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Horror-Nachbar: Der creepy Typ auf der Terrasse

Nicht immer macht ein Lächeln sympathisch, manchmal hat es den gegenteiligen Effekt.
Illustration: FDE

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Welche Menschen neben einem hausen, kann man sich nur selten aussuchen. Manchmal machen sie das Wohnen zur Qual. Diesmal geht es um einen jungen Typen, der sich gerne auf der Terrasse seiner Nachbarin aufhält.

Horror-Stufe:  8 von 10 (damals definitv 10 von 10)

Der Nachbar: Der schmierige Aufreißer

Der Vibe: Unangenehm bis spooky

Im Jahr 2016 war Facebook noch angesagt, in österreichischen Bars gab es noch kein Nichtraucherschutzgesetz und Donald Trump wurde zum Präsidenten gewählt. Für mich war der Jahresanfang vor allem von Abschieden geprägt. Ich hatte mich von meinem langjährigen Freund getrennt und musste mich von unserer gemeinsamen Wohnung verabschieden. Es musste also eine neue her – meine erste Singlewohnung.

Bei der Besichtigung überzeugte mich vor allem die Terrasse. Sie war einfach riesig, bereits mit Tisch und Stühlen ausgestattet und ich sah mich dort schon Studentenpartys schmeißen und laue Sommernächte verbringen. Im Nachhinein hätte ich auf die Terrasse gerne verzichtet. Spoiler: Sie sorgte sogar für Angstzustände. Der Grund war mein Nachbar. Er musste die Terrasse nämlich überqueren, um zu seiner Wohnung im Nachbarhaus zu gelangen. Nicht so schlimm? Leider schon.

Ich fühlte mich in seiner Gegenwart ziemlich unwohl. Woran das lag, konnte ich noch nicht ganz zuordnen

Bei unserer ersten Begegnung schleppte ich noch die letzten Umzugskartons. Er gab mir die Hand, begrüßte mich in der Nachbarschaft. Er war freundlich. Dennoch fühlte ich mich in seiner Gegenwart ziemlich unwohl. Woran das lag, konnte ich noch nicht ganz zuordnen. Doch es beunruhigte mich.

Ich verbrachte damals viel Zeit in meiner Wohnung und fühlte mich frei, unabhängig und dem Erwachsensein einen großen Schritt näher. Untertags schlief ich lange und arbeitete an meiner Bachelorarbeit, abends war ich unterwegs. Dass ich viel daheim war, führte jedoch leider auch dazu, dass ich meinem Nachbar ständig über den Weg lief.

Bei unserer zweiten Begegnung kam ich gerade vom Einkaufen. Er sprang aus seiner Haustür förmlich heraus. Etwas zu beiläufig erkundigte er sich über meine Wohnsituation, meine Interessen, meinen Beziehungsstatus. Dazu versuchte er angestrengt, immer wieder Augenkontakt herzustellen und lässig verschmitzt zu lächeln – was ihm aber nicht gelang und ihn gruselig statt charmant wirken ließ. Irgendwann wimmelte ich ihn damit ab, dass ich mein Tiefkühlgemüse endlich vor dem Gefrierbrand retten müsse, was im Winter wirklich eine schlechte Ausrede war. Das hielt ihn nicht davon ab, mir nur Minuten später eine Freundschaftseinladung auf Facebook zu schicken. Er musste am Klingelschild meinen Nachnamen gesehen haben. Ich nahm die Einladung an, ohne lange darüber nachzudenken. Er likte meine Fotos und schrieb per Messenger, ob ich mich schon eingelebt hätte. Hatten wir uns nicht gerade erst draußen unterhalten? Mir wurde immer unwohler beim Gedanken an unser nächstes Treffen auf der Terrasse, das leider unvermeidlich war.

Schon bald wusste ich mehr über ihn als mir lieb war

Es gab viele dieser Treffen. Ihm war egal, ob ich gerade müde aus der Uni, vollgepackt vom Einkaufen oder verschwitzt vom Sport kam. Fast täglich kam er rein zufällig aus seiner Haustür, sobald ich die Terrasse betrat. Schon bald wusste ich mehr über ihn, als mir lieb war. Angeblich arbeitete er rund um die Uhr und war viel mit seinem neuen Motorrad unterwegs. Zu seinem Grusel-Grinsen – das ich nun als Grund für mein Unwohlsein identifizierte – mischte sich mittlerweile Augenzwinkern. Es sollte, so meine Vermutung, verführerisch wirken, sah aber so aus, als sei ihm eine Mücke ins Auge geflogen und hatte daher gegenteiligen Effekt. Er gab sich wirklich Mühe, und ich hatte nicht den Mumm, ihn davon abzuhalten.

Der Frühling kam und ich wollte mich von meinem Nachbarn nicht daran hindern lassen, Zeit auf meiner Terrasse zu verbringen. Ich redete mir ein, dass er schon irgendwann das Interesse verlieren und mit seinen erfolglosen Versuchen aufhören würde, Kontakt mit mir aufzunehmen. Vergebens. Der Höhepunkt war erreicht, als mich mein bester Freund besuchte, wir abends draußen rauchten und sich mein Nachbar einfach zu uns stellte. Davor war Lukas der Meinung gewesen, ich würde übertreiben. Nach dieser Begegnung war er anderer Meinung. „Wie der dich anschaut. Voll strange.“

Was sollte ich nur tun? Ausziehen? Ihn zur Rede stellen? Einen Hund anschaffen? Eine Mauer bauen?

Seine Aussage bestärkte mich leider in meiner Angst vor dem Nachbarn. Ich begann, mich richtig reinzusteigern. Was, wenn er abends klopfte? Ich ihm nachts, vom Feiern heimkommend begegnete? War ich allein zuhause, zuckte ich bei jedem Geräusch auf der Terrasse zusammen. Das Fenster, das zur Terrasse führte, konnte man zwar durch Fensterläden schließen, aber vielleicht konnte er mich beobachten? Hörte ich Schritte, wartete ich auf besagtes Klopfen. Was sollte ich nur tun? Ausziehen? Ihn zur Rede stellen? Einen Hund anschaffen? Eine Mauer bauen?

Das Ganze endete unspektakulär. Nach vier Monaten zog ich aus, weil ich einen Praktikumsplatz in Deutschland bekam. Es entging ihm nicht, als sich wieder Kartons auf der Terrasse stapelten. Bei unserer letzten Begegnung war mein Papa dabei, der mir beim Packen und Schleppen half. So konnte ich den Nachbarn ganz lässig abwimmeln. Gehört habe ich danach nie wieder von ihm, auch nicht über Facebook.

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