- • Startseite
- • Horror-Party
-
•
Horror-Party: Von der Polizei nach Hause gefahren
Man vergisst leicht, dass Feiern nicht immer nur spaßig ist. In dieser Serie erzählen wir deshalb von den schlimmsten Partys, auf denen wir in unserem Leben waren. Viel zu viel Alkohol, grässlich langweilige Verwandte, emotionale Tiefpunkte – es gibt ja viel, das eine Feier vermiesen kann. Falls du selbst von einer schlimmen Party erzählen willst: Schreib uns eine Mail an info@jetzt.de!
Horrorstufe: 7 von 10
Center of Attention: ein Vorsicht-Rutschig-Schild
Trinkverhalten: glamouröser als die Polizei erlaubt
Ich muss zugeben, meine Erinnerung an den Abend ist etwas getrübt. Es ist lange her. Oder vielleicht liegt es auch einfach nur daran, dass der spätere, adrenalin-erfüllte Teil des Abends alles Vorherige in meinem Hippocampus überdeckt hat. So oder so, hier ist, was ich noch weiß: Wir feierten den 17. Geburtstag einer meiner besten Freundinnen aus der Schulzeit. Wir, das waren sechs junge Frauen, keine davon volljährig. Und wir wollten natürlich – wie alle Minderjährigen – da feiern, wo es uns am wenigsten erlaubt ist. In einer Bar, mit möglichst viel Alkohol.
Weil kein anständiger Laden in München ein halbes Dutzend Halbstarke reingelassen hätte, endeten wir recht schnell am Tiefpunkt des sogenannten Münchner High-Society-Lebens: dem Hauptbahnhof. Genauer gesagt in einer ziemlich schlimm heruntergekommenen Bar. Wir tranken für wenig Geld räudige „Cosmopolitans“ und fühlten uns wie der Cast von „Sex and the City“. Eigentlich bepissten wir uns aber die ganze Zeit vor Lachen, während wir versuchten, uns Eiswürfel in die Nase zu stecken. Teenager halt.
Aus den verwischten Handy-Fotos, die ich von diesem Abend noch habe, kann man rekonstruieren, dass wir es wohl noch in eine zweite Bar im Münchner Osten geschafft haben, und schließlich im McDonalds verendet sind. Cheesy! Von da sollte es eigentlich nur noch heimgehen. Aber wie so oft ging auch dieser Abend erst richtig los, als er schon vorbei sein hätte sollen. Auf der Straße vor der McDonalds-Filiale fand ich nämlich mein Schicksal. Es kam in Form eines etwa kniehohen, neongelben Plastikaufstellers zu mir: „Vorsicht rutschig“ stand drauf.
Unschuldig lag das Schild mitten auf der nassen Straße – und ich freute mich in meiner besoffenen Heiterkeit über dieses alltägliche, aber doch besondere Fundstück. Das Ding musste natürlich mit, und mit Stolz geschwellter Brust, meinen neuen gelben Freund unter den Arm geklemmt, kamen wir beim Ostbahnhof an. Und wie immer des Nachts in München: Erstmal eine Stunde auf die nächste U-Bahn warten. Was sonst. Langweilig ist aber nur langweiligen Menschen. Und so begann der unangenehme Teil des Abends erst mal recht fröhlich.
Konnte die Bullerei uns etwa im Nachhinein nachweisen, dass unser Suff nicht von Bier auf dem Spielplatz kam?
Jedes Mal wenn jemand unten an der Rolltreppe ankam, sprang ich von der Seite vor die Person und rief: „HAHAA VORSICHT hier ist es RUTSCHIG!!“ und stellte dann ganz schnell das Schild vor der Person ab. Die Menschen mussten dann kurz ausweichen, und reagierten auf diese Unannehmlichkeit irgendwo zwischen entnervt, irritiert und überfordert. Ich kam mir derweil vor wie die Königin der Spaßmacher, eine geniale Meisterin der Streiche. „HAHAA.“ Die Nummer zog ich wahrscheinlich zehnmal ab, dann gönnte ich mir mit den Mädels eine kleine Pause auf einem U-Bahn-Bankerl.
Zwei junge Männer in Uniform schlenderten den Bahnsteig entlang. Die Polizei. Ich dachte mir nichts – bis sie direkt vor unserem Pausenplatz stehen blieben, und sich vor uns aufbauten: „Mitkommen bitte.“ Irritiert tauschten meine Freundinnen und ich Blicke untereinander aus. Konnte die Bullerei uns etwa im Nachhinein nachweisen, dass unser Suff nicht von Bier auf dem Spielplatz kam – sondern wir illegal mit Hochprozentigerem in einer Bar getrunken hatten? Auf der Rolltreppenfahrt nach oben tuschelten wir uns noch kichernd gegenseitig Ratschläge ins Ohr: „Atmet mit offenen Mund, dann verfliegt der Alkohol schneller!“
„Nicht erschrecken“, flüsterte ich so laut ich konnte
Oben stand ein größerer Polizeiwagen, vor dem noch mehr Polizist:innen herumlungerten. Und da löste sich dann auch endlich das Rätsel, was eigentlich los war: „Sagen sie mal, wo haben sie eigentlich das Schilderl her?“ Die wollen mich doch vergackeiern, dachte ich. Denen ist doch sicher fad, die erlauben sich hier nur einen Spaß mit einer Gruppe angedüdelter Mädels.„Gefunden“, antwortete ich ehrlich. „Das Schild wurde als gestohlen gemeldet“, sagte einer der beiden Männer. „Beim McDonalds.“ „Ah, da waren wir auch grade“, sagte ich fröhlich, mein eigenes Grab schaufelnd. „Aber das Schild habe ich draußen gefunden.“ Jetzt sagten ihre Blicke: Die will uns doch vergackeiern – ihre Münder aber: „Können Sie sich denn ausweisen?“
Ich blieb ich cool – denn ich rechnete damit, im schlimmsten Fall ermahnt zu werden und mein liebgewonnenes Schild abgeben zu müssen: „Nicht dabei, hab´ ich vergessen“, meinte ich grinsend. Haha, die können mir gar nichts, dachte ich. Jetzt müssen die den Scherz aber wirklich auflösen, dachte ich. Die Situation ist unter Kontrolle, dachte ich.
45 Minuten später stand ich am Fußende des Bettes meines Eltern. Es war etwa zwei Uhr morgens, das Zimmer war dunkel, die beiden schliefen tief. Vor der Haustür stand ein großes Polizeiauto, mit sechs Polizist:innen drinnen, die auf mich warteten, besser gesagt: auf meine Eltern, die meine Identität bestätigen sollten. „Nicht erschrecken“, flüsterte ich so laut ich konnte, „ihr müsst mal kurz aufwachen. Die Polizei ist da. Aber ICH WARS NICHT, WIRKLICH NICHT!“ Ein unglaublich erniedrigender Moment – dem noch viele weitere folgten.
Es waren sich nämlich alle einig, dass ich dieses lapprige Plastikschild doch auf jeden Fall geklaut habe. Mein Verhalten an der U-Bahn sei „auffällig“ gewesen, meinte die Polizei. Als meine Freundinnen meine Geschichte unterstützten, hieß es, so oder so sei das íllegal, Sachen, die man auf der Straße findet, einfach zu behalten. Auch meine Eltern waren enttäuscht, dass ich mich nicht zu meiner angeblichen Schandtat bekannte: „Wenn man schon Scheiße baut, sollte man wenigstens dazu stehen.“ Noch ungnädiger war die Richterin am Jugendgericht, die mich wegen Diebstahls glatt zu acht Sozialstunden verurteilte. Kein Scherz. Aber naja: Langweilig wird eben nur den Langweiligen.