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Horror-Party: Familienfeier mit Fast-Streit
Man vergisst leicht, dass Feiern nicht immer nur spaßig ist. In dieser Serie erzählen wir deshalb von den schlimmsten Partys, auf denen wir in unserem Leben waren. Viel zu viel Alkohol, grässlich langweilige Verwandte, emotionale Tiefpunkte – es gibt ja viel, das eine Feier vermiesen kann. Falls du selbst von einer schlimmen Party erzählen willst: Schreib uns eine Mail an info@jetzt.de!
Horrorstufe: 8 /10
Center of Attention: Die AfD-Cousine
Trinkverhalten: Leider nüchtern
Vor fünf Jahren habe ich meinen Freund Leo* kennengelernt und mit ihm seine ganze Familie. Die ist ziemlich groß, viel größer als meine und auch sehr viel harmonischer. So harmonisch, dass es schon fast gruselig ist: Diese Menge an Liebe und Zusammenhalt kennt man sonst nur aus Filmkomödien mit Adam Sandler. Könnte man sich die perfekte Familie backen, dachte ich lange Zeit, dann wäre das wohl Leos.
Und weil meine Familie von der Beschreibung „perfekt“ weit entfernt ist, verbrachte ich in den vergangenen fünf Jahren mehr Zeit mit Leos Familie als mit meiner eigenen. Was aber auch nicht sonderlich schwer ist: So gut wie jedes Wochenende hat ein anderes Familienmitglied Geburtstag.
So auch Leos Opa, kurz vor der Bundestagswahl. Bestimmt 30 Menschen versammeln sich an diesem Tag an einer großen hölzernen Tafel in einem kleinen bayerischen Wirtshaus. Es wird viel umarmt, gelacht und geredet. Nach dem Essen steht mein Freund auf und wechselt ein paar Plätze weiter zu seinen Großeltern. Dafür kommt seine Cousine und setzt sich neben mich. Sie ist Mitte 20 und Kindergärtnerin. Eine super coole Person mit sehr viel Humor – denke ich. Während ein paar Stamperln erzählt sie mir von ihrem Haus, das sie zusammen mit ihrem Partner umbaut – eine alte Scheune. Ein Projekt, das sich wohl ziemlich in die Länge zieht. Schuld sei der Staat, der die Materialien immer teurer werden lässt, sagt sie. Der normale Bürger könne sich das ja gar nicht mehr leisten. „Eine Frechheit! Der Mittelstand stirbt aus!“ Aber eigentlich wolle sie jetzt nicht über Politik reden, sagt sie dann. Das führe doch immer zum Streit. Neugierig geworden, versichere ich ihr, dass wir nicht streiten würden und ich ihr mir ihre Meinung gern anhören würde. Schließlich kenne ich mich ja auch überhaupt nicht mit den Problemen aus, denen man sich als junge Hausbesitzer:in stellen muss.
Und dann kommt die Wendung, völlig unerwartet: „Die AfD. Das ist die einzige Partei die wirklich was für die Menschen tut.“ Ich starre sie nur an, ungläubig. Tausend Gedanken schießen mir in den Kopf: „Ich mag dich doch eigentlich so! Das kannst du nicht ernst meinen. Oder doch?“
Also frage ich nach: „Was macht sie denn für die Menschen, für dich?“ Doch sie erklärt mir nur, was alle anderen Parteien, speziell die Grünen, angeblich falsch machen. Durch die würden Rohstoffe immer teurer werden und Einfamilienhäuser verboten. Ich will nicht riskieren, dass die Situation eskaliert. Also frage ich ruhig nach: „Ist dir der Klimaschutz denn nicht wichtig?“
Ich versuche die richtigen Worte zu finden, bin allerdings wie betäubt
„Nein, der Klimaschutz interessiert mich gerade wirklich am wenigsten. Deswegen sterben wir ja nicht. Ich habe andere Sorgen.“ Mein Kopf wummert zu dem Zeitpunkt schon vor wütenden Gedanken: „Wenn wir bald in einem riesigen Gewächshaus sitzen und Lebewesen sterben, weil es zu heiß ist, dann bringt dir dein blödes Haus auch nichts mehr!“ Ich würde am liebsten laut werden – und wäre ich bei meiner eigenen Familie, wäre ich das auch. Ein Familienfest ohne Streit gibt es da nicht. Da wird geschrien, es werden Türen geknallt und Tränen vergossen. Man schmeißt sich Gemeinheiten an den Kopf und der Satz „Ich enterbe dich“ fällt auch mindestens einmal.
Aber hier? Inmitten der harmonischsten Familie aller Zeiten, meinem Rückzugsort? Ich versuche, die richtigen Worte zu finden, bin allerdings wie betäubt. Soll ich diesen Zauber jetzt riskieren und einen Streit provozieren? Ich kämpfe mit mir, hätte so viel zu sagen. Doch am Ende sage ich nichts. Ich möchte einfach nur gerettet werden – von meinem Freund. Wo ist der überhaupt? Panisch schaue ich durch die Reihen und entdecke ihn zwischen seinen Eltern. Ich fixiere ihn, in der Hoffnung, dass er meinen verzweifelten Blick spürt.
Es klappt! Mein Retter in der Not kommt zu uns herüber und befreit mich aus dieser unangenehmen Situation. „Und, worüber habt ihr so geredet?“, fragt er interessiert. „Ach, nur über ihren Hausbau“, entgegne ich – wissend, dass ich ihm später sowieso alles erzählen werde.
Nach dem Fest mache ich mir noch lange Gedanken darüber, ob es richtig war, meine Meinung für mich zu behalten. Aber zum Glück wird es ja noch viele Familienfeste geben. Und vielleicht habe ich das nächste Mal eine gute, deeskalierende Antwort, die Ruhe für ein konstruktives Gespräch. Vielleicht bin ich dann auch weniger feige. So oder so: Seit diesem Treffen ist mir klar, dass es wohl in jeder Familie Menschen gibt, mit denen man nicht so gut auskommt – auch in der besten.
*Der Name wurde von der Redaktion anonymisiert.