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Die Hochzeitskolumne. Heute: Lebenshilfe aus der Bibel

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Damit hätte ja keiner rechnen können: Ich war zu gut vorbereitet für das Gespräch mit dem Pfarrer! Man merkte ihm an, dass er während des Gesprächs eigentlich selber gern einen höheren Redeanteil gehabt hätte, ständig unterbrach er mich. Das erste, worauf des Pfarrers missbilligender Blick fiel, war meine Luther-Bibel, und als ich begann, meine Rechercheergebnisse zu präsentieren und meine Bibel an der ein oder anderen neongrün markierten Stelle aufzuschlagen, schob er die Einheitsübersetzung der Bibel in meine Richtung und sagte „Gell, ich würd´ vorschlagen, wir machen damit weiter.“ Johannes sprach während des Treffens nicht sehr viel, so dass ich zeitweise vergaß, dass er neben mir auf dem Sofa saß. Einige Tage nach dem Treffen sagte er, das Gespräch, und überhaupt die Beschäftigung mit der Bibel, habe ihn enorm bereichert. Er hat nämlich in einer Broschüre namens „Ich nehme dich an und verspreche dir die Treue…“, die uns der Pfarrer zur weiteren Vorbereitung mitgegeben hat, eine Bibelstelle gefunden, von deren Inhalt er sich einiges verspricht, nämlich nicht weniger als einen erfolgreichen Eingriff in meine Lebensphilosophie. Die Stelle handelt von der „wahren und der falschen Sorge“ und ist, finde ich, keine besonders schöne Stelle, sondern eher ein bisschen rabiat. Im Grunde geht es darum, dass man sich nicht um unwichtiges Zeug wie Geld oder Klamotten kümmern sollte, sondern um den Glauben und sonst nichts, den Rest würde dann schon Gott besorgen. Johannes möchte diese Bibelstelle gerne als Lesung aus dem Evangelium in unseren Traugottesdienst aufnehmen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Denn er hat sich seine eigene kleine Interpretation zurechtgebastelt. Diese Interpretation hat mich in den letzten Tagen einiges an Nerven gekostet. Für Johannes ist diese Bibelstelle eine Art göttliche Legitimation seiner weltlichen Kritik an meiner Person. Johannes findet es sehr belastend und störend, dass ich, wie er behauptet, „bei jeder Kleinigkeit“ ausraste oder aber schwermütig werde; denn, und diesen Satz hasse ich sehr, wahrscheinlich weil er wahr ist: „Es gibt wirklich Schlimmeres“. Statt „Es gibt wirklich Schlimmeres“ sagt Johannes seit einigen Tagen und klingt dabei wie mein persönlicher Mental-Coach: „Aufpassen, wahre Sorge, falsche Sorge!“ Wenn ich in der Früh die Dose mit dem Espressopulver aufmache, dort kein Pulver auffinde und gerade sauer werden will, sagt Johannes „Wahre Sorge, falsche Sorge!“ Wenn ich mich aufrege, weil ich nicht pünktlich zum Finale von „Germany´s Next Top Model“ vor dem Fernseher sitze, weil wir im Stau stehen, sagt er „Wahre Sorge, falsche Sorge!“. Vor ein paar Tagen ist unser Küchenregal einfach so aus der Wand gebrochen. Sämtliche Teller, Suppenteller, Kuchenteller, Weingläser, Kuchenplatten: kaputt, in feinsten Scherbenstaub zerbrochen, auch mein von mir verehrtes, von Oma geerbtes rosafarbenes Villeroy & Boch-Kuchengeschirr konnte ich nur noch blind vor Tränen in kleinsten Teilen vom Küchenboden einsammeln. Ich konnte im Ansatz erahnen, wie schlimm es sein muss, wenn beispielsweise die ganze Wohnung abbrennt, wenn geschätzte zwei Zentner kaputtes Porzellan schon so wehtun. Als ich also vor Wut heulend auf dem Küchenboden kniend ein paar rosafarbene Scherben zusammensetzte, kam Johannes in die Küche, und bevor er etwas sagen konnte, brüllte ich “KOMM JETZT BLOSS NICHT MIT DEINEM BESCHISSENEN FALSCHE SORGEN-MANTRA! ICH WILL GEFÄLLIGST DEPRIMIERT SEIN JETZT!“ Johannes guckte ziemlich erschrocken. Ich ging ins Wohnzimmer und stieg bei ebay parallel in vier Auktionen für Villeroy & Boch-Kuchenplatten ein. Über die Bibelstelle und ihr Auftauchen in unserem Traugottesdienst haben wir seitdem nicht mehr gesprochen. Ich glaube, Johannes traut sich nicht mehr. Aber er muss sich keine Sorgen machen; mir fällt da ganz spontan eine schöne Stelle aus dem ersten Brief von Paulus an die Korinther ein: „Die Liebe trägt das Böse nicht nach.“

Text: theresa-selig - Illustration: Katharina Bitzl

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