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Na, bist du ein Giftiger? Die Handreichung zur Pilzsaison
1. Erzähle mal lieber keinem von deinem neuen Hobby. Gleichaltrige finden es bestenfalls verschroben, Jüngere schreien schlimmstenfalls „Wäh, Scheidenpilze sammeln oder was?“. Sage lieber, du gehst wandern, das ist noch untrendy genug. Deinen Eltern kannst du aber ruhig die Wahrheit erzählen, denn sie werden aus Angst vor dem Gifttod ihres Kindes ein Päckchen an dich adressieren. Darin: Das gute, alte Kosmos-Pilzbuch 2. Lies das Buch ruhig ein bisschen und schau dir ein paar Pilze an, aber versuche bloß nicht, dir alle Bilder, Sporenformen und Vorkommen einzuprägen. Im Wald sieht alles ganz anders aus. Merke dir: Steinpilze, Maronenröhrlinge und Pfifferlinge. Wenn du großen Hunger hast auch noch Rotkappen und Birkenpilze.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
3. Pilze sammeln geht vor allem im Wald. Das Wäldchen im Stadtpark ist aber zu klein, erst wenn man sich richtig drin verlaufen kann, dann ist der Wald groß genug. 4. Trage bei dir: Ein Taschenmesser und eine Baumwolltasche. Im Fernsehen haben Pilzesammler zwar immer einen Weidekorb, aber der ist im Dickicht unbequem und außerdem sieht jeder andere Pilzesammler gleich, dass du noch nichts gefunden hast. 5. Ja, es gibt andere Pilzesammler. Du erkennst sie daran, dass ihre Autos immer schon lange vor dir am Waldparkplatz stehen (Gerne: alter grauer Nissan mit Hut auf der Ablage). Ihre Spuren im Wald sind leicht zu finden: Die Unsympathischen reißen einfach alles, was eine Pilzkappe hat, aus dem Boden und werfen es dann wieder hin. Die ganz Unsympathischen schnappen dir die armdicken Steinpilze vor der Nase weg. Das erkennst du an den säuberlich abgetrennten Stielen. 6. Jetzt geht es los: Schaue auf den Waldboden und suche Pilze. Es werden gleich am dritten Baum welche stehen, sie sind orange oder grün, ganz klein oder obszön groß, wachsen auf Wurzeln oder haben lustige Streifen. Glückwunsch, du hast Pilze gefunden! Aber: Vergiss sie. Das sind nämlich alles Täublinge, Trichterlinge, Reizker, Wülstlinge oder Halimasch. Nicht gerade tödlich giftig, aber irgendwo zwischen ungenießbar und komisch, die werden nur von alten Hexenweiblein gesammelt. Du sammelst aber erstmal Steinpilze! Allerhöchstens noch Maronen, aber Vorsicht: die sind immer noch Tschernobyl-verstrahlt. Champignons gibt es zwar im Supermarkt, aber bestimmt nicht im Wald mit dem Waldparkplatz. Zufällig findest du mal einen auf der Wiese – selbst dann lass’ ihn stehen: Weiße Pilze sind gefährlich, denn Knollenblätterpilze sind auch weiß. Und ja, das sind die, vor denen alle Angst haben.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
7. Deine erste Marone! Sie ist oben richtig schön braun und hat unter dem Hut einen gelblichen Schwamm. Wenn du da drauf drückst wird der Abdruck bläulich – abschneiden und rein damit in die Tasche. Von jetzt an bei allen verdächtigen braunen Kappen mit dem Finger drunter kitzeln und schauen ob der Schwamm da ist – wenn du statt dessen Lamellen kitzelst, lass sie stehen fürs Hexenweiblein. Aber wo eine Marone steht, gibt es auch mehr. 8. Ein Steinpilz ist ein tolles Gewächs. Viel fester und majestätischer als die ganzen weichen, schmierigen anderen Pilze, er riecht sehr gut und man kann ihn sogar roh essen, kurzum: die Krone der Pilzschöpfung. Und gar nicht sooo selten. Wenn man zum ersten Mal vor einem steht, ist ein bisschen Stolz nichts, wofür man sich schämen müsste. Vielleicht ist es aber auch ein Gallenröhrling – woher der seinen Namen hat, merkt man dann spätestens am Abend, beim ersten Bissen. 9. Sehr wichtig ist, dass du dir beim Sammeln alle Viertelstunde „Hier riecht es aber wirklich nach Pilzen!“ einredest. Motiviert immer für die nächste Viertelstunde.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
10. Wenn du nichts Brauchbares findest, warst du immerhin an der frischen Luft und mal ehrlich: So richtig Lust auf Pilzomelett hattest du ja doch nicht. 11. Ist der Korb voll schöner Pilze, möchtest du ihn stolz der WG oder den Freunden beim Abendessen näher bringen. Leider reagieren 99% der Adressaten mit Misstrauen: „Du bist dir wirklich sicher? Der sieht aber giftig aus!“ Das hörst du jetzt überall. Nur der Quoten-Hippie legt sein Burruoghs-Buch hin und beißt voll Freude in einen rohen Birkenpilz – leider ist der nicht halluzinogen, höchstens harzig. 12. Wichtig: Dir selber nicht die kleinsten Zweifel am eigenen Pilzverstand gestatten, sondern mit Todesverachtung die kleine Pfanne für dich alleine heiß machen. Beim Putzen noch mal diskret in das Pilzbuch schauen und die Merkmale vergleichen – wenn er eine Manschette haben sollte, aber keine hat - ab in den Mülleimer. Für den Rest: guten Appetit. Illustrationen: dirk-schmidt