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Was mir das Herz bricht: Geschenke von Eltern, die keiner braucht

Illustration: Federico Delfrati

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Da liegt es, dieses eine Geschenk, das so anders ist als alle anderen. Ein paar Tannennadeln liegen schon darauf, weil es nach dem Auspacken einfach schnell und mit einem verschämten Blick wieder unter den Baum gelegt wurde. Und auch, wenn es auf den ersten Blick so aussieht wie all die anderen Geschenke, fehlt ihm doch das, was sein ganzer Sinn sein sollte: Über dieses Geschenk hat sich niemand gefreut.

Entweder, weil der Schenkende sich gar keine Gedanken gemacht hat, oder weil der zu Beschenkende zu wählerisch ist. Oder aber, weil die Antworten auf die Frage „Was wünscht du dir denn?“, die ehrlicherweise entweder mit „Du musst mir nichts schenken“ oder mit „Ich wünsche mir diese kleine portugiesische Grotte am Meer mit dem Loch im Fels, durch das man das Wasser sieht“ einfach rüde ignoriert wurden.

Wahrscheinlich gibt es dieses Missverständnis schon seit Jahrhunderten

Am traurigsten ist es bei den Geschenken, bei denen sich die Menschen, die es herschenken, besonders viel Mühe gemacht haben. Das trifft besonders auf Eltern zu: Entweder, weil sie meinen, sie wüssten besser als du, was du dir wünschst. Oder, weil es die Eltern des Partners sind,  die sich wirklich lange Gedanken darüber machen, was sie dir schenken sollen, und dann komplett daneben greifen. Eine Freundin zeigte mir vor kurzem die Halskette, die sie von ihren Schwiegereltern zum Geburtstag bekommen hatte. Sie war, um es mit einem Wort zu sagen, massiv und meine sehr zierliche Freundin sah auf einmal aus wie Tupac Shakur.

Der Moment spielt sich so ähnlich unter jedem Weihnachtsbaum ab:  Auf dem Gesicht der Schwiegereltern oder der eigenen Eltern spiegelt sich eine erwartungsvolle Freude, weil sie sich so sehr auf den Ausdruck im Gesicht des beschenkten, mittlerweile erwachsenen Kindes freuen. Jahrzehntelang, ach was, vermutlich jahrhundertelang schon, wurde dann dieser Ausdruck fassungslosen Erstaunens von der Gegenseite missverstanden als ungläubige Freude.

 

„Das ist ja schön. Wie bist du denn darauf gekommen?“

Natürlich bedanken wir uns als brave Kinder immer höflich und stammeln so etwas wie: „Das ist ja schön. Wie bist du denn darauf gekommen?“ Und weil sich die Menschen, die so ein Geschenk herschenken, in diesem Moment so ohne jeden Hintergedanken und wie kleine Kinder freuen, weil sie so eine fantastische Idee hatten (nachdem sie sich wochenlang das Hirn zermartert haben) beginnen sie, zu erzählen. Und dann wird es noch trauriger: Sie erklären, wie sie auf die Idee kamen, wo sie dieses Geschenk unter Mühen gefunden haben. Dabei vergessen sie völlig, die Gesichtszüge des Gegenübers anzusehen, die von ratlos bis angegriffen reichen; während sich die beschenkte Tochter oder der Sohn Dinge denkt wie: „Was soll das? Kennst du mich denn gar nicht? Was habe ich getan, dass du denkst, das würde mir gefallen?“

Dieser Moment der stummen Übereinkunft zwischen allen erwachsenen Kindern und ihren Eltern, Schwiegereltern, Tanten, Onkeln oder Großeltern, der vermutlich schon so alt ist, wie die Geschichte des Schenkens selbst, ist das Traurigste am Heiligabend. Warum hört niemand auf diesen verzweifelten, wahren „Du musst mir nichts Schenken“-Satz? Schenken sollte doch etwas sein, was Freude macht, im schönsten Fall nicht einmal etwas Materielles. Doch so verwandelt sich der Geschenkezwang in diesen Momenten in eine stumme Lüge, die keinen der beiden Beteiligten wirklich glücklich machen kann; denn auch die aufmerksamen Eltern werden schnell begreifen, dass sie mit ihrem Geschenk etwas daneben lagen. Eben, weil die Freude nicht so ausgeprägt ist, wie sie sich das vielleicht gewünscht haben. Und dann sind beide, Beschenkter und Schenkender, ein wenig, (oder, wenn man jemand ist, dem Geschenke sehr wichtig sind) ernsthaft gekränkt.

Die Vorstellung der Schwiegermutter, die sich bei einem Juwelier stundenlang beraten lässt, bricht mir das Herz

Auch meine Freundin brachte es nicht übers Herz, noch dazu als frisch angeheiratetes Familienmitglied, ihrer Schwiegermutter zu sagen, dass die Halskette wirklich das Letzte sei, dass sie sich jemals in ihrem Leben um den Hals hängen würde. Und so verstaubt die Halskette bei ihr in einer Kommode, gemeinsam mit meiner traurigen Vorstellung von ihrer Schwiegermutter, die sich von einem Juwelier, einem der Traditionsbetriebe der Stadt, darüber beraten lässt, was junge Damen sich denn zur Zeit so um den Hals hängen würden.

Wenn ich darüber nachdenke, wie viel Zeit und Geld diese Frau darauf verwendet hat, ohne auch nur ansatzweise damit zu rechnen, dass meine Freundin das Schmuckstück nicht nur als schrecklich, sondern sogar als Affront empfindet, wird mir ganz anders.

Seit mein Freund und ich zusammenwohnen, haben wir auf unserem Regal ein kleines Schwein aus Holz stehen, das seine Eltern für mich auf einem Weihnachtsmarkt gekauft haben. Ich habe die Eltern meines Freundes sehr gern. Aber wie sie auf dieses Schwein gekommen sind, kann ich nicht verstehen. Ich habe nie in meinem Leben gesagt, dass ich Dinge mag, die einfach nur so herumstehen. Wir haben zu Hause kaum Bilder an der Wand und nur die nötigsten Möbel, also keinerlei „Deko“, denn da finde ich schon das Wort ganz furchtbar. Ich mag auch keine Schweine, weder zum Verzehr noch einfach so. Seit ein paar Jahren haben wir aber eben in unserer Wohnung auch das Schwein, das mich vom Regal herab schief angrinst.

Ich habe mich in dem Moment, als sie es mir geschenkt haben, nicht wirklich gefreut. Aber ich habe so getan. Denn ich weiß, dass es ihnen einen irsinnigen Spaß gemacht hat, mir auf dem Weihnachtsmarkt genau dieses Holzschwein auszusuchen. Und als ich mir das vorgestellt habe, habe ich mich widerum sehr gefreut. Ich kann mit diesem Schwein leben und die Freundin mit der goldenen Halskette. Aber die unangenehmen Momente, in denen einem das Geschenk überreicht wird, die bleiben hängen.

Was uns sonst noch das Herz bricht:

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