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Die Hochzeitskolumne. Heute: Verabredung mit dem Pfarrer
Am kommenden Wochenende werden Johannes und ich nach München fahren, um den Pfarrer, der uns traut, kennen zu lernen. Dieser Pfarrer ist der zweite, den wir im Zuge unserer Hochzeitsvorbereitungen treffen. Der erste, den wir zufällig kennen gelernt hatten - er pflegt in dem Etablissement, in dem wir unsere Hochzeit feiern werden, jedes Wochenende einige Weißbiere einzunehmen – fiel kurzfristig aus. Ihm gefiel es spontan besser, Ende Juli auf einer Sonnenliege auf La Gomera zu verbringen. Johannes´ Mutter hat in einer Panikaktion einen neuen Pfarrer aufgetrieben, was offenbar nicht einfach war, denn auch unter Pfarrern ist Ende Juli Urlaubssaison. Mit der Vorbereitung des Gottesdienstes lief es so, wie es öfters läuft in Johannes´ und meiner Beziehung. Ich sagte: „Da kümmerst dich aber jetzt bitte mal du drum“, Johannes machte ein verächtliches Geräusch und sagte: „Mach dich mal locker“, und kümmerte sich selbstverständlich um gar nichts. Im Fall der Gottesdienstvorbereitung muss ich sagen, dass mich das ein bisschen verärgert hat, denn der einzige Grund für die katholische Trauung ist: Johannes.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Ich glaube, ich habe schon mal erwähnt, dass ich neben einem Listen- auch unter einem Kontroll- und Organisationswahn leide. Ich bin eben gerne gut vorbereitet im Leben. Wenn ich in die Oper gehe, verteile ich an meine Begleitung vergrößerte Kopien aus Reclams kleinem Opernführer, auf längeren Autofahrten verteile ich Fruchtriegel an alle und habe für jeden einen eigenen Becher dabei, damit niemand aus der Flasche trinken muss. Meine Freundinnen nennen mich manchmal „Mama“. Also, auf jeden Fall kam es in den letzten Wochen so, dass ich begann, die Bibel durchzuarbeiten, als wäre ich Jurastudentin und die Bibel das Bürgerliche Gesetzbuch. Ich habe mir den genauen Ablauf des katholischen Traugottesdienstes ausgedruckt. Ich habe Johannes gebeten, sich bitte auch die Bibel zur Hand nehmen und nach Textstellen zu suchen, die sich für Trauspruch, Lesung und Lesung aus dem Evangelium eignen.
Johannes brillierte mit Baumarkt-Humor und wünschte sich aus dem Alten Testament: Sprüche 25,24: „Besser im Winkel auf dem Dache sitzen als mit einem zänkischen Weibe zusammen in einem Hause.“ Hahaaaaaaaaa!
Glücklicherweise sind wir nicht auf Johannes angewiesen. Ich kann seine mangelnde Bibelfestigkeit und Ernsthaftigkeit nämlich hervorragend kompensieren: Ich bin im Besitz einer Bluff-Bibel. Diese Bibel habe ich seit der Schulzeit, ich habe Abitur in Religion gemacht, so wie fast jeder Abitur in Religion gemacht hat, weil man dann nicht in Geschichte Abitur machen musste. Meine Bibel ist durchsetzt von lindgrünen Schraffierungen, roten Umrandungen, blauen Ausrufezeichen, lilafarbenen Wellen. Diese Bibel sieht so aus, als gehörte sie jemandem, der sich mächtig gut auskennt.
Ich werde also während des Gesprächs mit dem Pfarrer meine Bibel, die außerdem, seit ich nach besseren Stellen als der mit dem zänkischen Weibe gesucht habe, mit diversen neongrünen Einmerkzetteln versehen ist, zücken und genaue Vorstellungen haben, was ich will. Wobei: Das wiederum ist nicht so einfach. Ich habe mich ausführlich in den einschlägigen Foren herumgetrieben, was zu zwei Erkenntnissen führte:
a) Ich muss wirklich kein schlechtes Gewissen haben, dass ich den katholischen Glauben nicht aktiv praktiziere und trotzdem in der katholischen Kirche heirate: Die meisten Leute in den Hochzeitsforen wissen nicht mal, was Evangelien sind.
b) In der Bibel gibt es Stellen, die man als eine Art „kleinen Prinzen“ der Heiligen Schrift bezeichnen könnte: Ich glaube, die Zahl der jemals stattgefundenen Traugottesdienste, die nicht das Hohelied der Liebe (Paulus´ erster Brief an die Korinther, ich könnte sogar die exakte Stelle benennen) enthielten, liegt im einstelligen Bereich. Es ist aber leider tatsächlich die schönste Bibelstelle, die ich finden konnte. Da hatte ich mich in der vorletzten Folge noch über Brautväter aufgeregt, die etwas aus „Der kleine Prinz“ vortragen, und jetzt bin ich drauf und dran, es nicht viel besser zu machen. Aber man kann halt nicht immer cutting-edge sein.
Ich bin auf jeden Fall gespannt auf das Gespräch. Hoffentlich ist der Pfarrer nett. An mangelnder Vorbereitung jedenfalls wird es nicht liegen, sollte er uns nicht nett finden. Und wir werden uns zum Einzug in die Kirche nicht „My Heart will Go On“ von Celine Dion oder was von Bryan Adams auf der Orgel wünschen, was offenbar sehr beliebt ist, wie meine Forenrecherchen ergaben. Allein dafür müsste der Pfarrer uns doch schon lieben.
Text: theresa-selig - Illustration: Katharina Bitzl