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Die Hochzeitskolumne. Heute: Johannes kauft sich einen Anzug
Ich will ja nichts sagen, aber ICH habe mich bereits vor einem halben Jahr um angemessene Garderobe für unsere Hochzeit bemüht. Nachdem der Brautkleiderkauf aber wie berichtet eher demütigend und erfolglos verlief, habe ich mir ein Kleid von einer Schneiderin nähen lassen. Letzte Woche habe ich das Gewand abgeholt. Es hängt in einem weißen Kleidersack im Wohnzimmer. Manchmal, wenn ich allein zu Hause bin, schleiche ich zum Kleidersack, öffne den Reißverschluss, blicke auf das Wunderwerk – eine Reminiszenz an den italienischen Katholizismus der Zwanziger Jahre, gepaart mit einem Meer aus spanischer Spitze -, streiche sanft über die Duchesse-Seide und gucke dabei wie Gollum in „Herr der Ringe“, wenn er vor Sehnsucht nach seinem Ring ganz irre wird. Johannes ist jetzt, weniger als drei Wochen vor dem Fest, eingefallen, dass er noch einen Anzug kaufen muss. Ein Freund von uns ist Modedesigner bei einer großen Herrenmodefirma in Metzingen, er hat Johannes eine Liste zukommen lassen mit Empfehlungen verschiedener Anzugmodelle. Auf dieser Liste steht zum Beispiel „Bruce/Court. Heißer Scheiß, ziemlich tight, I like it“. Oder „Francis/Smart. Superpeitsche“. Mit dieser Liste also stapfte neulich Johannes zum KadeWe. Abends fand ich einen sehr geknickten Johannes in unserer Wohnung vor. Der Anzugkaufversuch hatte sich nämlich folgendermaßen abgespielt: Johannes entschied dich fatalerweise, als erstes Modell „Howard“ („ein wahnsinnig geiles kurzes und enges Teil - try it!“) anprobieren zu wollen. Dabei hatte er nicht mit dem Anzugfachverkäufer gerechnet – ein älterer spanischer Herr mit dünnem Oberlippenbart und Einstecktuch, der ihm das Leben oder zumindest den Anzugkauf zur Hölle machen sollte.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Er nahm seinen Job nämlich ernst und verzichtete darauf, Johannes mit nicht ernst gemeinten Komplimenten zu bedenken. „Diese gehte nicht, Entschuldigung, ich nicht mochte sein unhoflich, aber Sie haben große Probleme mit die Schenkel“, gab er zu bedenken, und klopfte dabei tadelnd auf eines der beiden soeben geschmähten Körperteile. Johannes aber war so begeistert von der „Howard“-Jacke, dass er sich nicht abhalten ließ, auch in die Howard-Hose zu schlüpfen. Was vom Anzugverkäufer prompt mit Unverständnis quittiert wurde. „Entschuldigung, ah, iste coture, mussen haben die Korper fur so eine Anzug, aber Sie, ah, ich habe schon gesagt, sehe große Probleme mit Oberschenkel und Po, für diese Anzug Sie musse sein dünn und - eh - laaaaaaaaaaange!“
„Das „a“ in „lang“, berichtete Johannes, habe er sekundenlang in die Länge gezogen, als könnte er so auch den zu kurz geratenen Johannes-Körper ein bisschen strecken. Dann holte er einen Anzug mit zweireihiger Jacke und Pluderhose. Als der sich sehr dick und kurz vorkommende Johannes gedemütigt wegschlich, versuchte der strenge Verkäufer doch noch zu trösten: „Ich nicht verstehe diese junge Leute, die ganze Zeit sie machen Sport, so dass die Schenkel werde dick und dann sie kommen und wollen tragen Slim Fit Anzug! Das gehte nicht!“ Was zusätzlich gemein war. Denn Johannes macht überhaupt keinen Sport.
Einmal hatte ich während Johannes´ Leidensbericht beunruhigt aufgehorcht. Nämlich bei der Erwähnung der zweireihigen Jacke. Ich hatte geglaubt, die Produktion derselbigen wäre spätestens in den frühen neunziger Jahren eingestellt worden. Anzugverkäufer im neuen Jahrtausend sind also unberechenbar. Ich will gar nicht wissen, was als nächstes kommt. Wahrscheinlich eine pastellfarbene Weste. Aber das werde ich zu verhindern wissen.
Text: theresa-selig - Illustration: Katharina Bitzl