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Wir müssen aufhören, uns mit unseren Freunden zu vergleichen

Fotos: Freepik/Unsplash / Collage: Daniela Rudolf

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Es ist Freitagabend und ich gehe mit meinen Freundinnen essen. Während meine Gedanken sich einzig und allein darum drehen, wie froh ich bin, jetzt Wochenende zu haben, platzt es aus der ersten Freundin heraus: „Ich bin schwanger!“ „Ich habe eine Weltreise gebucht“, erzählt kurz darauf die zweite. Und ich fühle mich wie die Zuschauerin eines wild zusammengeschnittenen Werbespots für das perfekte Leben.

Baby, Karriere, Reisen – mindestens einer dieser drei Klassiker steht immer im Raum, wenn ich mich mit meinen Freunden treffe. Und es scheint, als ob wirklich jeder einen ganz genauen Plan davon hat, wie das perfekte Leben aussehen sollte. Und während ich es mir eigentlich ganz gemütlich in meinem Leben eingerichtet habe, kommen doch immer wieder Zweifel auf, wenn ich mit meinen Freundinnen rede.

Schwärmt die eine von der langen Asienreise, die sie plant, überlege ich unterbewusst, ob ich sowas nicht auch machen sollte. Mein geplanter Strandurlaub scheint dagegen nämlich ganz schön fade. Dabei habe ich im Hinterkopf direkt tausend Gründe, warum eine Asienreise gar nicht so geil ist: die immergleichen Rucksacktouristen, Sextourismus, Umweltverschmutzung durch Langstreckenflug. Als wollte mein Unterbewusstsein die Pläne meiner Freundin mies machen, nur, damit ich besser dastehe. Kaum spricht die nächste Freundin von ihrer Schwangerschaft und dem zukünftigen Leben als Mutter, werde ich ganz kribbelig. Sollte das nicht auch bald auf meiner Agenda stehen? Und schon wieder beginnt es zu rattern: Richtig im Job durchstarten wäre doch eigentlich cooler? Oder doch eine große Reise machen?

Aber sollte die eigentliche Frage nicht sein, warum ich überhaupt über mich selbst nachdenke, statt meinen Freundinnen ihre tollen und spannenden Erfahrungen einfach zu gönnen? Warum kann ich nicht einfach zuhören und mich selbst komplett aus der Affäre ziehen? 

„Weil Vergleiche so grundlegend sind, können wir sie kaum vermeiden“, sagt die Expertin

„Vergleiche sind ein ganz grundlegender Mechanismus, um Dinge einzuordnen und einzuschätzen“, erklärt Katja Corcoran, Professorin für Psychologie und Sozialpsychologie an der Uni Graz. „Weil Vergleiche so grundlegend sind, können wir sie kaum vermeiden. Sie laufen teilweise unbewusst und automatisch ab.“ Während mein Gegenüber also von den persönlichen Zielen und Erfolgen erzählt, rattert mein Gehirn im Hintergrund automatisch mit und stellt einen Vergleich an – ob ich will oder nicht.

Dabei habe ich aber nicht das Gefühl, dass mein Gehirn das auch macht, wenn meine Mutter mir von ihrem neuen Job erzählt. Oder wenn mein Chef ein Kind bekommt. Persönlich nehme ich anscheinend nur die Entscheidungen meiner Freunde. Aber laut Katja Corcoran ist auch das vollkommen normal: „Wir sind in der Regel mit Menschen befreundet, die uns in grundlegenden Werten und Vorstellungen ähnlich sind. Die Wahrscheinlichkeit ist damit hoch, dass man ähnliche Ziele im Leben verfolgt. Zuschauen, wie Freunde diese Ziele verfolgen oder auch erreichen, kann uns motivieren und anregen. Auch, wenn es im ersten Moment vielleicht weh tut zu erkenne, dass sie etwas haben, was ich nicht habe – oder noch nicht.“

Wie schaffe ich es aber, mich für meine Freunde einfach nur zu freuen und ihnen ihre Erfolge besser gönnen zu können, statt mich ständig mit ihnen zu vergleichen? Denn eigentlich möchte ich alles über die geplante Reise oder die Schwangerschaft hören, ohne mich dabei schlecht zu fühlen, weil ich mir das gerade nicht leisten kann oder noch nicht den richtigen Partner gefunden habe. Laut Katja Corcoran hilft es, sich das große Ganze vor Augen zu halten: „Menschen und ihre Lebensentwürfe sind sehr komplex. Wir können nur einen Bruchteil der Informationen bei einem Vergleich verarbeiten. So kann es sein, dass wir sehen, dass die Freunde interessantere Reisen machen und einen schlankeren Körper haben – und dabei übersehen wir, dass sie weniger gelassen sind und seltener ins Theater gehen.“ Wir neigen also dazu, immer nur zu sehen, wo andere besser sind als wir. Und das wirkt sich dann negativ auf unseren Selbstwert aus. 

Hinzu kommt, dass jeder Lebensentwurf andere Prioritäten bedeutet. Vielleicht liegen meine nicht in der Familienplanung oder exquisiten Reisen. Vielleicht nicht einmal in der Karriere. Und wer entscheidet überhaupt, was besser ist? Eine Reise nach Asien oder an die Ostsee, jetzt ein Kind bekommen, in zehn Jahren oder gar nicht – letztlich müssen wir an dieser Stelle auf unseren eigenen inneren Kompass hören und eben nicht darauf, was unsere Freunde gerade machen. „Wir sind soziale Wesen und unser Wohlergehen hängt auch davon ab, wie andere uns bewerten. Es ist nicht immer leicht herauszufinden, was wir wollen und was uns von außen aufgedrückt wird. Gleichzeitig ist es nicht immer leicht zu verstehen, dass unsere Freunde andere Prioritäten haben“, erklärt Katja Corcoran.

Die Entscheidungen unserer Freunde können richtig für sie sein – wären für uns aber falsch

Vielleicht sollten wir genau das versuchen: Uns ein wenig mehr von den Erwartungen der Gesellschaft und auch von denen unserer Freunde zu lösen. Denn denen geht es ja genauso wie uns. Wenn wir einen komplett anderen Weg einschlagen, verunsichern wir sie vielleicht ebenso. Ich selbst habe zum Beispiel eher jung geheiratet. Was eigentlich eine schöne Nachricht ist, brachte aber nicht alle meine Freunde zum Jubeln. Stattdessen reagierten viele mit Misstrauen oder einem Vortrag darüber, warum heiraten heutzutage generell überholt sei. Statt einfach nur gönnen zu können, warf diese eigentlich ganz persönliche Entscheidung viele aus der Bahn. Weil sie doch so gar nicht zu den eigenen Prioritäten passte. 

Der Vergleich mit den eigenen Erwartungen und Vorstellungen ist unterbewusst immer dabei. Um dagegen anzugehen, sollten wir uns immer wieder bewusst machen, dass die Entscheidungen unserer Freunde richtig und toll für sie sein können, aber keine Anleitung für das eigene Leben darstellen und für uns oft auch einfach falsch wären. Statt die Meilensteine unserer Freunde nachzueifern, sollten wir unsere eigenen setzen. Dann klappt es auch besser mit dem Gönnen, weiß Katja Corcoran: „Uns für den Erfolg von Freunden zu freuen ist für uns am einfachsten, wenn wir diese Dinge auch wertschätzen, aber nicht persönlich anstreben.“

Wenn jeder von uns in der Lage ist, unseren Freunden ihre Erfolge von ganzen Herzen zu gönnen, kann man diese statt als implizite Kritik sogar als Ansporn verstehen, die eigenen Ziele ebenfalls zu erreichen. Denn Katja Corcoran macht klar: „Vergleiche sind nicht per se negativ, sie können auch motivieren.“ 

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