- • Startseite
- • Herzensbrecher
-
•
Was mir das Herz bricht: Auftritte im Bürgerhaus
Nächste Woche tritt Badesalz im Bürgerhaus Garching auf. 800 Leute passen da rein, wenn der Saal nicht tischbestuhlt wird. Nichts gegen den Veranstaltungsort, der mit der U-Bahn fast eine halbe Stunde vom Zentrum Münchens entfernt liegt und sonst Opern, Theatervorstellungen oder eine Hollywood Dance Show beheimatet. Man kann sicher super Abende im Garchinger Bürgerhaus erleben. Aber dass das Comedy-Duo Badesalz dort auftritt, bricht mir das Herz.
Badesalz sind die Helden meiner Schulzeit. Weit vor dem echten Ronaldo, Pamela Anderson oder dem älteren Bruder meines Kumpels Andreas, der uns Minderjährigen Mixery und Bacardi Rigo kaufte.
Badesalz, das sind zwei Männer, die seit den 80ern Comedy machen. Sie hatten etliche CDs in den Charts, als man noch CDs kaufte und sie nächtelang hörte, sie haben goldene Schallplatten gesammelt, den Echo gewonnen und hatten eigene Fernsehshows. Mehrere. Badesalz traten bei Rock am Ring auf, es gab ein Open Air bei Frankfurt, zu dem mehr als 12.000 Menschen kamen, und mit der Band „Pur“ bespielten sie die ganz großen Arenen.
Objektiv betrachtet geht es dem Duo gut, vergangenes Jahr traten sie im Münchner Zirkus Krone auf, es ist sogar so, dass "die aktuelle Tour zu den erfolgreichsten unserer Geschichte gehört", schreibt Henni von Badesalz. Das freut mich einerseits sehr zu hören. Doch andererseits geht es in diesem Text, ganz subjektiv, um das Gefühl, die Assoziationen, die man gleich bekommt, wenn man an früher denkt.
Ich kann heute noch ohne zu zögern meine Lieblings-Gags zitieren. Meinen Kumpel Andreas sehe ich heute leider nur noch sehr selten. Er arbeitet irgendwo am Bodensee, hunderte Kilometer entfernt. Ich habe weder eine Ahnung, was sein älterer Bruder inzwischen macht, noch ob Andi längst Familienvater, schwul oder geschieden ist. Aber ich weiß, dass ich ihm nur schreiben brauche: „Guuuude Ritschie!“ – dann antwortet er sofort: „Hiiäär Hädbängär!“. Und ich weiß, dass er dann genau so Tränen lacht wie ich.
Die jetzt-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von youtube angereichert
Um deine Daten zu schützen, wurde er nicht ohne deine Zustimmung geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von youtube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit findest du unter www.swmh-datenschutz.de/jetzt.
Dieser externe Inhalt wurde automatisch geladen, weil du dem zugestimmt hast.
Klar, man muss diese Gags kennen, um das nachvollziehen können (wer sie nicht kennt, findet sie hier, hier und hier). Aber das Schicksal des Wechsels von große Bühnen in Bürgerhäuser trifft ja nicht nur Badesalz. Mein Kollege Chris sah vor ein paar Jahren den Rapper „Das Bo“, der einer ganzen Generation „Sicher Dicker“-Ohrwürmer bescherte, auf einem einsamen Bühnchen bei einem Straßenfest auftreten. Kollegin Christina hat Peter Kraus, das Teenie-Idol der Nachkriegszeit, bei einer Kaufhaus-Eröffnung bemitleidet. Ich war mal in einem Media Markt, weil David Hasselhoff zur Autogrammstunde kam.
Wie muss sich das anfühlen? Früher mit eigenem Meditationsraum Backstage, eigenem Privatjet und Badewasser aus den nördlichsten Bergen Norwegens – um dann im Alter mit der S-Bahn zum nächsten Bürgerhaus zu fahren. Früher Haute Cuisine Buffet, Whirlpool oder der eingeflogenen Friseur – und später gibt’s mit viel Glück noch eine Leberkässemmel und stilles Wasser beim Auftritt. Das sind diese Assoziationen, von denen ich weiter oben schrieb. Die Realität mag anders aussehen (und nichts wünsche ich meinen alten Helden mehr), doch mein Herz bricht trotzdem. Ich stelle es mir hart vor, wenn du mal super bekannt, super gefragt und sowieso ausverkauft und überall umsorgt warst, dann realisieren zu müssen, dass es für die große Bühne nicht mehr reicht. Fußballer wechseln dann aus der Bundesliga in die USA oder lassen sich irgendwo anders den Karriere-Ausklang vergolden. Aber was machen Musiker?
Künstler, die nie etwas anderes gemacht haben als ihre Kunst – und dann später halt nicht Trainer oder Berater jüngerer Künstler werden können, wie Ü35-Kicker. Badesalz zum Beispiel haben schon immer auf irgendeiner Bühne gestanden. Sie fingen an in kleinen Frankfurter Clubs.
Man könnte also jetzt, 13 Jahre nach ihrem letzten Album, ganz Musiker-PR-Sprech, sagen: Sie sind zurück bei ihren Wurzeln. Ein Satz, der in mein gebrochenes Herz sticht.
Update vom 16. Mai 2017: Wir haben diesen Text aktualisiert, nachdem uns Henni von Badesalz netterweise drauf hingewiesen hat, dass sie sehr zufrieden mit dem Zuspruch in München sind.