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„Ich habe extra deutsche Vokabeln gelernt – dann sprach der Manager Bairisch“

Foto: Prajwal Veeresha Sajjan / Bearbeitung: SZ Jetzt

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Manideep Allu, 24, kam vor zwei Jahren nach Deutschland, um einen Master in  „Chemical and Energy Engineering“ zu machen. Zwischen seiner Heimat in Südindien, Andhra Pradesh, und seiner Studienstadt liegen etwa 6674 Kilometer und unzählige kulturelle Unterschiede: „In Indien gibt es alle paar Wochen bunte Straßenzüge. In Deutschland gibt es nur das Bierfest im Oktober“, sagt er SZ Jetzt beispielsweise im Gespräch. Wird er trotzdem bleiben wollen?

Manideep ist eine der Fachkräfte, die Deutschland so dringend braucht. In der Serie „Ankommen“ begleiten wir Manideeps Alltag in Deutschland und wollen an seinem Beispiel erleben, wie gut Integration hierzulande gelingt. In Folge 1 erzählt er von seiner Suche nach einem Praktikum und einer Wohnung:

„Ingenieure aus Deutschland sind hoch angesehen, dachte ich. Deshalb bin ich im September 2021 zum Studieren nach Magdeburg gekommen – für eine bessere Zukunft. Deutsche Freunde habe ich bisher keine, obwohl ich seit zwei Jahren hier wohne. In Indien ist Alkoholtrinken nicht so wichtig. Hier muss man das, wenn man mit Deutschen sprechen will.

Ich spreche stattdessen noch viel mit meinen Eltern – die übrigens ziemlich stolz auf mich sind, auch wenn sie es nicht sagen. Familie ist für mich das Wichtigste. Wir telefonieren jeden Tag, morgens. Wegen der Zeitverschiebung von vier Stunden und 30 Minuten schaffen wir es zu keiner anderen Zeit. Seit vier Monaten sitze ich während des Telefonats nicht mehr auf meinem Balkon in Magdeburg, sondern in Braunschweig. Dort bin ich für mein Praktikum hingezogen.

„Ich höre immer wieder, dass hier viele Arbeitskräfte fehlen. Aber gemerkt habe ich davon bisher nichts“

Aktuell kann ich mir kaum vorstellen, dass Deutschland meine Heimat wird. Obwohl ich immer wieder höre, dass hier viele Arbeitskräfte fehlen. Aber gemerkt habe ich davon bisher nichts. Auch bei meiner Suche nach einem Praktikum nicht. Mehr als 50 Bewerbungen habe ich deutschlandweit verschickt. Geantwortet haben mir vier.  

Das verstehe ich nicht. Deshalb freue ich mich, dass ich SZ Jetzt regelmäßig erzählen kann, wie es mir geht und was in meinem Leben passiert. Deutsch-Indischer Austausch – damit ihr wisst, wie es sich für mich anfühlt, hier anzukommen. Und vielleicht auch wieder zu gehen. Oder zu bleiben?

Bei der Praktikumssuche war übrigens auch die Sprache ein Problem. Von meinen 50 Bewerbungen habe ich die ersten fünf auf Englisch geschrieben. Niemand hat geantwortet. Als ich meine Unterlagen dann auf Deutsch übersetzt habe, bekam ich vier Einladungen. 

Eines der Auswahlgespräche war überraschend auf Deutsch, aber mir haben die Vokabeln für dieses Geschäftsfeld gefehlt  – deshalb konnte ich kaum sprechen. Da bekam ich eine Absage. Bei einem anderen habe ich vorher gefragt, ob es auf Deutsch stattfindet – ‚Natürlich auf Deutsch!‘, war die Antwort. Also habe ich extra deutsche Vokabeln gelernt und mich vorbereitet: auf alle möglichen Fragen. Als das Interview losging, sprach der Manager plötzlich Bairisch. Ich habe die ersten fünf Minuten nichts verstanden. Erst als ich mich getraut habe zu fragen: ‚Können Sie normales Deutsch sprechen? Ich verstehe Bairisch nicht.‘ Dann wurde es besser. Die Stelle habe ich nicht bekommen. 

Mein letztes Vorstellungsgespräch war bei dem Unternehmen, bei dem ich jetzt arbeite. Das ist ein Autozulieferer, der das Innenleben von Autos, zum Beispiel die Verkleidung von Schiebetüren, herstellt. Innenraumsystem, heißt das auf Deutsch. Am Telefon hat die Frau, die mir die Zusage gegeben hat, Deutsch gesprochen. Ich habe es nicht verstanden. Als sie mir dann auf Englisch sagte, dass ich die Stelle bekommen habe, war ich schockiert. Also positiv schockiert. Das ist mein erster Job. Meine erste Arbeitserfahrung. Ich bin total stolz. 

Die Miete in Braunschweig fand ich erst total teuer, aber anscheinend ist das normal

Nur dann kam die Wohnungssuche: Auf allen Plattformen, die es gibt, habe ich gesucht. Wirklich auf jeder App, die in Deutschland existiert: Facebook, WG-Gesucht, Immoscout, Ebay. Kaum jemand hat mir geantwortet. Und ich hatte nur zehn Tage Zeit, um meinen Umzug zu organisieren. Zum Glück habe ich doch etwas Möbliertes gefunden und zahle 460 Euro im Monat. Im Vergleich zu meinem Studentenzimmer in Magdeburg für 290 Euro fand ich das erst total teuer, aber anscheinend ist das normal.

Ich wohne zusammen mit einem Deutschen und einem Chinesen. Der Deutsche ist ein guter Typ, aber so gut wie unsichtbar. Nur in der Küche grüßen wir uns mal. Mit dem Chinesen war ich schon ein paar Mal Essen, er ist ein guter Freund. Es gefällt mir in Braunschweig viel besser als Magdeburg. Viel, viel besser, weil es so viele junge Leute gibt. Auch die Cafés und Restaurants gefallen mir besser. Deshalb gehe ich alle paar Wochen Freitagabends alleine aus. Jedes Mal in eine andere Bar, und jedes Mal treffe ich neue Menschen. Einfach zufällig. Ich habe aber noch nie mit jemandem Nummern ausgetauscht. Bier trinke ich inzwischen natürlich auch, das ist typisch Deutsch. Wenn ich ehrlich bin, trinke ich aber Bier, weil Whiskey so teuer ist. Wenn ich Freunde treffe, und wir nicht in eine Bar gehen, kaufen wir eine Flasche Whiskey.

Aktuell gehe ich nicht in Bars, weil Prüfungen anstehen. Ich lerne am Wochenende. Ich werde euch erzählen, ob ich dabei erfolgreich war.“

Mein bestes Erlebnis der vergangenen Wochen: ‚In Food we trust‘ – die Online-Gruppe, in der sich Arbeitskollegen zum Essen verabreden. Alle Feinschmecker aus dem Unternehmen sind darin, aus den unterschiedlichsten Abteilungen, Essen verbindet uns. Wenn alle Lust haben, bestellen wir Sushi oder gehen in ein Restaurant. 

Meine neueste Entdeckung:

In Braunschweig gibt es viel zu sehen. Ich nehme einfach meine Kamera mit, streife durch die Straßen – dann poste ich es auf meinem Instagram-Fotoaccount. Zuletzt fotografierte ich zwei Bachata-Tanzende in Aktion. Bachata kommt aus der dominikanischen Republik. 

Mein aktuelles Lieblingswort und warum?

‚Einprägen‘ – vor zwei Wochen habe ich ein hübsches Mädchen gesehen. Ich wollte ihr ein Kompliment machen. Weil mein Deutsch nicht so gut ist, habe ich gegoogelt. Die Übersetzung habe ich ihr gesagt: ‚Du siehst wirklich sehr gut aus. Und ich bin davon einprägen.‘ Eigentlich wollte ich sagen, ich bin fasziniert von dir, meinen Übersetzungsfehler habe ich erst später bemerkt. Ich glaube, das war der Grund, warum sie gelacht hat und weggelaufen ist – wie peinlich. Jetzt werde ich das Wort ‚einprägen‘ nie mehr vergessen.“

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