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Die Supermarktkasse ist mein Endgegner

Illustration: Daniela Rudolf

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Lebensaufgabe Sozialkompetenz! So wichtig wie Wasser und Brot, so kompliziert wie eine Operation am offenen Herzen. In der Serie „Hilfe, Menschen!“ berichten wir ab sofort von unseren Sozialphobien. Heute: Wenn's an der Kasse pressiert.

Einkaufen halte ich eigentlich für eine wunderschöne Beschäftigung. Noch lieber als Kleidung, Bücher oder Kosmetik kaufe ich Nahrungsmittel. Was gibt es Besseres, als sich bei so einem richtigen Lustkauf mit Essen einzudecken? Doch so sehr ich den Gang durch den Supermarkt auch genieße, so sehr hasse ich den Moment, wenn ich an der Kasse stehe.

Eigentlich fängt mein persönliches Drama schon damit an, dass ich nie einen Einkaufswagen benutze. „Für die drei Teile brauche ich nun wirklich keinen“, denke ich. Spätestens nach dem vierten Gang ist mir klar: doch. Während meine linke Handinnenfläche, durch die Tiefkühl-Mozarella-Sticks langsam taub wird, drückt sich der Trageriemen des Sixpack Eistee so tief in meine Haut, dass ein Finger schon leicht bläulich ist. Ganz oben auf dem Lebensmittelturm, den ich mit aller Gewalt fest an meine Brust drücke, schwankt bedenklich ein Becher Sahne.

Aber wenn ich schon mal hier bin, kann ich auch noch schnell eine Milch mitnehmen. Vorsichtig angle ich mit dem Zeigefinger ein Tetrapack aus dem Regal. Und ja, ich habe natürlich einen Jutebeutel dabei – aber wenn ich da jetzt was von meiner Waren-Masse reinpacke, denkt hier sicher jemand, dass ich klaue. Also lieber schnell Endspurt zur Kasse. Auf meinem Weg stolpere ich in Gang sechs fast über einen Trethocker.

Für einen kurzen Moment fühle ich mich wie in einem Western

Mit einer einzigen Armbewegung lade ich meinen gesamten Einkauf auf dem Kassenband ab. Kurz bin ich erleichtert, doch „Biep, Biep, Ka-Ching“ kündigt die Kasse meine große, noch bevorstehende Challenge an. Mit einem mürrischen „Hallo“ signalisiert mir die Kassiererin, dass es gleich losgeht. Für einen kurzen Moment fühle ich mich wie in einem Western – angespannte Stille, ein prüfender Blick auf den Gegner, dann zieht jeder seine Waffe. Sie den Scanner, ich den Jutebeutel. Fehlt eigentlich nur noch, dass ein paar verdorrte Büsche durch den Supermarkt wehen und sie über Lautsprecher das „The good, the bad, the ugly“-Theme spielen. 

In Lichtgeschwindigkeit beginnt die Kassiererin damit, meine Einkäufe über den Scanner zu ziehen. Es ist, als könnte sie fühlen, an welcher Stelle der Barcode klebt. Die Artikelnummern von Obst und Gemüse kann sie scheinbar auswendig wie andere ihre Handy-Pin. Obwohl noch immer neue Lebensmittel auf dem Band angelaufen kommen, türmen sich auf der Plattform am Ende der Kasse schon jede Menge meiner Einkäufe. „Das wird eng“, stelle ich mit Blick in meinen Beutel fest und komme langsam ins Schwitzen. Als sich beim Einräumen dann noch eine Packung Käse quer legt und den Henkel der Tasche mit ins Innere zieht, bin ich völlig aus dem Konzept. Doch der Scanner piept gnadenlos weiter. 

 

„Dann geben Sie mir 30,85 Euro, dann gebe ich ihnen die Wurzel aus Drölf wieder raus“

Gibt es ein Gesetz, das vorschreibt, dass Kassierer immer drei Artikel in der Zeit scannen müssen, in der der Kunde es schafft, ein Teil einzupacken? Während ich anfangs noch „sensible“ Lebensmittel wie Eier und Sahne beiseite gelegt habe, schmeiße ich mittlerweile alles wahllos in meine Tasche. „Zweiundzwanzigdreiundvierzich!,“ zischt die Kassiererin mich an und ihre Hände schnellen auf die geschlossene Kasse, als würde sie dort gleich den Hot Button drücken. Ich versuche tiefenentspannt zu klingen, doch in Wahrheit möchte ich mit tränenerstickter Stimme schluchzen: „Ja, gleich. Sehen Sie nicht, dass ich noch beschäftigt bin? “

Als ich in meinen Geldbeutel greife, streift mein Blick kurz die Wartenden in der Schlange. Hat die Frau da gerade ihre Augen verdreht? Der Typ vor ihr hüpft auch schon so ungeduldig von einem Bein aufs andere. Bestimmt verpasst der jetzt wegen mir seine Straßenbahn. Während die letzte Zitrone hinunter zu meinen Lebensmitteln kullert, sagt die Kassiererin: „Ham Sie was klein?“ Okay, das ist wirklich der absolute Worst Case. Gleich kommt sie mir mit diesem: „Dann geben Sie mir 30,85 Euro, dann gebe ich Ihnen die Wurzel aus Drölf wieder raus.“ Diese „Passend-geben-Deals“ an der Kasse habe ich schon früher beim Einkaufen mit meiner Mutter bewundert, aber nie wirklich verstanden. Matheschwäche wurde bei mir nur deshalb nie diagnostiziert, weil ich niemals darauf getestet wurde. „Leider nein“, lüge ich schnell, denn eigentlich habe ich in meiner Börse fast so viel Kleingeld wie sie in ihren Kassenfächern. Doch für Kopfrechnen oder Kleingeldzählen habe ich nun wirklich keine Zeit. 

 

Ich muss Zeit gewinnen

 

Denn neben der Kasse liegen noch rund 40 Prozent meines Einkaufs – und ein Beutel, dessen Inhalt so übel sortiert ist, dass er bei Tetris niemals das zweite Level erreichen würde. Ich muss Zeit gewinnen. „Mit Karte bitte“, lächle ich die Kassiererin deshalb an. Pow! Karte rein, Gerät muss Karte erkennen, Gerät will Pin, Gerät muss Pin verarbeiten, Gerät rechnet ab, Karte bitte entnehmen. Das sind mindestens 30 zusätzliche Sekunden. Und was kann ich denn bitte dafür, dass das EC-Gerät so langsam ist? Nichts. Doch schon flattert der Kassenzettel in meine Richtung und die ältere Dame rammt mir von hinten ihren Einkaufswagen in die Waden. Sekunden später rollt ihre grobe Leberwurst auf die Plattform hinunter. Nichts wie weg! Eilig lade ich mir meine letzten Lebensmittel auf und humple davon.

 

„Ist doch klar, diese Plattformen sind nur deshalb so kurz, weil die dich raus haben wollen, sobald du bezahlt hast“, sagte ein Freund, als ich ihm von meinem Dilemma erzähle. Das glaube ich gerne. Aber sehr hilfreich ist diese Info auch nicht. Im Grunde erhöht sie meinen inneren Druck nur noch. Nach fast jedem Einkauf schleppe ich mich noch einmal zu dem Tisch, an dem man leere Batterien entsorgen kann. Ich nutze ihn jedoch ausschließlich, um meine schlimmsten Einpackfehler nachträglich zu korrigieren. Mit übervollem Jutebeutel, einem Netz Kartoffeln, dessen Schlaufe mein Handgelenk abschnürt, einem Sixpack und diversen Kleinteilen verlasse ich den Supermarkt und nehme mir vor, mir das nächste Mal vielleicht doch einen Einkaufswagen zu holen. 

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