen verbracht, habe mehrere Kilo Papier mit Notizen befüllt, Excel-Tabellen angelegt. Jetzt fühle ich mich wie damals nach der Fußball-Weltmeisterschaft 2006: Plötzlich alles vorbei. Ich glaube, Sportler, die ihre Karriere beendet haben, wissen, was ich meine. Leute, die aus dem Bundestag ausscheiden oder mal Bundeskanzler waren und jetzt was anderes machen müssen, auch. Neulich habe ich ein Interview mit Michael Schumacher gelesen. Es ging um das Loch nach dem Karriere-Ende. Michael Schumacher behauptete, es gehe ihm prima. So ab und zu ein Motorradrennen auf der Harley, mit der Familie frühstücken, ein bisschen auf Corinnas Reiterhof herumhängen, echt super sei das. Corinna hat nämlich eine eigene Ranch und will, dass Michael mit Reining anfängt, der, wie ich lesen konnte, Dressur des Westernreitens. Vielleicht fange ich auch mit Reining an. Oder mit einem anderen Hobby. Irgendwie muss man sich ja beschäftigen. Eine kleine Liste mit Projekten, die ich mir vorstellen könnte:
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
-Fernsehsendung auf DSF moderieren, evtl. Männer TV? - mal schauen, ob im Vorstand eines osteuropäischen Gaskonzerns vielleicht noch ein Plätzchen für mich aufzutreiben ist - irgendwas mit Kochen im Fernsehen; evtl. beim perfekten Dinner gewinnen - mich bei „Let´s Dance!“ bewerben - eine Compilation veröffentlichen - das Programm der VHS Friedrichshain-Kreuzberg besorgen Davor werde ich Geschenke auspacken; Fotos anschauen; wehmütig werden, dass alles so schnell vorbei war; und mich darüber freuen, dass unsere Hochzeit ein so großartiges Fest geworden ist. Zum Schluss werde ich jetzt zum Abschied noch aus Johannes´ Hochzeitsrede klauen. Die hörte auf mit einem Zitat des großen Mittelstürmers Horst Hrubesch, auf das Johannes sich den ganzen Abend gefreut hatte: „Ich sage nur ein Wort: Vielen Dank!“ *** Ein ganzes jetzt.de-Magazin zum "Glück" - hier findest du die Übersicht.