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Horror-Nachbar:innen: Unangenehme Überraschung zum Einzug
Manche Nachbar:innen sind schlimmer als andere, in dieser Kolumne erzählen wir von ihnen. In dieser Folge berichtet unsere Autorin von Nachbar:innen, die zum Einzug direkt einen anonymen Drohbrief verfassen.
Wohnatmosphäre: Wiener Grant und passiv aggressive Botschaften
Geschlecht und Alter der Nachbar:innen: unbekannt
Horror-Stufe: 6 von 10
Der Moment, in dem meine Nachbar:innen zu meinem ultimativen Feindbild wurden, hat sich für immer in mein Gedächtnis gebrannt. Denn statt Sekt und Kuchen erwartete mich beim Einzug in meine erste eigene Wohnung ein Drohbrief als Willkommensgeschenk.
Als ich in die Mietwohnung am Wiener Stadtrand zog, war ich begeistert: Die Gegend erinnerte mich an das Vorstadtleben der Frauen aus der Serie „Desperate Housewives“. Schöne Häuser, wenige Menschen, teure Autos und eine unglaubliche Stille. In der Straße gab es schöne Grünflächen und Bäume. Richtig fancy! Richtig konservativ! Warum ich – ein junger Partytiger – dort hingezogen bin? Da ich als DJ sowieso ständig lauter Musik ausgesetzt war, wusste ich die Ruhe sehr zu schätzen. Ich freute mich also auf mein neues Zuhause.
Natürlich mussten beim Umzug auch meine Soundanlage samt Lautsprechern und mein Keyboard mit. Diese Gegenstände waren nicht eingepackt, weil ich damals noch keine Taschen für meine Instrumente hatte. Ich machte mir keine Gedanken darüber, ich war beschäftigt genug. Wer schon einmal umgezogen ist, weiß: Ein Umzug kann schnell zur Herausforderung mit mehreren Mental Breakdowns werden. Die Anzahl meiner Tränen wurde nur von der Menge an Kartons übertroffen, die ich alle brav beschriftet und in die neue Wohnung transportiert habe. Erschöpft, aber glücklich, machte ich also am letzten Umzugstag die Wohnungstür hinter mir zu.
Die anonymen Absender hatten mehr als die Hälfte der Seite beschriftet
Meine Nachbar:innen schienen über mich allerdings weniger glücklich gewesen zu sein. Bereits nach fünf Tagen – ich war noch damit beschäftigt, meine Umzugskartons auszupacken – lag ein zusammengefaltetes DIN-A4-Blatt in meinem Briefkasten. Meine erste Post in der neuen Wohnung! Wie ich mich gefreut habe! Ich dachte, es wäre ein Willkommensbrief. Strahlend rannte ich hoch in meine Wohnung und öffnete den Brief. Jemand hatte sich Zeit genommen, auf dem Computer die Nachricht zu verfassen, und sie dann ausgedruckt: „Liebe Nachbarin“, stand da, „willkommen auf unserer Stiege, wir hoffen dir gefällt es hier bei uns.“ Ich war überwältigt: „Wie lieb können Menschen sein?“, dachte ich. Doch die Freude sollte nicht lange anhalten.
Denn in den nächsten Zeilen las ich: „Wir haben bemerkt, dass du einige Instrumente bei deinem Einzug mitgebracht hast.“ Ich übersetzte im Kopf, was sie wirklich sagen wollten: „Wir haben dich beim Umzug beobachtet, dich nicht persönlich angesprochen, aber beschlossen, dieses Schreiben zu verfassen.“ Weiter hieß es: „Für deinen Vormieter kam es leider zu etlichen Beschwerden bei der Hausverwaltung und zu zahlreichen Polizeibesuchen wegen Ruhestörung.“ Zu Deutsch: „Da du in Zukunft laut sein wirst, werden wir auch bei dir nicht zögern, die Polizei zu rufen!“ Ich wurde wütend. Sehr wütend. Die anonymen Absender hatten mehr als die Hälfte der Seite beschriftet.
Sie betonten in dem Brief, dass ich Rücksicht auf meine bereits sehr betagten Nachbar:innen nehmen müsse. Denn der Großteil von ihnen sei bereits in Pension: „Dein direkter Nachbar ist 83 Jahre alt.“ Ich rastete aus. Angetrieben vom inneren Wiener Grant verfasste ich eine kurze Antwort: „Die anonymen Nachbarn sollen sich persönlich bei mir melden!“ Ich hängte meinen Brief in das Treppenhaus neben den Briefkasten, damit ihn ja keiner übersehen konnte. Doch ich wartete vergeblich auf eine Reaktion. Bis heute weiß ich nicht, wer mir dieses lieblose Willkommensgeschenk hinterlassen hat. Bei Begegnungen mit meinen Nachbar:innen vermied ich stets Blickkontakt. Außerdem grüßte ich niemanden im Haus. Denn jede:r von ihnen könnte könnte es gewesen sein.
Nur der 83-jährige Nachbar fragte mich einmal, ob sich jemand beschwert hätte. Als ich ihn fragte, ob ich ihm zu laut wäre, antwortete er: „Geh bitte, i bin jo derisch!“ Was übersetzt bedeutet: „Mach, was du willst, ich bin sowieso taub!“