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Auf dem Flohmarkt

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Illustration: dirk-schmidt Die schönsten Teile gibt es auf dem Flohmarkt. Aber immer nur die anderen haben sie. Während man selbst noch verzweifelt in Schachteln mit alten Orden und Kellogs-Gimmicks kramt, zieht der geübte Flohmarkt-Gänger längst aus der unmöglichsten Ecke genau das Teil, das ihn modemäßig diese Saison wieder ganz vorne mitspielen lässt. In neun Schritten kannst auch du zum Flohmarkt-Profi werden. 1. Flohmarkt ist Samstag und Sonntag. Der gewohnte Wochenendrhythmus ist mit einer erfolgreichen Schnäppchenjagd nicht zu verbinden. Der Weckzeiger muss auf spätestens sechs Uhr stehen, wenn man als „Early Bird“ vor neun Uhr auf dem Markt aufschlagen will. Wenig Konkurrenz und Gedränge, geduldige Verkäufer und Ruhe, überall zu stöbern. 2. Meide Flohmärkte von Gemeinden, Kirchen und Kindergärten. Wer nicht Kinderwägen, Barbie-Wohnmobile oder Bügelstationen erwerben möchte, unternimmt lieber eine Fahrt zu einem fest installierten Flohmarkt, der wöchentlich neuen Retro-Deko-Kram und Einzelstücke vergangener Moden in seinem riesigen Volumen verborgen hat. 3. Stöbere in wirklich allen Ecken und Enden und hab keine Angst vor Flohmarkt-Freaks, die gehören dazu. Wer weiß, was der Verkäufer in kurzer Trachtenlederhose mit roten Hosenträger für Schätze unter seinen dargebotenen selbstgestrickten Wollpullis versteckt hat. 4. Verständigung auf einem Flohmarkt mit ausländischen Marktpartnern fällt oft etwas schwer. Mit dem flohmarktspezifischen Minimaljargon jedoch, der sich auf „Kostet? Wie groß? Letzter Preis? Wie viele? Rabatt?“ beschränkt, kann man sich immer verständigen. 5. Unbedingt Handeln – a bisserl was geht immer. Ein Trick ist, einen in eigenen Augen angemessen Preis zu nennen, sich das begehrte Stück zu greifen, die Münzen auf eine Ecke des Verkauftischs zu knallen und den Ort des Geschehens schnellstmöglich zu verlassen. Ratsam aber nur bei hilflosen Einzelverkäufern - sonst hat man eventuell die ganze Flohmarkt-Mafia auf den Fersen. 6. Flohmarkten ist alternativer Konsum, doch Vorsicht: nicht jeder Kauf ist gleich ein Schnäppchen und großer Style-Fang. Mindestens die Hälfte aller Verkäufer sind gewitzte Schweine, die modebeflissene, trendbewusste, individualitäts- und Sinnsuchende über den großen Flohmarkt-Klapptisch ziehen. 7. Man neigt wegen der ungeheuer billigen Angebote schnell dazu, etwas zu oft zuzugreifen. Dann steht man abends in den vier Wänden und stellt fest, dass man erstens inzwischen schon die zweite Madonnenfiguren aus Porzellan und den dritten modrigen Ledermantel besitzt und dass zweitens das Portemonnaie leer und vor Erschöpfung grau ist. Selbstschutz: Lieber nur Geld für eine coole Großinvestition und ein kleines Schnäppchen mitnehmen. Und für die Currywurst an der Bude. 8. Wenn man wunschlos, überfordert oder überladen ist - weitermachen. Bis etwa 16 Uhr aushalten, jetzt packen alle ihre Kisten wieder ein. Was nicht mehr gebraucht wird, sperrig und seit mehreren Wochen unverkauft ist, wandert oft nicht zurück in die Kartons der Verkäufer, sondern bleibt stehen. Mit Zettelchen „Zu verschenken“ oder gänzlich ohne Anmerkung. Die unmöglich beige Stehlampe mit gerafftem Schirm wird in der eigenen Hütte mit roten Birnen zur persönlichen Stil-Ikone. 9. Ein Flohmarkt-Erlebnis erweitert den Horizont, räumlich wie zeitlich, und bildet den Besucher in alltagskulturellen Dingen. Wenn man einen Tag Flohmarkt als Besucher überlebt und genossen hat, sollte man mit einem Versuch als Verkäufer nicht mehr lange warten. Schließlich muss man daheim Platz schaffen für all den reizenden Ramsch, den man nach Hause schafft.

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