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Was mir das Herz bricht: Ehepaare, die sich im Restaurant anschweigen

Illustration: Lucia Götz

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Er stochert mit dem Fischmesser im Kabeljau, sie tupft sich den Mund mit der weißen Stoffserviette ab und blickt aus dem Fenster. Auch als er fertig gegessen hat, dreht sie sich nicht zurück, sondern starrt weiter

gedankenverloren nach draußen. Er schaut sich solange im Restaurant um.

Sein Blick wirkt etwas missbilligend, als er auf eine Familie mit zwei kleinen Kindern fällt, die fröhlich in ihrem Essen rummantschen.

Abgesehen von ihren Eheringen scheint die beiden nicht viel zu verbinden,

außer dem drückenden Schweigen, das über ihrem Tisch hängt wie eine unsichtbare Glocke. Dann aber hört man doch etwas: Es macht einmal ganz leise “knack”. Das Geräusch kommt nicht von dem schweigenden älteren Ehepaar am Nebentisch, sondern aus meiner Brust – als mein Herz sich beim Anblick dieser Szene in zwei Hälften teilt.

Die zwei wirken entfremdet und kühl, jeder isoliert in seiner eigenen wortlosen Welt.  Klar, es gibt auch Paare, die öffentlich gemeinsam

schweigen. Dann ist das ein Geschenk: einen Menschen gefunden zu haben, bei dem man nicht ständig das Gefühl hat, sich zwanghaft eine Konversation aus der Nase ziehen zu müssen. Aber hier ist das spürbar anders.

Ab und zu fällt doch mal ein Halbsatz am Nebentisch. Überrascht, fast erschrocken drehe ich mich dann rüber. Aber über “Die Kellnerin schaut aus wie die Tochter von der Susanne” und “Ist das Fleisch durch?” geht das Gespräch nicht hinaus. Danach herrscht wieder Stille.

Wortleerläufe sind unangenehm, also beginnt man Fragen zu stellen, deren Antworten man längst kennt

Solche Wortleerläufe sind unangenehm, deshalb versucht man

normalerweise, sie weiträumig zu umgehen. Nur trifft man, dem Zufall geschuldet, eben doch hin und wieder einen x-beliebigen Bekannten in der U-Bahn, mit dem man nicht über mehr zu reden weiß, als über den einen gemeinsamen Freund (den man schon seit Jahren nicht mehr gesehen hat), das obligatorische “Was machst du eigentlich zur Zeit?” (das einen gar nicht interessiert) und die Unzuverlässigkeit der Bahn (Small-Talk-Thema Nummer eins in öffentlichen Verkehrsmitteln). Recht viel mehr will dem müden Hirn in solchen Situationen nicht einfallen. Dann beginnt man Fragen zu stellen, deren Antworten man längst kennt, holt bei kurzen Anekdoten ewig weit aus, fragt bis ins kleinste Detail nach. Und das alles nur, um die unausweichliche Stille in die Ferne zu schieben.

Sobald dann jeglicher Redestrom versiegt ist, alle Überbrückungsmaßnahmen (Handy checken, sich durch die Haare fahren, mit den Sohlen über den Kunststoffboden quietschen) verbraucht sind, aber immer noch acht gemeinsame Stationen vor einem liegen, schleicht es sich doch herein: das unangenehme Schweigen zweier, die sich eigentlich nichts zu sagen haben, aber aus räumlichen (oder beziehungstechnischen) Gründen einander für eine gewisse Zeit gegenüber sitzen.

In der U-Bahn-Situation bleiben einem zumindest Auswege: die kommenden 20 Minuten fieberhaft aufs Handy glotzen oder aussteigen und die nächste Bahn nehmen. Irgendwie blöd, aber verkraftbar. Erlösung bringt mir dann meine Haltestelle, an der ich versuche, nicht allzu ungestüm aufzuspringen und mit einem kurzen “Bis bald!” hinaus zu huschen. Doch was bleibt einem im Restaurant? Was bleibt dem Ehepaar am Nachbartisch? Heißt ihre Haltestelle “Bis dass der Tod euch scheidet”?

Die beiden haben mein Herz nicht nur gebrochen, weil sie mir leid tun. Vielmehr habe ich Angst davor, mit meinem Zukunftsmann irgendwann wie dieses  Ehepaar zu sein. Werden wir uns noch was zu erzählen haben, wenn wir im Alter jeden Tag miteinander verbringen? Wenn wir in Rente und die Kinder lange aus dem Haus sind, wenn die wilden Jahre weit weit zurück liegen, was sagen wir uns dann noch? 

 

Dann sitzen wir womöglich selbst an diesem Tisch im Restaurant und sagen nichts. Aber hoffentlich ist es dann die Sorte von Schweigen, die wir beide genießen können. Weil wir alles voneinander wissen, uns in- und auswendig kennen und ein Nicken in Richtung Nebentisch genügt, um den anderen wissen zu lassen, was man über die junge Frau denkt, die einen da so mitleidig anschaut.

 

 

Was uns sonst noch das Herz bricht:

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