- • Startseite
- • Horror-Mitfahrgelegenheit
-
•
Horror-Mitfahrgelegenheit: der rasende Stalker
Die Strecke: auf den Philippinen, vom Strand nach Manila
Der Fahrer: John, der aufdringliche Raser
Horror-Stufe: 9 von 10
Als ich im Auslandssemester auf den Philippinen war, fuhr ich fast jedes Wochenende mit Freund*innen raus aus der Stadt Manila. Diesmal mit dem Bus an einen Strand in der Region La Union, an dem sich besonders viele Surfer*innen versammeln. Der Mann, der mich später in Angst versetzen sollte, war einer von ihnen. Er hieß John, war etwa 30 Jahre alt und sprach mich am Strand an, als ich mich gerade aus meiner Hose schälte, um ins Wasser zu springen. John betonte, wie schön ich sei und fragte immer wieder, ob ich mit ihm ausgehen wolle. Ich sagte nein. Er sah gut aus, wirkte anfangs auch nett – aber er nervte mich mit seinen Komplimenten und war mir daher suspekt.
Das Wochenende über fühlte ich mich dann irgendwie verfolgt. Hielt ich mich im Hostel auf, war auch John da. Ging ich abends zum Essen, stand John wie zufällig vor dem Imbiss. Wusch ich mir den Sand vom Körper, beobachtete John mich aus der Ferne. Er sagte nie viel. Auf meine Fragen, ob er nichts Besseres zu tun habe oder warum er hier sei, sagte er immer: „You tell me, Princess.“ Meine Nerven waren strapaziert, richtig Sorgen machte ich mir aber noch nicht. Meine zwei Freunde, die dabei waren, taten John ebenfalls nur als einen anstrengenden Kerl ab, der eben nicht locker ließ.
Im Grunde fuhr er Slalom um die anderen Verkehrsteilnehmenden
Am nächsten Tag hatten wir gepackt und wollten zum Bus aufbrechen, der uns fünf Stunden lang zurück nach Manila fahren sollte. Aber was für ein Zufall: Vor unserem Hostel stand John und verstaute gerade sein Surfbrett in einem SUV. Er fragte uns, ob wir mit ihm nach Manila fahren wollten, er lebe auch dort. Meine Freunde waren begeistert. „Komm schon“, sagten sie, als ich mich weigerte, bei John einzusteigen. „Das spart uns sicher zwei Stunden und wir haben heute noch so viel zu tun. Außerdem müssen wir nichts zahlen. Stell dich nicht so an.” Ich weiß rückblickend nicht, wie oder warum ich einknickte – aber nach zehn Minuten stieg ich widerwillig ein.
Bereut haben wir das am Ende alle drei. Zwar war ich die einzige, die während der Fahrt vorne sitzen und ständige Anmachen und gelegentliche Heiratsanträge aushalten musste. Aber für uns alle war Johns Fahrstil gefährlich. Nicht nur begann die Fahrt mit heftigem Driften am Strand, bis uns schlecht wurde. Nicht nur erzählte uns John wie nebenbei von allen möglichen Substanzen, die er gelegentlich einwarf und von denen er vermutlich auch gerade welche intus hatte. John fuhr auch, als wolle er uns alle umbringen.
Auf den Philippinen sind die Straßen holprig und oft eng, fast immer sind darauf zu viele Fahrzeuge unterwegs, niemand beachtet Regeln. So schlimm wie bei John habe ich es aber nie erlebt: Im Grunde fuhr er Slalom um die anderen Verkehrsteilnehmenden, als wären sie nur Hütchen bei der Fahrprüfung. Das hieß auch, dass wir immer wieder als Geisterfahrer*innen unterwegs waren und erst in letzter Sekunde auf den richtigen Streifen rüberzogen.
Ich bekundete, dass ich ehrlich Angst habe. Das stachelte ihn noch mehr an
Ich weiß nicht, ob er mich damit beeindrucken wollte. Mir war aber klar, dass ich vermutlich die Einzige im Wagen war, die ihn zu Verstand bringen könnte. Die Jungs baten mich von hinten auf Deutsch immer wieder, das zu regeln. Ich war in der Situation gefangen und musste nun den Mann, den ich mittlerweile zu hassen begonnen hatte, um einen Gefallen bitten.
Ich versuchte es anfangs subtil, indem ich mich mit ihm unterhielt, als würde ich ihn mögen. Zwischendurch bat ich immer wieder darum, etwas langsamer zu fahren. Er hörte nicht. Strategiewechsel: Ich bekundete, dass ich ehrlich Angst habe. Das stachelte ihn noch mehr an. Nach jedem lebensgefährlichen Manöver, bei dem ich mich an meinem Sitz festkrallte, lachte er und sagte: „You afraid, princess?“ Er fand das süß. „I take care of you.“ Strategiewechsel: Ich war offen sauer. Streng wie eine Lehrerin sagte ich, er solle mich bitte irgendwo absetzen oder sich zusammenreißen. Natürlich ließ er niemanden von uns aussteigen. Ob er wahnsinnig sei? „You tell me.“
Ich bin immer noch überrascht, dass wir diese Fahrt überlebt haben. Sie hatte übrigens nur eine Stunde weniger lang gedauert als die Busfahrt – und am Ende mussten meine Freunde auch etwas dafür zahlen. Aus Prinzip zahlte ich natürlich mit. In weiser Voraussicht ließen wir uns von John nicht direkt vor unserem Haus absetzen, sondern an einem Einkaufszentrum in der Nähe. Ich war froh, dass die Geschichte endlich ein Ende hatte.
Am nächsten Tag kreuzte John in der Nachbarschaft auf
Hatte sie aber nicht. Am nächsten Tag kreuzte John in der Nachbarschaft auf und fragte sich solange durch, bis er genau wusste, wo ich wohnte. Ich war nicht zuhause, als er versuchte, sich Zugang zu verschaffen. Meine Nachbar*innen schon. Sie konfrontierten ihn und wollten ihn verscheuchen. Er schubste meine etwa 50-jährige Nachbarin zu Boden, geriet in einen Streit mit deren Mann. Nachdem immer mehr Leute dazukamen, holte herbeigerufenes Sicherheitspersonal John ab.
Die nächsten Tage warnten mich Nachbar*innen mehrfach vor einem Mann, „der hier rumläuft und dich sucht.“ Ich blieb fast immer in der Wohnung, nur für die Uni ging ich vor die Tür. Vor allem im Dunkeln hatte ich Angst, dass er mir auflauern und mich überwältigen könnte. Ständig begleitete mich jemand. Bis mir meine Nachbar*innen erzählten, ich müsse mir keine Sorgen mehr machen. Das Problem sei gelöst. Wie, wollten sie mir nicht genauer erzählen. Und ich fragte auch nicht mehr oft nach. Ich war einfach froh, dass ich diese Mitfahrgelegenheit und ihre Spätfolgen überstanden hatte.