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Warum man seinen Freunden nicht in ihre Beziehung reinreden sollte
Irgendwie war die X auch schon mal entspannter. Jetzt wirkt sie immer so angestrengt. Schaut dauernd aufs Handy und so. Und der Y, der hat sich doch sonst mit jedem gut verstanden. Aber seit einiger Zeit ist er viel unleidlicher als früher.
Wenn man die X und den Y fragt, was mit ihnen los ist, dann sagen sie so was wie: „Stress im Studium“ oder „Ärger in der Arbeit“. Dass es Oma nicht gut geht oder das „einfach nur so eine Phase“ sei. Aber wer die X oder den Y gut kennt, der merkt, wenn das nicht stimmt. Und ahnt, was der wahre Grund ist: Dass sie in einer Beziehung stecken, die ihnen nicht guttut. Xs Freund ist nämlich sehr besitzergreifend und will, dass sie sich dauernd meldet. Das setzt sie unter Druck. Und Ys Freund macht eigentlich gar nichts Spezielles, aber er macht Y eben auch nicht glücklich und Y versauertopft mit ihm ganz einfach.
Freunde merken so was. Da muss gar nichts Großes vorgefallen sein. Es geht dabei meistens nicht um seelische oder körperliche Gewalt (bei der man natürlich eingreifen muss), sondern einfach nur um: Ein Mensch ist mit einem anderen Menschen zusammen, der einfach nicht oder nicht mehr zu ihm passt. Er ist darum nicht glücklich. Hat öfter schlechte Laune. Ist lethargisch und passiv geworden. Und Freunde – vor allem solche, die diesen Menschen schon vor dieser Beziehung kannten und darum ganz genau wissen, was sich verändert hat, was verloren gegangen ist – fragen sich: Sag ich da jetzt was? Soll ich ihn mal drauf hinweisen? Soll ich ihr raten, sich zu trennen?
Vieles spricht dafür, dass man sich einmischt: die Freundschaft an sich. Die Sorge um den anderen. Dass man nur das Beste für seine Freunde will. Dass man sich wünscht, dass es ihnen gut geht. Aber es sprechen auch einige Gründe dagegen. Mehr als dafür. Oder zumindest gewichtigere.
Denn Beziehungen sind zunächst mal unbedingt Privatsache. Wie ein Bankkonto oder der Browserverlauf. Sensible Daten eben. Man muss selbst eintscheiden können, wem man da was zeigt. Einfach ungefragt reinzuschauen ist gegen die Regeln. Es würde vom anderen zu recht als übergriffig empfunden.
Eine miese Beziehung ist wie eine Sucht, von der man nicht loskommt
Wichtiger ist aber: So eine Beziehung macht einen großen Teil eines Lebens aus. Sie gehört zum aktuellen Lebenskonzept dazu. Sie zu kritisieren, das bedeutet, Entscheidungen zu kritisieren, die jemand für sich selbst getroffen hat – und die auch noch hauptsächlich auf Grundlage seiner Gefühle. Wenn jemand sagt: „Ich glaube, deine Beziehung ist nicht gut für dich“, schwingt da also auch immer ein sehr grundlegendes Urteil mit. So etwas wie „Du weißt nicht, was gut für dich ist“ oder „Deine Gefühle sind falsch“.
Freunden so etwas zu suggerieren, ist überheblich. Weil man zunächst mal davon ausgehen sollte, dass jeder Mensch selbst weiß, was gut für ihn ist. Ansonsten spricht man ihm ja ab, ein autonomes Wesen zu sein. Und: Gefühle können nicht falsch sein. Nur das Verhalten, das man auf Basis dieser Gefühle an den Tag legt.
Der Vergleich ist etwas gewagt, aber man könnte sagen: In einer miesen Beziehung festzustecken, ist wie süchtig zu sein. Eine Beziehung macht schließlich auch auf einigen Ebenen abhängig. Man hat Angst, sie zu beenden, weil man fürchtet, den anderen zu verletzten oder wohl eher noch: selbst zu leiden. Aber vor allem fürchtet man die Leere. Das, was danach kommt. Wer eine Trennung überwinden muss, hat Entzugserscheinungen. Da ist ein Loch, wo vorher etwas war. Und auch, wenn es vielleicht gar nicht so besonders gut war, war es besser als Leere. Es war leichter zu ertragen und es hat davon abgelenkt, dass es überhaupt Leere gibt.
Bei einer Sucht gilt aber die Regel: Nur, wer freiwillig in Therapie geht, ist wirklich therapierbar. Er muss den Nullpunkt selbst finden und erkennen. Man kann niemandem sagen: „Hör auf zu kiffen“ oder „Mach eine Therapie“. Das kann er sich nur selbst sagen. Nur dann funktioniert es. Und genauso kann man niemandem sagen: „Mach Schluss!“ Das würde den Menschen, der sowieso schon unter Druck steht, nur noch mehr unter Druck setzen. Denn jemanden, dem es emotional sowieso schon schlecht geht, treffen solche Urteile von außen ja besonders hart. Weil zu allem Elend dann auch noch das Gefühl dazukommt, alles falsch gemacht zu haben und von den eigenen Freunden verurteilt zu werden.
Was man allerdings machen kann: Jemanden dabei helfen, selbst drauf zu kommen, dass irgendwas nicht gut ist. Jeder hat jederzeit das Recht, einem Freund oder einer Freundin zu sagen: „Ich mache mir Sorgen um dich.“ Zu fragen: „Geht es dir gut?“ Zu sagen, dass man das Gefühl hat, dass der andere unglücklich ist. In einer guten Freundschaft – und wenn man mit seiner Vermutung recht hat – wird der andere schon irgendwann von selbst sagen, dass irgendwas grade nicht so gut läuft in seiner Beziehung.
Und sobald er es selbst ausgesprochen hat, darf man weiterfragen. In die Beziehung reinschauen. Und dann auch was dazu sagen.