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Horror-Date: Dog-Fight statt One-Night-Stand

Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Dating-Situation: Erstes Date mit Hundespaziergang

Geschlecht und Alter der Dates: non-binary, Ende 20

Vibe des Dates: Balanceakt zwischen Menschen-Romantik und Hunde-Hass

Horrorstufe: 7 von 10  

„Auf dem Dating-App-Profil von Alex war von Nero – dem schwarzen, zehnjährigen Mischling – keine Spur. Ein extrem ungewöhnlicher Move für Hundebesitzer:innen. Von Alex’ Hund wusste ich also noch nichts, als wir gematched haben. Ich selbst habe auch einen: Igor, ebenfalls ein Mischling, grau, fünf Jahre alt, im Gegensatz zu Nero aber mit gebührender Internetpräsenz. Zwar war ich in Sachen Dating nicht explizit auf der Suche nach anderen Hundebesitzer:innen. Ein Teil von mir ahnte schon, dass das im Zweifelsfall kompliziert werden könnte. Aber als ich von Alex’ Hund erfuhr, da dachte ich nur naiv: Nice, eine Gemeinsamkeit!

Alex und ich schickten uns am Anfang viele Text- und Sprachnachrichten, irgendwann später auch – natürlich! – ganz viele Hundebilder. Die Chemie stimmte. Aber weil Alex in einem etwa zwei Stunden entfernten Kaff lebte, mussten wir unser Treffen von langer Hand planen. Damals hielten wir es wohl für eine gute Idee, unser Date auch zu einem Hunde-Date zu machen. Als es soweit war, fuhr ich also mit dem Auto und meinem Hund Igor auf der Rückbank zu Alex. 

Wir waren so abgelenkt von den Hunden, dass wir uns fast aus den Augen verloren hätten

Zuerst trafen wir uns vor Alex’ Wohnung, damit die Hunde sich draußen – also auf neutralem Gebiet – kennenlernen konnten. Das lief eher mittelgut. Denn während Igor (Typ: neugieriger Extrovertierter) herumlief und wild schnüffelte, blieb Nero (Typ: grumpy Großvater) auf einem Platz liegen, verteidigte diesen knurrend und beäugte den Jungspund skeptisch. 

Alex und ich waren so abgelenkt davon, zu beobachten, wie die Hunde miteinander klarkamen, dass wir uns fast aus den Augen verloren hätten. Ich registrierte zwar, dass Alex hübsch und cool aussah. Mehr Gelegenheit für das Menschen-Kennenlernen gab es aber erst, als wir zu einem Spaziergang aufbrachen und die Hunde sich konsequent aus dem Weg gehen konnten. Im Wald sah es märchenhaft schön aus, alles blühte. Alex und ich entdeckten dabei noch eine Gemeinsamkeit: das Faible für Botanik. Wir erklärten uns gegenseitig die Pflanzen, die wir entdeckten. 

Als wir in Alex Wohnung ankamen, kippte die Stimmung – also zwischen den Hunden. Offensichtlich war Nero nämlich der Meinung, der Besuch könnte dann auch mal langsam gehen. Er legte sich auf seinen Platz und begann, von dort aus sein Revier zu verteidigen. Immer, wenn man – also Igor – sich ihm näherte, knurrte er. Zuerst bewachte er nur das gemeinsame Bett von Alex und ihm. Und dann immer mehr Fläche der Ein-Zimmer-Wohnung. Immer, wenn Igor Anstalten machte, sich irgendwohin zu bewegen, knurrte er warnend. Da blieb Igor nur noch ein einziger Winkel, in den er sich verkriechen konnte. Igor sah wirklich bedröppelt aus, ließ die Ohren hängen. Ich glaube, er wollte da eigentlich auch schon nach Hause. Aber ich wollte noch bleiben. Denn während die Hunde sich immer schlechter verstanden, verstanden Alex und ich uns immer besser. Beim gemeinsamen Abendspaziergang kam es dann zum ersten Kuss, auf einem Hügel des Waldes beim Sonnenuntergang. Richtig romantisch. 

Ich war mir sicher, dass zwischen uns noch mehr laufen könnte. Aber dann kam es zur Eskalation

Ich hatte also große Hoffnungen, als wir zurück in die Wohnung kamen. Schließlich war es schon spät – zu spät, um noch eine zweistündige Fahrt anzutreten. Alex hatte mir verheißungsvoll angeboten, über Nacht zu bleiben. Ich war mir sicher, dass zwischen uns noch mehr laufen könnte. 

Aber dann kam es zur Eskalation, oder besser: Fresskalation. Zurück in der Wohnung verteidigte Nero nämlich wieder sein Revier, während Igor sich in seinen Winkel verzog. Diesmal veränderte sich aber noch etwas: Nero hatte noch Futter in seinem Napf. Zwar hatte Igor schon gegessen, ist aber in der Regel einem Nachschlag nie abgeneigt. Als Alex kurz duschen ging, hatte Igor die Nase voll: Aus Trotz (und vermutlich auch Appetit) entschloss er sich kurzerhand dazu, das Essen von Nero komplett aufzufressen. Also ging Nero zur Attacke über, als hätte er nur darauf gewartet. Es entbrannte ein richtiger Dog-Fight, mit allem, was dazugehört: kläffen, knurren, schnappen, rangeln. Während ich versuchte, die beiden zu trennen, kam Alex nur mit einem Handtuch bekleidet aus dem Bad gerannt. 

Schweren Herzens mussten wir beschließen, dass ich – mitten in der Nacht – doch noch mit Igor nach Hause fahre. Dabei sind sogar ein paar Tränen geflossen, weil wir uns offenbar beide mehr erhofft hatten. Alex hat mir dann noch – richtig cute! – einen Kaffee und Essen mitgegeben. Auf der Autobahn hätte ich vor lauter Müdigkeit trotzdem fast einen Unfall gebaut. 

Alex und ich hielten Kontakt, zwischen uns hatte es ja auch gefunkt. Einige Zeit nach unserem Date musste Alex dann zu einem Termin in meine Stadt. Eine gute Gelegenheit, sich wiederzusehen – dachte ich. Eine gute Gelegenheit, damit jemand auf Hund Nero aufpassen kann – dachte offenbar Alex. Obwohl wir doch beide begriffen haben mussten, dass Nero und Igor so gar nicht kompatibel sind. Das hat mir gezeigt, dass es auch zwischen uns beiden einfach nicht passen kann.“ 

*Die Namen von den beteiligten Menschen und Hunden wurden geändert, sind der Redaktion aber bekannt. 

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