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Was ich gerne früher gewusst hätte: Ein paar Semester mehr interessieren später niemanden
Maria ist 27 und hat zwei Semester ökologische Landwirtschaft und 13 Semester Literaturwissenschaften studiert. Heute arbeitet sie als Programmreferentin in der Erwachsenenbildung.
Bei uns im Studiengang wurden wir im fünften Master-Semester automatisch zur Abschlussarbeit angemeldet. Das hat mich sehr gestresst. Ich hatte Schwierigkeiten, ein Thema zu finden und ständig diese Frage im Nacken: Schaffe ich es, fertig zu studieren, bevor die Uni mich rausschmeißt, mein Stipendium endet oder mein BAföG ausläuft?
Ich habe länger studiert als es die Regelstudienzeit eigentlich vorgibt. Während des Studiums hat mich das gestresst, heute weiß ich, dass es später niemanden interessiert, ob man ein paar Semester mehr oder weniger studiert hat. Meine Eltern waren immer supportive, das war mein großes Glück. Außerdem war ich sehr privilegiert, da ich ein Stipendium hatte. Ich kann nur allen empfehlen, sich nach Stipendien umzuschauen. Es gibt so viele, die einen fördern wollen und viele Stiftungen bekommen kaum Bewerbungen.
Ich bin zwischen Büchern aufgewachsen, mein Vater ist Buchhändler. Ich wusste deshalb schon ziemlich früh, dass ich Literaturwissenschaften studieren will. Mit 18 habe ich ein freiwilliges ökologisches Jahr auf einem Bauernhof in Frankreich gemacht. Auf einmal kam mir die Literaturwissenschaft so sinnlos vor. Ich wollte etwas Praktisches machen. Etwas, das die Welt besser macht. Deshalb bin ich nach Witzenhausen in Hessen gegangen und habe dort ökologische Landwirtschaft studiert.
Obwohl ich die Inhalte spannend fand, war das nicht das Studium, das ich mir gewünscht hätte. Heute weiß ich, dass ich wahrscheinlich nur das Grundstudium und die damit einhergehende Auswendiglernerei hätte überstehen müssen. Aber damals kam es mir so stumpf vor, einfach nur Zahlen und Tabellen herunterzurattern.
Nach einem Jahr habe ich das Studium abgebrochen und bin nach München gegangen, um Literaturwissenschaft zu studieren. Es war eine Umstellung von Witzenhausen nach München zu ziehen, aber das Studium hat mir super viel Spaß gemacht. So viel Spaß, dass ich für meinen Bachelor und Master 13 Semester verbracht habe. Aber immer wieder habe ich mich gefragt, ob ich jetzt nicht „zu lang“ studiere.
„Keine*r meiner Kolleg*innen hat übrigens eine ganz glatte Bildungsbiografie“
Was mir dann am meisten gegen den selbst auferlegten Stress und die Angst vor dem Klischee der „Langzeit-Studierenden“ geholfen hat: immer einen Plan B zu haben. Man sollte wissen, was man macht, wenn das Studium am Ende tatsächlich nirgendwo hinführt. Bei mir war der Plan B eine Ausbildung in der Landwirtschaft. Dadurchbin ich nie an der Frage verzweifelt, was ich später mal ohne Studienabschluss mache. Der Plan B imprägnierte mich gegen diese Angst.
Eigentlich wollte ich nach der Masterarbeit freiberuflich als Lektorin arbeiten. Über den Mailverteiler meines Stipendiums habe ich dann eine Ausschreibung für eine Stelle als Programmreferentin in der Erwachsenenbildung gefunden. Dort arbeite ich heute und es macht mir unglaublich viel Spaß. Ich habe gelernt, dass es nicht immer der naheliegendste Job sein muss. Man sollte sich links und rechts umschauen. Hätte ich die E-Mail damals einfach weggeklickt, dann hätte ich die Ausschreibung für den Job, der perfekt zu mir passt, gar nicht gesehen. Keine*r meiner Kolleg*innen hat übrigens eine ganz glatte Bildungsbiografie. Ich musste mich nie dafür rechtfertigen, dass ich länger studiert habe.
Ein langes Studium wird immer noch stigmatisiert, weil es einen einzigen Plan gibt, der für alle gelten soll. Sechs Semester Bachelor und vier Semester Master. Das ist konträr zu dem, wie ich das Studium erlebt habe: Es bietet einem so viele Möglichkeiten, die jede*r anders für sich nutzt. Wenn der Studiengang nicht zu einem passt, sollte man ihn wechseln - auch wenn das bedeutet, dass man insgesamt länger studiert. Und wenn es einem an der Uni gefällt, dann sollte man aus dieser Zeit alles mitnehmen, was irgendwie geht.
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