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Nicht so wütend
Während der Ausschreitungen und Demonstrationen der vergangenen Tage, die sich gegen den islamfeindlichen Film „Die Unschuld der Muslime" richteten, ist viel passiert. Es wurden sogar Anschläge auf Botschaften verübt und es gab Todesopfer. Bei all der Aufregung, der Angst und der Diskussion um Meinungsfreiheit und Zensur darf man aber eine Sache nicht vergessen, die sich mit jeder Meldung über Gewalttaten, die im Namen des Islam verübt wurden, erneut einschleicht: den Generalverdacht aller Muslime. Denn eigentlich sollte jeder wissen, dass nicht alle Muslime radikale Islamisten sind. Aber die Radikalen sind eben immer am lautesten. Jetzt hat ausgerechnet ein reißerisches Cover der Zeitschrift „Newsweek" der muslimischen Welt (zumindest der im Netz) eine Vorlage geliefert, um sich mit einer großen Portion Sarkasmus und Ironie vom Generalverdacht zu befreien.
Das aktuelle Cover der "Newsweek" zeigt Männer mit dunklen Bärten und Turban, deren Gesichter wutverzerrt sind. Überschrieben ist es mit „Muslim Rage", angekündigt wird ein Text der islamkritischen Autorin Ayaan Hirsi Ali mit dem Titel „How I Survived It, How We Can End It".
Die Empörung folgte unmittelbar nach der Veröffentlichung. Vor allem, weil die "Newsweek" selbst einen Tweet absetzte, der zur Diskussion des Covers aufrief: „Want to discuss our latest cover? Let's hear it with the hashtag: #MuslimRage." Das funktionierte erstmal insoweit, dass viele unter dem Hashtag äußerten, das Cover sei geschmacklos und reißerisch. So entstand bald der Eindruck, dass sich viele Menschen muslimischen Glaubens durch den diskutierten Film bisher nicht angegriffen gefühlt haben, nun aber den "Newsweek"-Titel als beleidigend empfinden. Das drückt auch ein Tweet des Nutzers @eldahshan aus:
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Vor allem aber blieb es nicht bei reiner Empörung. Der Hashtag #MuslimRage wurde vor allem in mehrheitlich islamischen Ländern zum Trend, weil die dortigen Nutzer anfingen zu erklären, was sie wirklich wütend macht. Aber auch überall sonst auf der Welt stiegen Twitterer, ob nun muslimisch oder nicht, ein. Ernst gemeint war dabei bisher kaum einer der Tweets. Fast alle spielen mit den Klischees rund um Muslime, zum Beispiel mit den Vorurteilen gegenüber arabisch aussehenden Menschen an Flughäfen und in Flugzeugen:
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Aber auch Nahrung, Gebet und Kleidung werden für einen guten Scherz herangezogen. Sein iPhone-Kompass könne ihm nicht die richtige Richtung für das Gebet gen Mekka zeigen, schreibt @RaziAmin. Andere scherzen über die 72 Jungfrauen im Himmel, die alle männlich seien, oder über die Apotheke, die keine Halal-Kondome im Angebot habe. Besonders viel Zuspruch erhielt @LibyaLiberty für ihren Tweet zum „Good Hair Day" mit Kopftuch:
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Manche entfernen sich auch von den Klischees und führen die „muslimische Wut" so noch mehr ad absurdum:
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Bemerkenswert an diesem Twitter-Trend ist vor allem die Ruhe, mit der das Mem sich entwickelt. Kaum ein Tweet hat einen radikalen Unterton. Techcrunch betitelt einen Artikel zur Sache mit „Twitter Gives Muslims A Voice, A (Seriously) Funny Voice". Große Blogs springen auf den Zug auf. Jest hat Parodien des Newsweek-Covers entworfen und Gawker zeigt „13 Powerful Images of Muslim Rage" – unter anderem Ägypter, die Seifenblasen machen und ein schaukelndes jordanisches Mädchen.
Doch trotz allen Humors mahnen manche auch zur Vorsicht. „Dangerous Trend" twittert @sukh_Star. Die Warner stehen vermutlich unter dem Eindruck der Ereignisse der letzten Tage, die aus dem Ruder gelaufen sind. Und manch einer erinnert auch daran, dass der Ursprung des ganzen Trends eigentlich kein erfreulicher war. Auch hier überwiegt aber bisher die Ruhe. Der Nutzer @ZFelo zum Beispiel versucht, die Aufmerksamkeit wieder auf die Themen zu lenken, die in der muslimischen Welt gerade viel wichtiger sein sollten als schlecht produzierte Filme und unreflektierte Cover, und twittert: „Demonstrate for Syria instead!"