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Horror-Nebenjob als Maskottchen
Horrorstufe: 6 von 10
Chef*in: Der oder die jeweilige Betreuer*in des Werbestands
Bezahlung: Etwa 10 Euro pro Stunde
Erlernte Skills: In eine andere Rolle schlüpfen
Wie kann ich ein guter Freund sein, ein guter Sohn, ein guter Mensch? Das sind Fragen, die man sich hin und wieder stellt im Leben. Bei mir kam vor ein paar Jahren noch eine andere Frage hinzu: Wie werde ich eine gute Ente?
Nach der Schule habe ich eine Ausbildung in einem größeren Unternehmen gemacht. Die monatliche Bezahlung, ein paar hundert Euro, war in Ordnung und sogar besser als in vergleichbaren Firmen. Für ein Leben in Luxus reichte es natürlich nicht. Aber es gab da ja noch diese eine Möglichkeit, ein wenig dazuzuverdienen.
Die Aufgabe: Auf Werbeveranstaltungen am Wochenende musste jemand in Fußgängerzonen das Maskottchen der Firma spielen, je nach Anlass, für vier oder sechs Stunden am Stück. Bei dem Maskottchen handelte es sich um eine überdimensionierte Ente, etwa zwei Meter groß, mit blauer Krawatte, gigantischem Hinterteil und einem apathischen Blick. Im Maskottchen steckte stets ein Azubi, der dafür sorgen musste, dass Passantinnen und Passanten der Ente dankbar irgendwelche Flyer aus der Hand reißen und dann am besten noch ein nettes Foto mit dem unbeholfenen Monstrum machen wollten.
Um mich herum stank es nach einer Mischung aus Reinigungsmitteln und dem Schweiß einiger Azubi-Generationen vor mir
So schwierig, dachte ich mir, wird es schon nicht sein. Aber schon bei meinem ersten Einsatz machte ich den Fehler, den wohl jedes Möchtegern-Maskottchen erst einmal macht: Ich stieg mit normaler Alltagskleidung – also mit Unterwäsche, T-Shirt, Jeans – in mein neues Outfit hinein. Und ich roch, dass ich nicht der Erste war, dem es so ging: Ich hatte mich zu warm angezogen. Um mich herum stank es nach einer Mischung aus Reinigungsmitteln und dem Schweiß einiger Azubi-Generationen vor mir, die längst in wohlverdienter Maskottchen-Rente waren. Ich aber steckte noch mitten drin in diesem nach Muff riechenden Job.
Meinen Körper trennte nun eine sehr dicke Schicht Kunststoff von der Außenwelt, die ich nur noch gedämpft hören konnte. Um mich herum war es dunkel, denn ich hatte meinen Kopf noch nicht so geschickt im Inneren des Kostüms justieren können, dass meine Augen durch die Gucklöcher hindurch schauen konnten, die sich (aus welchem Grund auch immer?) im Schnabel des Kostüms befanden.
Nun wurde mir klar, dass das, was die Leute von außen sehen und das, was ich von innen sehe, sich sehr voneinander unterschiedt. Von außen: die dauergrinsende Plüsch-Ente. Von innen: der dauerschwitzende Möchtegern-Erpel, dessen graues T-Shirt nun zwei Graustufen grauer war. Doch dann spürte ich das, was man wohl nur als Maskottchen spüren kann. Dieser real gewordene Traum, den man manchmal hat: Wie wäre es, wenn ich in der Haut eines anderen stecken würde? Jetzt wurde er wahr! Und ich bekam dafür sogar zehn Euro pro Stunde.
Einerseits war ich nun der Hingucker für alle Menschen, die an diesem Tag durch die Fußgängerzone spazieren gingen. Noch nie in meinem Leben drehten sich nach mir, einem eher bühnenscheuen Menschen, so viele Leute um. Manche, das konnte ich allmählich durch die Gucklöcher erkennen, lächelten. Andere schauten so, als würden sie Maskottchen einfach abgrundtief hassen. Erst war es mir unangenehm, wie mich die Menschen ansahen. Andererseits konnte es mir egal sein, ich war ja selbst völlig unsichtbar. Ich konnte nun also theoretisch machen, was ich wollte. Blöd herumtanzen, gymnastische Übungen machen, Menschen hinterher quaken, und niemand (außer meine zwei Kollegen) würde wissen, wer ich wirklich bin.
Ich wusste nicht, wo mein neuer Körper anfing und wo er endete
Als ich gerade loslegen wollte mit der Anarchie als Unsichtbarer, merkte ich, dass es überhaupt nicht leicht ist, dieses ziemlich schwere Stück Kunststoff in Bewegung zu setzen. Die Füße waren so schwer, dass ich sie kaum anheben konnte. Ich wusste nicht, wo mein neuer Körper anfing und wo er endete. Einmal drehte ich mich zu schnell um die eigene Achse und fiel auf mein zum Glück sehr gut gepolstertes Hinterteil.
Aber von Einsatz zu Einsatz gewöhnte ich mich an meine neue Rolle. Maskottchen wirken oft ziemlich albern, wie auch der Twitter-Account „Mascots Minute Silence“ auf rührende Art und Weise dokumentiert. Er zeigt Fotos und Videos von Fußballclub-Maskottchen, die bei Schweigeminuten neben den gesenkten Köpfen der Spieler debil in der Gegend rumgrinsen, weil sie nicht anders können. Aber ich lernte auch, dass viele sich schlicht darüber freuen, wenn sie einer dicken Ente in Menschengröße über den Weg laufen. Immer wenn Leute lächelnd an mir vorbeigingen, hob ich also die Hand und reckte den Plüsch-Daumen nach oben. Und wenn jemand von mir ein Foto wollte, legte ich meinen Arm um die Person.
Kritisch wurde es nur dann, wenn ich ungefragt damit begann, mit meinem Gegenüber zu sprechen. Einmal brach ein Kind, auf das ich vorsichtig zuwatschelte, nach meinem ersten Wort in Tränen aus und klebte kurz darauf am Unterschenkel seiner Mutter. Es tat mir schrecklich leid, also versuchte ich, entschuldigend zu schauen, was natürlich nicht klappte, weil man nur meinen dämlichen Schnabel sah. Eine gute Ente, lernte ich also daraus, redet nicht. Eine gute Ente watschelt apathisch lächelnd in der Gegend rum und schweigt.
Hattest du auch mal einen Nebenjob, der richtig schlimm oder absurd war? Dann erzähl uns gern davon und schreib eine kurze Mail mit ein paar Zeilen zum Job und deinen Erfahrungen an info@jetzt.de! Wir melden uns dann bei dir.