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"Das Jahr ist wieder irgendwie so schnell vergangen."

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  Hoffnungslos erwachsen ist man, wenn man zum ersten Mal die Zeitverfluggeschwindigkeit beklagt. Bis etwa zum fünfzehnten Lebensjahr ist einem der gregorianische Kalender ja wuppe. Spielen, schlafen, essen, das alles findet in der immer genau gleichen Zeit statt, es herrscht das aufregende Präsens und basta. Dann aber, oweh, ist man eines seltsamen Tages zu alt fürs Bällebad, zu blechern für den Knabenchor und zu doof für die Versetzung in die elfte Klasse und auf einmal ist sie da, die feindliche Zeit. Sie geht auch nicht mehr weg, von diesem Moment an arbeitet sie gegen uns, nimmt uns mit Gewalt die erste große Liebe und das volle Haupthaar, rafft Großeltern und die Pläne vom Leben als Profi-Billardspieler dahin. Das Präsens verkommt uns angesichts dieser Ereignisse zunehmend zu einem Übel, das wir billigend in Kauf nehmen – als Zwischenlager in der ungeliebten Mitte zwischen goldigen Erinnerungen und all den  hoffnungsvollen Zukunftsplänen. 

  Genau in diese maliziöse Stimmung wird dann auch der Hauptsatz vom  Jahr gesprochen, das wieder mal eine neue schnellste Runde hingelegt hat. Er wird meistens eingeleitet mit einer wehmütigen Feststellung des Kalibers „Ach und ich weiß doch noch so gut, wie wir im März beim Petzi-Onkel geschnapselt haben.“ Goldige Erinnerung eben, die dann mit einem zerstörten Zukunftsplan in der Art von „Und ich habe es dieses Jahr wieder nicht geschafft, die Pfandflaschen zum Container zu bringen“ gekoppelt wird. Fertig ist die Schuldzuweisung: Nicht man selbst war zu langsam und träge, nein, natürlich war das Jahr einfach zu schnell! Schon komisch, wie kostengünstig man sich als Erwachsener die Dinge hinbiegt. Jedenfalls: Was man schaffen wollte ist wieder nicht mal zur Hälfte erledigt, dafür ist das Schöne, das man gerne ausgedehnt hätte schon wieder in den unwiederbringlichen Tiefen des Lebensarchivs versunken. Seufz! 



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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



  So beliebt aber die Jahresend-Klage ist und so einstimmig sie meistens von allen Anwesenden bestätigt wird – es ist doch auch immer ein Fuder Eitelkeit dabei. Jeder in der Runde beeilt sich zu versichern, dass sein Jahr am allerschnellsten vergangen ist, weil das eben auch bedeutet, dass das eigene Leben so dermaßen rasant ist. Keine Minute Langeweile! 

  Und wenn der alte Gregor jetzt mit seinem Kalender angestiefelt käme und anböte, angesichts der Jammerei das alte Jahr kurzerhand um zwei Monate zu verlängern, müsste man sich irre freuen und so tun, als gäbe es immer noch genug Post zu öffnen und Einladungen und Kinokarten und Lebenstrubel abzuarbeiten. Bloß nicht zugeben, dass durchaus auch mal ganz schön ereignisloser Leerlauf war und man auch 2011 streng genommen jeden Morgen fünfzehn Minuten im Bett lag, in denen man weder schlief noch aufstand, sondern einfach an die Decke starrte. Während dieses zugegeben sehr schönen Starrens verschwendete man doch überhaupt keinen Gedanken an das rasende Jahr, das war einem völlig egal, man genoss stattdessen die unaufdringliche Präsenz des Präsens, fast wie in Kindertagen. Das Einzige, was man in diesen seligen Minuten vielleicht dachte, war: Gäbe es überhaupt keinen Kalender und nicht diesen ganzen Monats- und Viertelstundenquatsch, wie befreit würde man dann in sein Leben hineinleben können und allerhöchstens zufällig feststellen, dass es offenbar schon wieder Winter wird – nämlich dann, wenn der Maronibrater mit seinem Maultier in die Stadt einzieht. Silvesterpanik, Jahrespläne, verbummelte Dienstage, Halbjahreszeugnisse, das alles wäre uns dann genommen. Würde uns da was fehlen? Höchstens vielleicht ein Hauptsatz, mit dem man ganz nebenbei andeuten kann, wie sehr aufregend das eigene Leben ist.

Text: max-scharnigg - Illustration: Katharina Bitzl

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