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Horror-Nebenjob: Farben-Krimi in der Modefiliale
Manche Jobs sind schlimmer als andere – in dieser Serie erzählen wir von unseren und euren schrägsten Nebenjobs. Diese Geschichte hat unsere Leserin Anika erlebt und uns am Telefon erzählt.
Horror-Stufe: 6 von 10
Chefin: nette Frau, die sich als doch nicht so nett herausstellte
Bezahlung: 6,50 Euro die Stunde (vor Mindestlohn!)
Erlernte Skills: unnützes Farbwissen
„Kurz nach dem Abi begann ich meinen allerersten Nebenjob, ich arbeitete als Aushilfe in einer Modefiliale. Ich dachte mir damals nur: Mode mag ich, könnte also vielleicht ganz cool sein. Falsch gedacht: Schon vom ersten Tag an war das Arbeitsklima unfreundlich und ruppig. Meine Kolleginnen, alle zwischen Mitte 40 und Mitte 50, erwarteten, dass ich direkt die gleiche Arbeit leiste wie sie. Ich solle schneller arbeiten, sagten sie immer wieder. Dabei stand ich an diesem Tag zum allerersten Mal an einer Kasse. Ich fühlte mich auch die Wochen darauf nie wohl – brauchte aber das Geld. Deshalb arbeitete ich weiter an der Kasse, acht Stunden am Tag. Andere Aushilfen durften auch Klamotten sortieren oder eine Abteilung betreuen, aber mir wurde das gar nicht erst angeboten.
Das war nicht schön, aber erträglich. Das Erlebnis, das mir bis heute im Gedächtnis geblieben ist, konnte ich aber weniger gut verkraften: Bei der Modekette gab es eine Art Dresscode. Man durfte als Mitarbeiterin nur schwarz, weiß, grau, braun oder marineblau tragen. Einmal trug ich ein blaues Oberteil. Ich machte mir im Vorfeld ehrlich gesagt wenig Gedanken darüber, ob der Blauton dunkel genug war – war er anscheinend nicht.
Eine Kollegin sprach mich darauf an, dass ich die falsche Farbe trüge. Das sei königsblau und nicht marineblau, viel zu hell, ginge ja gar nicht. So perplex wie ich war, konterte ich nur, dass ich dasselbe Shirt schon einmal getragen hatte. Außerdem war mir die Chefin ja auch schon begegnet und hatte sich auch nicht beschwert.
Rückblickend ärgere ich mich darüber, nicht mutiger gekontert zu haben
Offenbar erschien meiner Kollegin das Problem aber so groß, dass sie eben jene Chefin anrief. Die kam runter zur Kasse, schnurstracks auf mich zu. Sie habe gehört, dass ich mich weigern würde die richtige Arbeitskleidung zu tragen. Und sie hätte ihr Einverständnis für das Outfit sicherlich nicht gegeben. Ich sagte dann zu ihr, dass sie bei unserem Zusammentreffen am Morgen zumindest nichts bemerkt habe.
Sie beschimpfte mich, bezeichnete mich als frech und gab mir zwei Optionen: Ich könne nun nach Hause fahren und mich umziehen. Oder aber ich könne mir irgendetwas Passendes kaufen – immerhin gebe es ja 50 Prozent Mitarbeiterrabatt! So jung und naiv wie ich war, kaufte ich mir dann dort ein neues T-Shirt. Rückblickend ärgere ich mich darüber, nicht mutiger gekontert zu haben.
Ich musste mir den ganzen Tag ein Lachen verkneifen
Bleibende Schäden hinterließ dieser Nebenjob natürlich nicht – abgesehen von einer lebenslangen Abneigung gegen Amy Winehouse. (Es gab eine einzige Playlist mit mindestens fünf Songs von ihr, die jeden Tag rauf und runter lief.) Ich glaube, das hat mich am Ende fertiger gemacht als die Rückenschmerzen durch das ständige Stehen.
Nach drei Monaten lief mein Vertrag endlich aus und ich sehnte den letzten Tag herbei. Als es dann soweit war, wusste niemand davon. Eine der netteren Mitarbeiterinnen kam ausgerechnet an diesem Tag zu mir und schlug vor, dass sie mir heute ja mal eine andere Aufgabe zeigen könne, zum Beispiel wie man eine Abteilung betreut. So durfte ich an meinem allerletzten Tag noch etwas anderes als Kassieren machen. Ich musste mir den ganzen Tag ein Lachen verkneifen.”