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"Kannst du mal hinten schauen, ob bei mir alles zu ist?"

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Sobald ich einen Rucksack trage, umfängt mich die schlimmste der sieben Urängste. Es ist die Angst, eine der vielen Reißverschlusstaschen könnte offen stehen und ihr Inhalt deswegen bald restlos verteilt sein, während ich nichtsahnend vorne in die Welt renne. Ganz unberechtigt ist diese Angst nicht, schließlich hat man vor allem in den ersten zwanzig Jahren seines Lebens beträchtliche Erfahrung im Tragen von rückwärtigen Behältnissen gemacht. Schulranzen und Turnbeutel, Eastpack-und Wanderrucksäcke wurden auf unsere Schultern geschnallt und in den Außentaschen befanden sich stets Pausenbrote, Flötenputzer, Schlüsselbund und Fliegen-Maske, weil man ja beim Fußballspielen immer Fliege-Torwart war. All das hat man im Laufe der Zeit treulich verloren, weil irgendwann doch eine Tasche offenstand und keiner da war, den man mit dem Hauptsatz hätte beauftragen können.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Dieses einfache Verschleudern von Besitz wird dadurch begünstigt, dass ein Rucksack die Bewegungen seines Trägers verstärkt und noch viel mehr auf- und ab hoppelt als der Gehende, der ja meist nur mäßig hoppelt. Wer je von einer trabenden Horde Drittklässler überholt wurde, weiß, dass man von ihnen nichts sieht als springende Ranzen und alles klappert, schleudert und es regnet Pausenbrot. Im Hochgebirge ist meine Angst vor unkontrollierten Ladungsverlusten besonders groß und ich spreche jeden, der mir entgegen wandert, panisch mit dem Hauptsatz an. Ungern möchte ich das Matterhorn erklettern, um dann halbtot wieder unten festzustellen, dass ich irgendwo den Autoschlüssel aus der Seitentasche gelenzt habe. Ebenso unfein wäre es, in der kanadischen Wildnis am Ende eines Tagesmarsches festzustellen, dass unterwegs alles bis hin zur Tarn-Luftmatratze aus der großen Klappe gerutscht ist und ich so nicht nur vor dem Hunger-/Frier-/Bärentod stehe, sondern auch eine sog. Schneise der Verwüstung durch den Nationalpark gezogen habe. An die Rucksackhersteller deshalb die Bitte: Statt immer neue Geheimrats-Taschen anzubringen, wie wäre es mal mit einem kleinen Rückspiegel, mit dem man diskret und alle drei Minuten seine hinteren Öffnungen beäugen kann? Der Besinnlichkeit auf Wander- und Schulwegen wäre das unbedingt förderlich.

Text: max-scharnigg - Illustration: Katharina Bitzl

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