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Horror-Date: Wenn das Date faul und geizig ist
In dieser Serie erzählen wir von Dates, die schlechter liefen als erwartet. Diesmal: In einem Berliner Park findet sich unsere Autorin Cora mit einem Mann wieder, der nicht das hält, was er versprach.
Dating-Situation: Im Park Bier trinken
Geschlecht, Alter und Vibe des Dates: männlich, Mitte 20, cooler, alternativer Musiker – eigentlich
Horrorstufe: 6 von 10
„Ans Online-Dating in Berlin hatte ich richtig hohe Erwartungen: Man trifft, so dachte ich, auf spannende Menschen aus der Hauptstadt oder aller Welt, die Künstler:innen oder Musiker:innen sind, mit denen man tiefgründige Gespräche führt oder zu abgefahrenen Performances geht. Dass ich in einem Park dazu gezwungen werden würde, schamerfüllt mit einem Lieferfahrer zu telefonieren, weil mein Date zu faul war, für ein zweites Bier ein paar Schritte zu laufen, hatte ich nicht erwartet.
Als ich vor einem Jahr aus Bayern nach Berlin zog, kannte kaum jemanden dort. Ich wollte interessante Leute kennenlernen, mich vielleicht sogar verlieben. Also lud ich mir Bumble herunter, bevor ich alle Kisten ausgepackt hatte. Es war Freitagnachmittag, ein warmer Sommerabend, die Luft aufgeladen von all den Möglichkeiten. Ich swipte mich voller Begeisterung durch Kunststudierende, Schriftsteller:innen, Musiker:innen. Wie Ben (Name geändert): schwarz-weiße Fotos, Jeansjacke, ein junger James Dean mit Gitarre. Bei seinen Interessen war Literatur angegeben. Ich liebe Bücher, deswegen freute ich mich darauf, mit ihm darüber zu sprechen. Wir hatten ein Match, ich schrieb ihn an. Normalerweise treffe ich Menschen nicht sofort, aber er klang sympathisch und ich wollte mein erstes Wochenende in Berlin nicht allein zuhause verbringen. Ben schlug vor, dass wir uns um sieben im Volkspark Friedrichshain treffen. Ich packte eine Decke und zwei gekühlte Bier ein und machte mich auf den Weg.
Seine Haare waren strähnig, er selbst nassgeschwitzt und zehn Minuten zu spät. Spätestens als er den Mund öffnete, wurden meine Erwartungen enttäuscht: Ben war vor einer Woche aus Schwaben nach Berlin gezogen. Er schwäbelte so stark, dass ich ihn teilweise nicht verstand. Das wäre jetzt kein Ausschlusskriterium gewesen – ich bin ja schließlich selbst zugezogen – wenn das Date nicht auch unabhängig davon schlecht gelaufen wäre.
Er schimpfte direkt darüber, wie groß, unübersichtlich und dreckig die Stadt sei. Alles, was mich an Berlin faszinierte, fand er schrecklich. Warum er denn dann hergezogen sei, fragte ich. Er murmelte etwas von Abitur nachholen, um dann weiter über die Stadt herzuziehen. Wir liefen eine Weile durch den Park, dann setzten wir uns. Ich bot ihm ein Bier an. Ben war weder Musiker (die Gitarre auf dem Bild gehörte nicht ihm) noch kreativ oder offen. Das Gespräch tröpfelte zäh vor sich hin, ich trank dafür umso schneller. Ich fragte, was er gern liest, um Gemeinsamkeiten zu finden. Doch er meinte, er würde gar nicht lesen. An seinem Profil war wohl wenig echt. Nach einer halben Stunde war mein Bier leer. Ich wollte den Abend noch nicht aufgeben und schlug vor, beim Späti noch ein zweites zu holen.
Als die Bestellung abgeschickt war, bereute ich längst, nicht einfach gegangen zu sein
Doch Ben war augenscheinlich nicht nur schlecht gelaunt, sondern auch ziemlich faul: Er hatte noch Coupons von einem Lieferdienst und wollte das Bier in den Park liefern lassen. Ich versuchte zu widersprechen – ich finde Lieferdienste unnötig, besonders, wenn der nächste Kiosk wenige Minuten zu Fuß entfernt ist. Wie sollte der Lieferdienst uns überhaupt finden? Ben ignorierte meine Einwände. Auch, als die App meldete, dass man den Coupon erst ab einem Mindestbestellwert anwenden kann. Ben legte immer mehr des billigsten Biers in den Einkaufskorb, bis der Bestellwert erreicht war. Als die Bestellung abgeschickt war, bereute ich längst, nicht einfach gegangen zu sein.
Zehn Minuten später klingelte Bens Handy. Es war der Fahrer, der uns nicht finden konnte. In sehr schlechtem Englisch und wild gestikulierend versuchte Ben, ihn zu lotsen. Ich schämte mich immer mehr, bis Ben mir das Handy einfach in die Hand drückte. Mit vielen Entschuldigungen erklärte ich dem Fahrer, wo wir waren. Als er ankam, war er völlig entnervt. Ben machte keine Anstalten, ihm Trinkgeld zu geben. Als ich nach meinem Geldbeutel griff, meinte er: „Bloß nedd zviel zahla, ’s könnd jo oinr a Gschäfdle midd oim macha!“ In meiner sprachlichen Verwirrung dachte ich, Ben hätte schon online Trinkgeld gegeben – das war nicht der Fall.
Der Fahrer verschwand kopfschüttelnd, nachdem er uns eine Tüte mit acht Bier auf den Boden gestellt hatte. Ich trank ein Bier, das schal schmeckte, und fühlte mich ernüchtert. Dieses Date in Berlin war schlimmer als alle, die ich in München je gehabt hatte – wahrscheinlich vor allem wegen meiner falschen Erwartungen.
„Was kennad mir jeddz no macha?“, fragte Ben. „Äh, man könnte auch nach Hause gehen. Jede:r für sich“, versuchte ich das Date möglichst höflich zu Ende zu bringen. Ben presste die Lippen zusammen, schaute mich nicht mehr an und drückte die Papiertüte mit den restlichen Bierflaschen an seine Brust, bevor er verschwand. Als ich auf mein Handy schaute, um herauszufinden, wie ich nach Hause käme, sah ich, dass er unser Match schon wieder aufgelöst hatte. Ganz offensichtlich hatte ich Bens Erwartungen genauso wenig erfüllt wie er meine.