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Horror-Nachbarin: Die einsame Unzufriedene

Verriet erst spät den wahren Grund für ihren Krawall: Karen.
Illustration: FDE

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Manche Nachbar:innen sind schlimmer als andere, in dieser Kolumne erzählen wir von ihnen. Diesmal erzählt unsere Autorin von einer Nachbarin, die Angst hatte, etwas zu verpassen – und deswegen ständig die Polizei rief.

Wohnatmosphäre: FOMO – Fear of Missing Out (Die Angst, etwas zu verpassen)

Geschlecht und Alter des Nachbars: weiblich, Ende 40  

Horror-Stufe: 8 von 10

Die besten Gespräche sind die, die man um vier Uhr morgens führt. Zuhause, und natürlich in Zimmerlautstärke. Unsere Nachbarin Karen sah das anders. Sie bestellte bei jeder Gelegenheit die Polizei zu der WG, in der meine Schwestern und ich damals gemeinsam wohnten. Lange dachten wir, sie sei einfach nur böswillig. Erst spät gestand sie mir unter Tränen den wahren Grund ihres Verhaltens.

Karen lebte weder direkt neben noch unter uns. Ihre Wohnung lag im ersten Stock, unsere im zweiten Stock des Hauses – und nicht einmal genau darüber. Außerdem, soviel zur Transparenz, war ihr Name gar nicht Karen. Doch sie war alles, was eine richtige Karen nach der Definition des popkulturellen Phänomens ausmacht: Eine weiße Frau mittleren Alters mit blondem Kurzhaarschnitt, die wahnsinnig gerne die Polizei ruft und sich in die Angelegenheiten anderer einmischt. Immer. Sogar zu Geburtstagsfeiern oder an Silvester machte sie keine Ausnahmen. Wenn Karen nicht schreiend bei uns klopfte, holte sie sich gleich uniformierte Unterstützung. Einmal war sie entsetzt darüber, dass eine Neujahrsfeier bis drei Uhr (!) morgens dauerte. An einem anderen Abend sollen wir zu laut „Happy Birthday“ gesungen haben.

Karen betrieb ihr Hobby leidenschaftlich. Sie war so begeistert davon, dass uns eine Polizistin eines Abends erklärte: „Ich weiß, dass ihr nicht laut wart. Wir sind lange draußen gestanden. Aber wenn wir angerufen werden, müssen wir vorbeikommen.“ Spätestens da fühlten sich die regelmäßigen Polizeibesuche wie ein persönlicher Angriff auf uns an. Warum gönnte unsere Nachbarin uns keinen Spaß? Hatte sie tatsächlich so eine Freude daran, die Polizei zu kontaktieren? Tat sie es aus reiner Bosheit?

Eines Nachts teilten wir persönliche Anekdoten – Karen war auch ein ständiges Thema – und lachten über unsere gescheiterten Liebesgeschichten. Wobei wir uns gegenseitig ermahnten, nicht zu laut zu sein. Überraschenderweise klopfte in dieser Nacht niemand bei uns. Karen rief nicht an. Auch die Polizei erschien an diesem Abend nicht. Meine Geschwister und ich waren überrascht. Die Freude über den gelungenen Abend wurde von Misstrauen überschattet.

Ich beschloss, einfach selbst zur Karen zu werden 

Unsere Sorge sollte sich noch am nächsten Morgen bestätigen. Wir fanden einen Zettel von Karen in unserem Briefkasten, auf dem stand: „Wenn ihr das nächste Mal wieder so einen Lärm macht, werde ich mich bei der Hausverwaltung melden!“ Ich war wütend, dass sie sich an unserer Freude störte. Frustriert, dass sie unsere Annäherungsversuche nicht wahrgenommen hatte. Doch bevor ich den Brief in meiner Hand zerknüllte, entschloss ich, für einen Moment selbst zu „einer Karen“ zu werden.

Ich nahm mich nicht zusammen und klopfte mit demselben Enthusiasmus gegen die Tür meiner Nachbarin, mit dem sie sonst bei uns an die Tür hämmert. Karen öffnete und stand mir mit verschränkten Armen und hochgezogenen Augenbrauen gegenüber.

„Was soll das?“, fragte ich. Mit ruhiger Stimme und im freundlichen Ton antwortete Karen: „Schauen Sie: Die Wände sind einfach dünn. Ich höre Sie auch, wenn ich mit Ohrstöpseln schlafe. Ich will Ihnen ja nicht den Spaß versauen.“ Sie schaute auf den Boden und plötzlich sah ich, wie ihre Augen anfingen zu tränen. „Ich bin so allein. Manchmal möchte ich auch feiern und einfach mittanzen“, beendete Karen ihren Satz. Dann weinte sie. Ich starrte sie eine halbe Minute lang mit offenem Mund an. Dann fragte ich, ob sie eine Umarmung wolle, und nahm sie in den Arm. Als Freundschaftsgeste und zum Abschluss unseres jahrelangen Nachbarschaftsstreits gaben meine Schwestern und ich ihr ein Stück Kuchen. Als sie den Teller zurückbrachte, klopfte sie zum ersten Mal sanft bei uns an.

Doch der utopische Frieden hielt nur für kurze Zeit an. Karens Problem? Falsch entsorgter Müll, offene Fenster im Sommer, Geburtstagsfeiern. Unsere Nachbarin fand immer einen Grund, um sich zu beschweren. Selbst zum Abschied aus der alten Wohnung führten Karen, meine Schwestern und ich ein letztes Streitgespräch. Sie wird uns immer in Erinnerung bleiben.

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