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"Dein Sattel ist zu niedrig"

Illustration: Federico Delfrati

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Ich bin 33 Jahre alt. Im Mittelalter war man damit schon Opa. Kim Jong-un war in meinem Alter längst Diktator von Nordkorea und Mark Zuckerberg schon mit 30 Milliardär. Es gibt Soldaten in Syrien, die sind halb so alt wie ich und Jesus war.... worauf ich hinaus möchte: Ich finde, ich bin mittlerweile in einem Alter, wo ich selbst entscheiden können sollte, wie ich Fahrrad fahren möchte.

Sonja findet das nicht. Als wir neulich eine Radtour zur Eisdiele machten, blieb sie an einer roten Ampel neben mir stehen und blickte kritisch auf meine Füße.

"Dein Sattel ist zu niedrig", sagte sie.

"Nö, ich find's gut so", antwortete ich.

"Du kannst dein Bein ja überhaupt nicht durchstrecken. Von hinten siehst du aus wie ein Frosch."

"Ist doch egal, wie ich aussehe."

"Quatsch, so ist es viel anstrengender."

"Find ich gar nicht."

"Da vorne ist ein Fahrradgeschäft. Da lassen wir schnell deinen Sattel einstellen."

Mittlerweile hatten sich noch mehr Fahrradfahrer zu uns an die Ampel gesellt und das Gespräch wurde mir allmählich peinlich. Deswegen beschloss ich lieber klein beizugeben um das Thema zu beenden. Vorher hätte Sonja sowieso keine Ruhe gegeben. Das tut sie nie. Wir saßen mal in einem Starbucks und sie hat fünf Minuten auf mich eingeredet, von ihrem Chai Tee zu probieren – bis ich schließlich nachgab weil ich Angst hatte, dass sie in dem vollem Café sagt: "Na komm, mach den Mund schön weit auf, hier kommt das Chai-Tee-Flugzeug."

 

Manchmal vergisst Sonja, dass ich ihr Lebensgefährte bin und nicht ihr Kind

 

Manchmal vergisst Sonja, dass ich ihr Lebensgefährte bin und nicht ihr Kind. Und das bringt mich zurück zum Fahrradausflug. Fünf Minuten später stand ich also vor dem besagten Fahrradshop und ließ mein Rad justieren. Das heißt: Sonja ließ mein Rad justieren. Sie und der Händler standen vor mir und mussterten fachmännisch meine Beine.  

 

Sonja: "Gucken Sie mal, ich glaub sein Sattel ist zu niedrig."

Händler: "Joa, a bisserl höher dürft's scho sein."

Sonja: "Schatz, steig doch mal ab, damit der Herr da dran kann."  

 

Der Händler zog einen Inbusschlüssel aus der Hosentasche und machte sich an meinem Sattel zu schaffen. Mit jeder Umdrehung schraubte sich mein Sitz nach oben und mein Stolz nach unten.  

 

Händler: "So, jetzt müsst's passen."

Sonja: "Schatz, setz dich mal drauf und fahr ein paar Meter."

Brav machte ich, was mir befohlen wurde.

Sonja: "Jetzt ist es besser, oder?"

Ich: "Es drückt ein bisschen im Schr..."

Sonja: "Ich hab eigentlich den Herren gemeint."

Ich: "Achso."

Für einen Augenblick hatte ich Trottel angenommen, ich hätte auch was zu melden.

Händler: "Joa, so schauts guad aus." 

Sonja: "Haben Sie vielen herzlichen Dank."

 

Dann schwang sie sich auf Ihr Fahrrad und fuhr los und ich mit Schmerzen in der Leiste hinterher. Der Händler schenkte mir zum Abschied noch ein aufmunterndes Lächeln. "Kopf hoch". Offenbar kennt er sowas.  

 

Mutter-Gene sind in gewisser Weise wie Herpes

 

Ich kann Sonja keinen Vorwurf machen. Sie will schließlich nur mein Bestes. Und ich hätte wissen müssen worauf ich mich einlasse, als ich vor ein paar Wochen mit einer zweifachen Mutter zusammengezogen bin. Es liegt in den Genen einer Mutter, darauf zu achten, dass es ihren Kindern gut geht. Und wenn du seit einem Jahrzehnt mit Adleraugen darauf achtest, dass deine Kinder im Winter eine Mütze tragen und ihre Schnürsenkel zugebunden sind, dann fällt es dir natürlich auch schwer, beim Partner über diese Dinge hinwegzusehen. Mutter-Gene sind in gewisser Weise wie Herpes. Die kriegst du nicht so schnell wieder weg. Das ist manchmal ein bisschen nervend – aber immer lieb gemeint. Deswegen hoffe ich insgeheim auch, dass Sonja diese Schrulle beibehält. Obwohl ihr Sohn Dante neulich auch schon etwas irritiert meinte: "Du bist der einzige Erwachsene, den ich kenne, der noch gesagt bekommt, dass er sich einen Schal anziehen soll." Kinder, was verstehen die schon …

 

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