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Das hab’ ich auch, das ist doch von IKEA, oder?
Es sind Freitagabende, an denen ich mit Inbrunst über das Reichsein nachdenke. Denn an Freitagabenden suchen hin und wieder Menschlein meine Wohnung auf, die das gemeinschaftliche Antrinken und Palavern im Sinn haben. Diese Besucher und ihre anhängigen Liebschaften mögen es gerne, im Verlauf so eines Abends „Schlossführung!“ zu zwitschern. Das bedeutet dann nichts anderes, als dass sie, ein Glas in der Hand, durch meinen feuchten Flur flanieren dürfen und sich dabei kurzzeitig benehmen, als wären sie in einem städtischen Museum. Sie tippen mit ihren Fußspitzen das Mobiliar an, weisen sich gegenseitig auf (von mir sorgsam plazierte) Dinge hin und zipfen am Boden herum: Ob es Parkett wäre oder doch nur gutes Laminat? Dergestalt stehen sie so lange zwischen Sideboard und Vertiko, bis sie endlich laut und lustig den IKEA-Satz loswerden. Er erwischt mich meist während des Versuches, neue Kingfisher-Biere aus der Gemüseschublade des Kühlschrankes zu bergen ohne dabei am hinteren Hosenbund zu viel Gesprächsstoff freizulegen. Der IKEA-Satz wird immer in der gleichen Mischung aus Finderglück und Verachtung vorgetragen. Seht, sagt der Satz, seht unser ach so weltläufiger Gastgeber ist doch einer von uns, da kann er Kingfisher ausschenken so viel er will, sein Regal täuscht uns nicht.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Der Satz ist auch nicht komplett, bis ich ihn, mit der immer gleichen Mischung aus Selbstekel und Schulterzucken, sinnfrei bestätigt habe: „Ja, das ist von IKEA. Und das und das und das auch!“ Nun, und von hier aus geht das Gespräch nie weiter. Vielmehr steht man gemeinsam betroffen vor dem stadtbekannten Regalsystem „Bohult“ und sieht sich an, als ging es demnächst auf’s Amtsgericht. Was soll ich auch sagen, zur feierlichen Enttarnung eines Gegenstandes, dessen massengefertigte Herkunft ich gerade glücklich verdrängt hatte? Fortan wird das denunzierte Regal also wieder etwas beliebiger am Eck stehen, die Platten werden etwas gröber dort eingeparkt. Denn es ist ja nur und jeder andere hat es auch. Der Fingerzeig des trunkenen Gastes wird an ihm kleben, als Kainsmal der Gewöhnlichkeit .
Es wäre eine hübsche Abwechslung, würde mal jemand nach der Schloßführung sagen: „Das Möbel da drüben kenne ich wirklich überhaupt gar nicht, null, nie gesehen, wie nennt man denn so was? Und das hier, ist das etwa selbst gebastelt?“ Aber derlei geschieht nie, das mobiliare Bewusstsein springt erst bei Ivar und Skepshult an. Die aber erkennt es zuverlässig und überall, unter Tagesdecken und Gipsverbänden vor wird das Zeug ans Licht gezerrt. Selbst wenn ich mir ein Visconti-Schlafzimmer aus Pappmaché nachbauen würden, kämen die Menschen herein und würden gleich rufen: „Da, die unscheinbare Vorhangstange, die ist doch von IKEA, oder? Die gleiche hat meine Sis auch!“ Wie befreiend wäre es, darauf wenigstens einmal sagen zu können: „Nein, die ist von Segmüller.“ Aber wie viel fantastischer noch, wäre es, reich zu sein und zu antworten: „Ja, die sieht aus wie von IKEA. Aber eigentlich ist sie ganz aus Gold.“
Text: max-scharnigg - Illustration: Katharina Bitzl