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Mommy-Kolumne Folge 22: Wie Kinder Freundschaften verändern
In dieser Kolumne geht es um Schwangerschaft und Eltern-Sein, um die Hürden, das Glück, die Mythen rund ums Thema Baby. Unsere Autorin ist Mutter einer dreijährigen und einer einjährigen Tochter. Folge 22: Wie Kinder die Freundschaften verändern.
Seit ich Mutter bin, kann ich meine Freunde und Freundinnen in drei Kategorien unterteilen: die ohne Kinder, die mit Kindern und die, mit denen ich durch oder wegen der Kinder befreundet bin. Die letzte Gruppe sind die organischen Kontakte, die entstehen, weil die Kinder im selben Alter sind und man sich bei Playdates gut über die aktuellen Freuden und Struggles des Elternseins austauschen kann. Kinder zu haben verbindet. Aus diesen Zweckkontakten können sogar nachhaltige Freundschaften entstehen, die vielleicht auch halten, wenn die Kinder längst aus dem Haus sind.
Mit Freund:innen, die ebenfalls Kinder haben, hat man den größten „Common Ground“. Dabei müssen die Kinder gar nicht im gleichen Alter sein oder etwas miteinander zu tun haben. Es verbindet einfach, Eltern zu sein. Eine der wenigen Freund:innen, die ich so schon nannte, bevor wir beide Mütter wurden, ist meine beste Freundin. Mit ihr wartete ich in der Schlange vor dem Berliner Club Berghain, nun stehen wir vor dem neu eröffneten Indoor-Spielplatz an. Wenn wir telefonieren, geht es auch um die Kinder, aber nicht nur. Und wenn eine von uns mal tagelang nicht auf Nachrichten antwortet, dann nimmt es ihr die andere nicht übel. Da braucht es keine Erklärung oder Entschuldigung. Man kennt ja den Struggle der anderen, wenn es um Zeit und mentale Kapazität in einigen Phasen der Elternschaft geht.
Viel schwieriger hingegen ist der Umgang mit Freunden und Freundinnen, die keine Kinder haben. Nicht, weil sie als Menschen schwierig wären, sondern weil die Freundschaft aktive Pflege, ja richtiges Engagement, erfordert – und zwar von beiden Seiten. Denn ein Kind zu bekommen verändert die Beziehung zu fast allem und jedem. Auch zu Freund:innen, die zuvor die wichtigsten Menschen im Leben waren. Auf einmal sind die Kapazitäten, die man in die Pflege von Freundschaften stecken kann, kaum noch vorhanden. Babys und Kleinkinder nehmen ihre Eltern komplett ein, da bleibt an manchen Tagen weder Zeit noch Energie für andere Menschen übrig. Und selbst, wenn die Kinder größer werden, sind spontane Partynächte oder kurzfristige Wochenendtrips einfach nicht drin. Absolut alles muss im Voraus geplant und die Betreuung gut abgesprochen werden.
Die Leichtigkeit von früher verschwindet manchmal einfach
Auch alltägliche Verabredungen wie in Bars oder zum Sport kann man als Eltern kaum einhalten. Schon in der Schwangerschaft brachen diese zwei Freizeitaktivitäten bei mir ein, der Kontakt zu den dort gewonnenen kinderlosen Freund:innen wurde bestenfalls sporadisch. Zu einigen Freund:innen aus der Zeit vor den Kindern habe ich heute gar keinen Kontakt mehr, ohne, dass es je zu einem konkreten Bruch gekommen wäre. Die Freundschaft schlich sich einfach aus. Denn nicht nur die fehlende Zeit für Verabredungen wird zum Problem, sondern auch die Gespräche bei den – dann endlich mal stattfindenden – Treffen. Die Gemeinsamkeiten, auf denen die Freundschaft von zwei Menschen ohne Kinder fußte, sind oftmals einfach verschwunden.
Ich merkte bei Treffen mit Freund:innen, dass die Leichtigkeit weg war, mit der wir uns früher unterhalten konnten. Zwischen dem Schwelgen in Erinnerungen und einem kurzen „Was gibt’s bei dir Neues?” lag nicht mehr viel: Keine neuen gemeinsamen Erlebnisse, nur noch wenig gemeinsame Interessen. Mich beschäftigte mein Beckenboden, die Kitasuche, der Windelinhalt meines Babys. Meine Freund:innen beschäftigte die Planung ihres Auslandsaufenthalts, ihr neuster Crush oder zu welcher Cluberöffnung sie am Wochenende gehen wollten. Nicht, dass mich diese Themen an sich nicht auch interessierten, aber mitsprechen konnte ich nur bedingt.
Trotzdem ist es möglich, Freundschaften, die schon vor einem Kind da waren, zu halten. Dafür braucht es nur etwas mehr Geduld, Empathie – und deutlich mehr Planung als zuvor. Dieses Investment lohnt sich aber. Denn jene Freundschaften, die unabhängig von den Kindern entstanden sind, wahren die eigene Identität abseits des Elternseins – und das tut so gut. Ich hoffe, meine kinderlosen Freund:innen wissen das. Auch wenn das Verhalten von Eltern für Menschen ohne Kinder manchmal schwer nachvollziehbar sein mag. Sie können sich verletzt fühlen durch die wenige Zeit und Aufmerksamkeit, die Eltern auf einmal für ihre Freundschaften zu haben scheinen. Und Eltern können sich zeitweise von ihren kinderlosen Freund:innen missverstanden oder alleingelassen fühlen. Vor allem, wenn sie sich nach einer längeren Phase ohne Zeit für Freund:innen bei ihnen melden und dann auf Abweisung stoßen.
Noch bevor das Kind da ist, sollten werdende Eltern daher realistisches Erwartungsmanagement betreiben. Für sich selbst, aber auch für ihren Freundeskreis wird die Umstellung auf den neuen Alltag mit Kind einfacher, wenn keine Versprechungen im Stil von „Alles wird bleiben wie zuvor“ gemacht werden. Man wird Geburtstage vergessen, Treffen spontan absagen oder ein Kind mitnehmen müssen, das auch die spannendsten Gespräche unterbrechen wird. Es wird Phasen geben, in denen Freund:innen mit Kindern kaum oder gar nicht zu erreichen sind oder nichts zu erzählen haben, das nicht mit ihren Kindern zu tun hat. Das kann nicht nur nerven, sondern auch verletzen – beispielsweise, wenn die Freund:innen selbst einen unerfüllten Kinderwunsch haben. Oder nie einen hatten und sich vielleicht nicht für stundenlangen Baby-Talk begeistern können, sondern schlicht die frühere Freundschaft vermissen.
Hat man keine Kinder und ist mit Eltern befreundet, sollte man sich klarmachen, dass man der anderen Person dennoch wichtig ist – auch wenn es sich leider manchmal nicht so anfühlen mag. Ist man aber nachsichtig miteinander, dann kann eine Freundschaft alles überdauern, sogar den längsten Kita-Virus-Winter. Und man sollte nie vergessen: Es kommt wieder eine Zeit, in der man freitagabends gemeinsam beim Italiener sitzen wird. Ohne übermüdet zu sein oder ein zeitliches Limit durch die Kinderbetreuung daheim.