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Die Hochzeitskolumne - Flatrate-Saufen in Schloss-Ambiente?
Heute: Wo wird eigentlich gefeiert? Einer ziemlich wichtigen Entscheidung in Sachen Hochzeit haben Johannes und ich uns nun ziemlich spät gewidmet: Wo steigt die Party? Nachdem die Kirche, in der wir heiraten, in München steht, sind das hier grob zusammengefasst meine Vorstellungen: Schloss oder alte Villa oder altes Landgut, Blick auf Starnberger- Ammer-, Königs- oder Chiemsee, oder besser: nicht nur Blick, sondern Nähe, damit an einem romantischen Seeufer entlang flaniert werden kann. Des weiteren: Entfernung zur nächsten bewohnten Immobilie etwa drei Kilometer, damit ab zwölf die Musik nicht leiser gestellt werden muss. Und dann natürlich, ganz wichtig, eine Alkohol-Flatrate, also: Für einen vorher ausgemachten Pauschalbetrag darf unbegrenzt getrunken werden.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Leider könnten wir uns da keine großen Hoffnungen machen, hat uns Alex, ein Freund von Johannes, mitgeteilt: Er selbst hat vor zwei Jahren geheiratet, und mit seinem Flatrate-Anliegen sei er auf nicht besonders viele offene Ohren gestoßen. Bei einem Wirt habe er dann die Flatrate in zähen Verhandlungen erstritten. Der Wirt hatte allerdings nicht mit der Trinkfestigkeit von Alex´ Gästen gerechnet. Als es zur Abrechnung kam, erzählte Alex, habe der Wirt erst wütend, später verzweifelt versucht, den Pauschalbetrag im Nachhinein zu erhöhen.
Unser erster Besichtigungstermin ist ein Bio-Landgut südlich von München. Ganz toll sieht es da aus; überall laufen Tiere herum, denen man ihr Glück in ihren entspannten Gesichtern ablesen kann; eine Viertelstunde lang stehen wir vor einem Verschlag, in dem eine Schar schwarz-weiß-gefleckter Ferkel sich des Lebens freut. Diese Idylle! Wir sind mit Frau Angermeier verabredet, die uns eine Führung über das Gelände gibt. Im Geiste male ich mir bereits das sommerliche Bankett unter der riesigen Kastanie aus, bis Frau Angermeier sagt: „Ach ja, dafür haben Sie sicher Verständnis, aber spätestens gegen eins müsste die Musik dann ausgemacht werden, die Schweine können sonst nicht schlafen.“
Wir fahren weiter zu einem alten Landgasthof. Traumhaft, auch hier male ich mir das sommerliche Bankett in einem von alten Obstbäumen umsäumten Hofgarten aus. Bis uns die Frau Angermeier, die uns hier herumführt, eine Getränkekarte in die Hand drückt. 3,80 Euro für ein großes Bier. Hm. Ganz, ganz vorsichtig spreche ich das mit der Trink-Flatrate an. Ach, sagt da Frau Angermeier beschwichtigend, ach, mehr als drei, vier Halbe Bier würde ja eh niemand trinken. Johannes und ich wechseln einen Blick, der zwischen amüsiert, verzweifelt und irritiert schwankt. Ich bin mir sicher, in Johannes´ Gehirn passiert gerade das gleiche wie bei mir: Eine lange Liste rattert durch, eine sehr lange Liste mit Freunden, deren Trinkgewohnheiten sich nicht mit den Berechnungen der freundlichen Frau Angermeier decken. Wir schweigen betreten zu Frau Angermeiers Idee mit den drei, vier halben Bieren.
Wir fahren weiter, und zwar zu einem richtigen Schloss, Schloss Pertenstein am Chiemsee. Als die dritte Frau Angermeier uns durch Schlosssäle, Schlossgärten, Schlossgräben, Schlossbrücken führt, merke ich, dass ich langsam ziemlich erschöpft bin. Und dass ich aggressiv auf Johannes werde, der bei diesen Führungen immer so eine geschäftig-anbiedernde Art an den Tag legt, um als hochsolider junger Mann rüberzukommen, dem jede Frau Angermeier mit Kusshand ihr Schloss, ihren Landgasthof und ihre Barockvilla zur Verfügung stellt.
Frau Angermeier führt uns auf einen kleinen Balkon. Hier, erklärt sie, könne man als Brautpaar stehen und auf die Gäste herab eine Ansprache halten. Zum ersten Mal kommt mir die Sache mit dem Schloss ein bisschen übertrieben vor. Später sitzen wir in Frau Angermeiers Büro. Sie drückt uns einen sehr dicken Stapel Papier in die Hand. Einfach mal in Ruhe durchlesen sagt, sie, das Kleingedruckte, nicht wahr, da stehe alles noch mal genau drin. In Frau Angermeiers Schloss, das sehe ich beim Überfliegen einiger Seiten, wird jede Tischdecke, jeder Aschenbecher, jede Husse (neu gelerntes Wort: dieser weiße Ganzkörperanzug für Stühle) einzeln berechnet.
Als wir erschöpf wieder im Auto sitzen und nach München zurückfahren, gerate ich in leichte Panik: teures Bier, teure Hussen, teure Kerzenständer, lärmempfindliche Schweine. Die Lage scheint hoffnungslos.
Das ist ein paar Wochen her. Mittlerweile haben wir uns entschieden: Keine Alkohol-Flatrate, denn niemand wollte sie uns gewähren; kein Seeufer, kein Schloss, keine alte Villa. Keine Hussen. Sondern ein so genannter „Hochzeitsstadel“, der, wie Johannes bei der ersten Besichtigung feststellte, von außen aussieht wie eine Baracke. Von innen ist es aber sehr gemütlich dort. Außerdem wird ja eh die Sonne scheinen, und dafür gibt es alte Kastanien, unter denen dann gesessen wird. Und es gibt weder lärmempfindliche und dabei glückliche Schweine noch Anwohner. Das ist, glaube ich mittlerweile, wichtiger als Seenähe und Schlossbalkon.
Text: theresa-selig - Illustration: Katharina Bitzl