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Ein kleiner Merkelzettel
Illustration: heike-winter Die nächsten Wochen werden voller Aufregung sein für Kanzlerkandidatin Angela Merkel. Und mitten im Wahlkampftrubel steht ihr auch noch das Fernsehduell mit Titelverteidiger Gerhard Schröder bevor. Schröder, der große, böse Wolf und Merkel, das ungeschickte, kleine Lamm. Am 4. September wird Merkel zerfleischt. Muss nicht sein. Frau Merkel, hier ein paar Tipps für Sie, wie Sie Punkte sammeln können gegen den ausgebufften Medienkanzler, der, wir können es inzwischen auswendig, „den Flirt mit den Fernsehkameras perfekt beherrscht“. 1. Die Außenseiterposition nützen Nicht vergessen: Im Fernsehduell gegen Schröder rechnen alle damit, dass Sie scheitern, die Frage ist nur wie. Nutzen Sie das. Wenn Sie einigermaßen gelassen, geduldig und ohne große Versprecher diese 90 Minuten überstehen, gilt das schon fast als Sieg. Das ist doch was, oder? 2. Auf Weiblichkeit verzichten Ihren Wahlkampf zum „Frauen an die Macht“-Kampf zu machen, ist natürlich problematisch, denn damit können Sie am ehesten bei Frauen punkten und die hat Schröder bekanntlich fast alle in der Tasche. Und Männer kommen mit Frauen, die die Solidarisierung aller ihrer Geschlechtsgenossinnen fordern, gar nicht gut klar. 3. Auf Weiblichkeit setzen Was aber nicht heißt, dass Sie Ihre Weiblichkeit verstecken müssen. Denn die Tatsache, dass Sie eine Frau sind, lässt sich nun mal nicht verbergen, wie Sie selbst in einem Interview festgestellt haben. Betonen Sie auf nicht-inhaltlicher Ebene Ihre Weiblichkeit! Der Trend weg von kastenförmigen Jacketts hin zu weiblicheren Kostümen ist daher aufrecht zu erhalten. Nur auf Zartrosé sollten Sie verzichten. Auf Orange selbstverständlich auch. Wie wäre es mit einem schlichten, positiven Taubenblau? 4. Nicht zu dick auftragen Zu gestylt sollten Sie nicht in das Wortgefecht mit Schröder gehen. Es geht nämlich immer noch um Inhalte (an diesem Leitsatz unbedingt festhalten!). Ein vorheriger Besuch bei „Starfrisör“ Udo Walz wird nicht nötig sein, einfach morgens ein bisschen Volumenschaum ins feuchte Haar einmassieren und dann wie gewohnt frisieren. 5. Lächeln üben Viele fanden bisher, Sie lächelten zu wenig. Offenbar haben Sie inzwischen geübt. Übertreiben Sie es nicht. Es geht immer noch um Inhalte (s.o.) und nicht um weiße Zähne. Falls es trotz weiteren Übens bisweilen nur zu einem gequälten Tanz der Mundwinkel reicht, verzichten Sie lieber ganz. Das ironisch-überhebliche Lächeln gehört schon Schröder und der beherrscht es wie niemand sonst. 6. Euphorisch werden Sie wirken oft zu uneuphorisch und unengagiert, ja fast gelangweilt. Das muss besser werden. Schließlich geht es um Deutschland und es würde Ihnen in der Seele wehtun, wenn dieses schöne Land von Schröder zu Grunde regiert würde, nicht wahr? Bringen Sie das rüber. Werden Sie an den richtigen Stellen ruhig ein bisschen pathetisch und lassen Sie eine gewisse Dringlichkeit in Ihre Stimme. 7. Was liegt, des bickt Am 4. September werden noch mehr Augen und Ohren auf Sie gerichtet sein als sonst. Was Sie jetzt sagen, gilt. Nachträgliche Retuschierversuche in Wort und Bild auf der CDU-Homepage können da nichts mehr retten. Deswegen: Verwenden Sie ein Deo mit zuverlässiger Anti-Transpirations-Funktion. Außerdem: Brutto = vor Abzug, Netto = nach Abzug. 8. Farbe bekennen Nicht nur Ihr Kostüm muss Farbe bekennen. Das wird jetzt wehtun, aber Sie müssen wohl oder übel an einigen Stellen konkret werden. Allzu langes Geplänkel zur unbeliebten Mehrwertsteuererhöhung können Sie am besten umgehen, wenn Sie mit anderen Inhalten dagegenhalten. Wie wäre es zum Beispiel mit der geplanten Steuersatzsenkung und der Senkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung? Das wollen die Wähler hören! 9. Siegessicher sein Egal, wie die 90 Minuten gelaufen sind, das erste, was Sie tun, wenn das Duell überstanden ist (und Sie werden es überstehen), ist nicht, erleichtert zusammenzusacken, sondern gleich vor die nächsten Kameras zu tänzeln und mit großer Bestimmtheit allen zu versichern, dass das Duell sehr gut gelaufen ist und dass Sie Schröder durchaus das Wasser reichen konnten.