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Horror-Date: Têta-à-Tête mit dem Tinder-Schwindler

Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Manche Dates sind schlimmer als andere, in dieser Serie erzählen wir davon. Diese Folge hat unsere Autorin nach einem Interview mit Hannah protokolliert.

Dating-Situation: Der Typ ist ein Hochstapler 

Geschlecht und Alter der Dates: männlich, 26

Vibe des Dates: Bitter im Nachgang auf Netflix

Horrorstufe: 8 von 10

„Es war kein spektakuläres Date. Doch über kein Date habe ich im Nachhinein so viel gesprochen wie über dieses. Denn ich traf mein Date zwar nicht noch einmal – aber ich sah ihn wieder: Auf Netflix. Als ,Der Tinder-Schwindler‘. 

Aber von vorn: 2017 habe ich bei ,Simon Leviev‘ nach rechts gewischt, angeblich der Sohn eines reichen Diamantenhändlers. Auf seinen Fotos war er im Privatjet, mit teuren Autos und auf dem Golfplatz zu sehen. Das ist auf Tinder so ungewöhnlich, dass ich einfach wissen wollte, wer hinter diesem Profil steckt. Wir tauschten schnell Nummern aus und chatteten auf Whatsapp. Er schickte mir Fotos von seinen Geschäftsreisen und ich erzählte, dass ich mich in meinem Job nicht wohl fühlte. Einmal telefonierten wir eine halbe Stunde lang darüber. Ich kannte außerdem sein Instagram-Profil, dort hatte er etwa Hunderttausend Follower, schöne Bilder, viele Stories – es wirkte alles echt. 

Wenig später feierte ich Silvester mit Freunden in Amsterdam. Simon wollte mir einen Privatjet schicken, der mich zu ihm nach Wien bringen sollte. Für mich war das gar keine Option, weil wir eine große Gruppe waren und ich mich nicht loseisen wollte. Und selbst, wenn ich alleine gewesen wäre, hätte ich mich nicht wie ein Stück Ware einfliegen lassen. Ich sagte nein, aber wir blieben in Kontakt. Er schickte mir weiter Fotos von schönen Locations und Selfies aus dem Privatjet. Erst Wochen nach Silvester haben wir uns in Berlin getroffen, wo ich wohne und er geschäftlich zu tun hatte. Verabredet waren wir zum Abendessen im Ritz Carlton am Potsdamer Platz. 

Simon war kleiner als erwartet, kam in Begleitung seines Bodyguards und prahlte mit seinem Reichtum. Während des Essens, erzählte er beispielsweise vom (angeblichen) Diamantenhandel seiner Familie. Alles was er erzählte, schien darauf ausgelegt, mich zu beeindrucken. Aber Selbstdarstellung beim ersten Date? Nicht überraschend. Nur das Ausmaß war eben ein anderes als gewöhnlich.

Er hatte sichtlich wenig Interesse an mir, wirkte kühl und zeigte mir stattdessen auf seinem Handy Fotos, Videos und Apps. Privatjets, Pools und Partys. Außerdem zeigte er mir in einer App Live-Aufnahmen aus seinem Penthouse in Tel Aviv. Die ganze Wohnung war mit Kameras ausgestattet, er knipste die Lichter von Berlin aus an und aus. Die Überwachung fand ich merkwürdig, aber ich dachte, das sei bei reichen Leuten wohl einfach so, dass er daher ein extrem hohes Sicherheitsbedürfnis habe. Immerhin hatte er auch seinen Bodyguard beim Date dabei. 

Es schmeichelte mir, dass er sich so öffnete

Verglichen mit seinem Leben wirkte meines viel weniger spannend und es schien ihn auch nicht zu interessieren. Die Stimmung war wie bei einem Business Meeting. Ich erzählte wieder, dass ich mich in meinem Job nicht so wohl fühlte und er wollte mir helfen. Er habe viele Geschäftspartner in Deutschland, kenne wichtige Player aus der Industrie, mit denen er mich bekannt machen könne und ich solle ihm einfach meinen Lebenslauf schicken. Während unseres Dates kam noch ein vermeintlicher Geschäftspartner von ihm an unseren Tisch. Mit ihm sprach er auf hebräisch und ich saß daneben und verstand kein Wort. Als der Andere gegangen war, bestellte er Zigaretten und Drinks und wir zogen in den Raucherbereich des Hotels um. 

Dort wechselte seine Stimmung. Er war nicht mehr distanziert, sondern begann, intime Details seines Lebens zu teilen. Er erzählte von seiner Tochter, dass er verfolgt werden würde und, dass er in Afrika unschuldig im Gefängnis gesessen habe. ,Wie im Film‘, dachte ich. Es schmeichelte mir, dass er sich so öffnete. Danach wieder eine andere Stimmung: Simon überhäufte mich mit Komplimenten, legte mir die Hand auf den Oberschenkel und fragte, ob wir die Nacht zusammen verbringen wollen. Das ging mir alles viel zu schnell. Immerhin wusste er noch gar nichts über mich. Eine gemeinsame emotionale Ebene haben wir bei dem Treffen nicht erreicht und bei mir hat es einfach nicht gefunkt. Ich ließ ihn abblitzen. 

Einige Tage später schickte ich ihm einen Lebenslauf per Mail und bedankte mich für das großzügige Angebot, dass er mir mit seinen Kontakten helfen wollte. Er antwortete mit seiner Geschäftsadresse, dass die Mail angekommen ist. Mehr nicht. Natürlich hat sich nichts daraus ergeben. Das Date wurde zu einer abgedrehten Tindergeschichte in meiner Online-Date-Kollektion, der Kontakt riss ab. 

Auf Whatsapp sah ich, dass er seine Nummer wechselte. Denn mal hatte er ein Profilfoto  – dann wieder nicht. Ich fand das merkwürdig, aber es interessierte mich damals nicht weiter. Bis ich 2019 meine Oma im Hospiz besuchte. Im Nachmittagsfernsehen kam damals nämlich ein Beitrag über einen Mann, der über Tinder eine Frau getäuscht und abgezogen hatte: schmales Gesicht, braune Haare, Rolex am Arm. Dieser Typ war Simon! 

In der ersten Sekunde war ich geschockt. In der zweiten war es mir furchtbar peinlich. Ich zweifelte an meiner Menschenkenntnis. Mir fiel mein Lebenslauf ein und ich ärgerte mich, dass ich einem Betrüger ein Dokument von mir geschickt hatte, mit all meinen persönlichen Daten. 

Shimon Hayut, so heißt der Mann, den ich traf, wirklich, ist inzwischen weltweit bekannt. Denn der Beitrag im Fernsehen war nur einer von vielen zum Thema, nachdem publik geworden war, wie Simon sich auf Hunderten Tinderdates als Simon Leviev ausgegeben hatte – den Sohn eines reichen Diamantenhändlers.  

Nachdem sogar Netflix eine Dokumentation über den ,Tinder-Schwindler‘, Shimon Hayut, veröffentlicht hat und ich verstand, dass er Dutzende Dates angelogen und um viel Geld betrogen hatte, erzählte ich auf Tiktok von meinem Date. Ich wollte so vor zu viel Vertrauen beim Online-Daten warnen. Das Interesse war gigantisch. Erst kamen nette Nachfragen, dann Hass. Ich sei ,eklig‘, wolle nur ,Fame‘. Ich bereute, dass ich öffentlich davon erzählt hatte. Ich bin auf einen Betrüger reingefallen, auch wenn ich glimpflich davon gekommen bin. Das ist doch keine Geschichte, mit der ich berühmt werden will. Die gehässigen Kommentare haben nicht aufgehört, selbst als ich die Screenshots von den Chats gezeigt habe. Noch nie wurde ich so heftig beleidigt, angegriffen und als Lügnerin bezeichnet. Das ist der Punkt, der das Date mit dem Tinder-Schwindler erst so richtig zum Horror macht.“

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