Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Was mir das Herz bricht: Männer mit löchrigen Vollbart-Versuchen

Illustration: Katharina Bitzl

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Manche Dinge kann man nicht ändern. Auch wenn Eltern und Motivationssprüche auf stillosen WG-Klos der Menschheit beständig vermitteln, dass sie absolut ALLES sein können, und auch wenn das im Grunde genommen ein nobler Gedanke ist, möchte ich hier mal kurz festhalten: Liebe Männer, ihr könnt sehr vieles sein, aber irgendwie eben doch nicht alles. 

Anlass und Beleg für diese ernüchternde These: Vollbartträger. Viele wären gern einer, aber kann halt nicht jeder. Manche Männer mit einem Bartwuchs, den man sehr wohlwollend noch als „mäßig“ bezeichnen könnte, weniger nett als „löchrig“, scheinen in dieser Hinsicht einen unverrückbaren Willen zu haben, sich gegen ihr naturgegebenes Schicksal zu stemmen. Dieser Wille ist bewundernswert, aber eben auch sehr, sehr heartbreaking.

Bis vor wenigen Jahren haben diese Männer ihre nicht vorhandenen Veranlagungen noch akzeptiert. Wessen Backen nach zwei Wochen ohne Nassrasur wie eine Wiese nach einem Festival aussahen, der zuckte wahrscheinlich kurz mit den Schultern und legte dann den Rasierer an. Ganz weg oder eben dort Haare stehen lassen, wo sie dicht sind: Bisschen Oberlippe, bisschen Kinn, das reicht doch auch. Und dank fieser Hormone sind die meisten wirklich Vollbärtigen zwar mit haarigen Backen gesegnet, aber über kurz oder lang eben auch mit einer Halbglatze. Ausgleichende Gerechtigkeit der Natur, alles schön und gut. Der eine so, der andere so.

Seit sich aber von Bushido bis Ingo Zamperoni jeder bartwuchsgesegnete Mann einen Vollbart stehen lässt, kennt die Realitätsverweigerung kein Halten mehr: Aus glatten Wangen wurden auf Teufel komm raus Haarlandschaften, die so aussahen, als hätte ein Kleinkind mit seiner Bastelschere daran rumgeschnippelt. Oder wie ein Kuhteppich im Gesicht. Oder so, als hätte der Mann einen krankhaften Juckreiz und sich dementsprechend stellenweise die Haare weggerubbelt. Die Natur ist eben in den wenigsten Fällen symmetrisch und gleichmäßig. Sie ist das reinste Chaos!

Man könnte nun sagen: Vielleicht mögen diese Männer genau diese völlig willkürliche Verteilung von Haarflecken. Lassen wir sie in Ruhe! Was aber erstmal vollkommen beliebig aussieht, lässt bei genauerem Hinsehen tatsächlich eine Pseudo-Ordnung erkennen: Neben den Ohren bilden die Haarflecken eine leicht erahnbare Linie, das sollen wohl Koteletten sein. Und auch an der Backe hat der Lochbartträger eine Grenze in seinen eh schon begrenzten Bart gezogen, vielleicht stand das mal in irgendeinem Männermagazin, „Fülle durch Definition“. Vielleicht ist aber auch der Friseur um die Ecke schuld. Der nennt sich jetzt wahrscheinlich Barbershop, hat einen Pappmache-Stierkopf an die Wand geschraubt und dem Lochbärtigen die perfekte Kontur für seinen Fleckenteppich versprochen.

Und genau hier liegt das Problem: Gibt es mal irgendeinen männlichen Beauty-Anlass, Produkte zu verkaufen (Barttrimmer, Bartwichse, 10-Euro-Bart-Behandlung und ja, manche verwenden tatsächlich Haarwuchsmittel auf den Backen), müssen die mittlerweile auch wirklich JEDEM angedreht werden, egal ob die Veranlagung da ist oder nicht. 

Natürlich darf sich jeder schön fühlen, wie er mag. Der Lochbart scheint allerdings eben nicht Ausdruck einer individuellen Wahrnehmung von Schönheit zu sein, sondern die verzweifelte Anpassung an industrievermittelte Schönheitsstandards. Vielleicht muss man hier aber auch gar nicht die große Konsumkritik auspacken. Vielleicht habe ich einfach Mitleid. Und eine etwas zu groß geratene Dankbarkeit für meinen regelmäßigen Bartwuchs.

Mehr Herzensbrecher: 

  • teilen
  • schließen