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Horror-Party: Die Nacht, an die es keine Erinnerung gibt

Dieser Morgen nach dem Saufen hatte ein paar üble Überraschungen parat.
Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Wir alle vermissen Partys – und vergessen dabei leicht, dass Feiern nicht immer nur spaßig ist. In dieser Serie erzählen wir deshalb von den schlimmsten Partys, auf denen wir in unserem Leben waren. Viel zu viel Alkohol, grauslich langweilige Verwandte, emotionale Tiefpunkte – es gibt ja viel, das eine Feier vermiesen kann. Falls du selbst von einer schlimmen Party erzählen willst: Schreib uns eine Mail an info@jetzt.de!

Horror-Stufe: 8 von 10

Der Alkohol: Billig.

Die Party-Gäste: Ich wünschte, ich wüsste es.

Jeder kennt diese harten Morgen nach dem Saufen, an denen man sich unter Kopfschmerzen windend über der Kloschüssel schwört: Nie. Wieder. Alkohol. Dies ist die Geschichte der Nacht, nach der ich wirklich damit aufgehört habe. Naja – vielleicht nicht ganz, aber zumindest damit, mich hemmungslos wegzuballern.

Ich war gerade im dritten Semester meines Bachelor-Studiums und wohnte zusammen mit meiner guten Freundin Anna in einem hässlichen Plattenbau in einer der unhippsten Gegenden Münchens (für Kenner*innen: Obersendling). Generell waren wir eher so eine Abends-miteinander-Trash-TV-schauen-und-morgens-großes-Frühstück-WG, Blumen am Balkon, miteinander den Hund von Annas Oma sitten, so Zeug eben. Wild geht anders. Nicht mal mit One-Night-Stands oder leichten Drogen wurde bei uns experimentiert. 

Die schlimmsten Nebenjobs

Die logische Konsequenz: Wir hatten EINIGES hinsichtlich unseres „coolen Studi-Lifes“ zu kompensieren. Das bedeutete in unserem Fall, dass wir uns etwa alle drei Monate ziemlich wegkippten und versuchten, in diesem Zustand im Münchner Nachtleben etwas zu erleben. Und was wir alles erlebt haben! Da gab es etwa die Nacht, in der wir uns wahnsinnig im Techno-Club langweilten. Oder den Abend, der viel zu früh vorbei war, weil ich meinen Ausweis vergessen hatte. Und es gab eben auch diesen einen Abend, von dem ich hier erzähle. Und an den ich mich bei Gott nicht mehr erinnern kann.

Wir hatten wie immer schon zuhause vorgeglüht, Wodka-Cola (nein, dafür waren wir uns nicht zu gut). Dann noch irgendeine Weg-Mische für die Busfahrt. Soweit, so fein, so betrunken.  

Die restliche Nacht war etwa so: 

Im Bus sind Anna und ich schon recht voll – und  mir ist richtig schwindlig. Wir steigen gegen 22:30 Uhr aus dem Bus aus. Dann: Erinnerung weg. Dann 4.00 Uhr morgens. Ich friere abartig an irgendeiner Bushaltestelle. Erinnerung wieder weg. Dann: warme Wohnung, Zähneputzen geht nicht mehr, umziehen auch nicht, ich stolpere durch mein Zimmer, irgendetwas ist komisch, ganz falsch, egal, einfach nur schlafen. Schlafen macht jetzt alles besser.

Die quälende Frage: Was stinkt da so?

7.00 Uhr morgens. Ich wache auf. Ich bilde mir ein, schlimme Träume gehabt zu haben, in denen es unglaublich gestunken hat. Dann wird mir klar: Es war kein Traum, es ist mein Zimmer, das so sehr stinkt, dass es sich in meinen Träumen festgesetzt hat. Mir ist nicht einfach nur schlecht, ich muss kotzen. Beim Aufsetzen wird mir zudem klar, dass ich noch wahnsinnig besoffen bin. Schnell zum Klo. Was ist das komisches Braunes am Boden zwischen meinen Klamotten? Egal. Ich renne raus und lerne die Kloschüssel genauer kennen. Noch während ich meinen Mageninhalt rückwärts verliere, wird mir klar, was das braune Zeug in meinem Zimmer ist, das die Luft verpestet. Der Dackel von Annas Oma, der bei uns zu Besuch war, hat in mein Zimmer gekackt. Ich verfluche den Hund, mein Leben, und den billigen Wodka.

Wieder in meinem Zimmer stehe ich in meiner majestätischen Stockbesoffenheit vor dem Haufen und begutachte ihn. Er ist etwas flüssiger, als ich gehofft hatte. Ich öffne ein Fenster, ich wische mit Küchenrolle rum – aber bin viel zu dicht, um alles zu erwischen.  Und auch viel zu dicht, um auf die Idee zu kommen, mich auf die Couch in der Küche zu legen. Ich kehre in mein Bett zurück, hoffend, dass ich in zwei Stunden gestärkt und erfrischt erneut erwachen würde. 

Eine Stunde später wache ich wieder auf. Es stinkt immer noch, trotz offenem Fenster, und auch trotz „Wegmachen“. Ich muss mich ein zweites Mal übergeben, mein Kopf brummt. Ich fühle mich schmutzig und eklig. Nichts zu machen, ich putze ein weiteres Mal den Boden, diesmal mit richtigem Putzmittel. Der Geruch geht nicht weg. Vielleicht dauert es kurz. Ich schließe die Augen und verstecke mich unter der Decke.

Der Hund kommt schwanzwedelnd auf mich zu. Mistvieh

Eine Stunde später, ich wache auf. Gleiches Spiel: Das Zimmer stinkt, ich muss mich übergeben. Am Weg von der Toilette zur Küche, wo ich mir ein Wasser holen will,  kommt der Hund schwanzwedelnd auf mich zu. Mistvieh. Nein, er ist natürlich trotzdem süß. In der Küche sitzt Anna. Sie sieht nicht nur völlig fertig aus, sondern löst auch das Rätsel um den Haufen in meinem Zimmer. Ich hätte sogar noch Glück gehabt, der Hund hätte sich den Magen verdorben und deswegen überall hingekotzt und gekackt. Toll, jetzt kann ich nicht mal mehr sauer sein, denke ich. In meinem Zimmer löst sich dann auch das Rätsel des nicht verfliegen wollenden Scheiße-Odeurs: Als ich beim Heimkommen durch den Raum getorkelt bin, bin ich voll in den Haufen gestiefelt. Der Socken liegt noch herum, immerhin hatte ich den noch vor dem Bett ausgezogen.

Also Socken in die Waschmaschine, zurück ins Bett. Diesmal bin ich sowas von sicher, mein Zimmer vollständig endhundekackt zu haben. Das gibt mir die Sicherheit, dass ich jetzt in Ruhe schlafen kann, dass mein junger Körper den Alkohol besiegen wird, dass ich dann einen schönen Tag haben werde. 

Ich hätte nicht falscher liegen können. Meine Horror-Reise ins dunkle Tal des Katers begann erst. Ich hatte mir nämlich in dieser Nacht zwar keine lebensgefährliche Alkoholvergiftung geholt. Doch ich hatte mich so kaputt getrunken, dass ich nicht aufhören konnte, mich zu übergeben. Jede halbe Stunde: Galle, den ganzen Tag lang. Natürlich konnte ich nichts bei mir behalten, kein Wasser, kein Essen, nichts.

Am späten Nachmittag bekam ich irgendwann ziemlich Angst zu dehydrieren und rief einen ambulanten Arzt. Der kam, sah – und verurteilte mich: mit Recht. Übersäuerung des Magens, sagte er, da haben Sie es aber übertrieben. Ob mir klar sei, dass er eigentlich dafür da sei, Leuten zu helfen, die echt krank seien, und nicht Menschen, die sich selbst vergiften. Dann gab er mir eine Spritze, die alles sofort besser machte. Peinlich des Todes war das Ganze.

Als das ganze Drama nach mehr als zwölf Stunden endlich vorbei war, lag ich also in meinem vollgekackten Zimmer, schwach und voller Schuldgefühle, mich fragend: War es das wert? Diese ganzen Qualen für einen Abend, an den ich mich nicht einmal mehr erinnern kann? Ist die schlimmste Party nicht die, für die man am Ende einen hohen Preis zahlt, und die es zumindest im eigenen Kopf nicht einmal gegeben hat? Naja, meine Antwort darauf kennt ihr ja. Obwohl, um fair zu sein: Selbst die besten Partys meines Lebens wären das Hundekack-Trauma nicht wert gewesen.

* Unser*e Autor*in möchte nicht, dass alle nur noch an Alkohol und Hundekacke denken, wenn sie sie sehen. Deshalb bleibt er*sie in diesem Text lieber anonym. 

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