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Ich bin mit meinem Ex befreundet, und mein Freund hat ein Problem damit

Foto: Tiko Aramyan/Fotolia

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Julian ist mein Exfreund (und heißt eigentlich anders). Wir sind heute befreundet. Gut befreundet. Zusammen sind wir schon lange nicht mehr. So lange, dass es nach ihm andere Partner gab. Den meisten habe ich von meiner Freundschaft zu Julian erzählt. Einer Freundschaft, die für mich selbstverständlich geworden ist, mir aber in späteren Beziehungen immer wieder Schwierigkeiten bereitet hat. Und das völlig unnötig. 

Ein neuer Freund, dem ich von Julian erzählt habe, reagierte verstimmt. Erst sagte er gar nichts. Und als Julian irgendwann schrieb, ob wir Lust hätten, mit auf eine Party zu kommen, meinte er nur: „Dass ich darauf keine Lust habe, ist doch wohl klar.“ 

Ich finde: Das ist überhaupt nicht klar. Julian ist Teil meines Freundeskreises. Und wenn ein neuer Partner ihn von vornherein nicht akzeptiert, bringt er mich dadurch in Schwierigkeiten. Er gibt mir das Gefühl, jedes Zusammentreffen zwanghaft vermeiden zu müssen. Er signalisiert, diese Freundschaft sei falsch. Er macht etwas kompliziert, das ganz einfach sein könnte. 

Wolfgang Schmidbauer ist Psychoanalytiker und arbeitet unter anderem als Paartherapeut. Dass Menschen mit ihren Exfreunden befreundet sind, findet er normal: „Man sagt sich: Wir haben uns zwar getrennt, aber es war etwas Gutes da und das ist nicht verschwunden. Das war mal ein wichtiger Mensch für mich und der ist Teil meines Freundeskreises geblieben.“ 

So habe ich zwar auch gedacht. Mir aber gleichzeitig immer wieder den Kopf darüber zerbrochen, wie ich meinem neuen Partner erzähle, dass Julian ein Kumpel und gleichzeitig mein Exfreund ist. Das wurde zu einer Art vorauseilendem Gehorsam. Ich ärgerte mich über dieses Kopfzerbrechen. Abstellen konnte ich es nicht. Weil ich irgendwann gelernt habe, dass es oft zu Knirschen in der Beziehung führt, wenn der neue Freund weiß, dass ich oft mit einem Typen abhänge, der mal all die Privilegien genoss, die er jetzt hat. Ich habe deshalb immer auf die richtige Situation gewartet und überlegt, wie ich es am besten formuliere. Schließlich habe ich gesagt, meist auf einer Party, wo Julian auch anwesend war: „Wir waren übrigens mal zusammen. Nur damit du Bescheid weißt.“ Dann habe ich gespannt auf die Reaktion gewartet – und mich darüber auch schon wieder geärgert. Denn ich sollte mich nicht fühlen, als hätte ich etwas zu beichten und hoffen, dass mein Partner es mir nicht übel nimmt. Ich habe das Recht, mit meinem Exfreund befreundet zu sein. Ohne dafür eine Genehmigung meines neuen Freundes einzuholen. 

Es geht nicht um irgendeine Affäre – sondern um Menschen, die eine Zeit lang wirklich wichtig waren

Schmidbauer hat mehrere Bücher für und über Paare geschrieben. Eines davon heißt „Coaching in der Liebe“. Darin geht es auch darum, wie man den anderen unterstützen kann, in der Bewältigung seiner Vergangenheit, ohne sich einzumischen. Schmidbauer rät, in einer Beziehung solle jeder Partner seine eigene Vergangenheit verwalten. „Das ist dein altes Leben, das bringst du in die Beziehung ein, dafür bist du zuständig“, sagt er. Genau dieses Vertrauen wünsche ich mir. Ich möchte, dass mein Partner sich in diesem Punkt auf mich verlässt und darauf vertraut, dass ich nichts tue, was für ihn nicht okay ist. 

Dazu gehört auch, zu entscheiden, von wem ich meinem neuen Partner erzähle und von wem nicht. Ich muss nicht jede Affäre aufzählen, mit der ich heute noch befreundet bin. Ich muss nicht auflisten, mit welchem heutigen Bekannten ich in der siebten Klasse gegangen bin. Es geht um die Menschen, die mir eine Zeit lang besonders wichtig waren. Denn die haben mich geprägt und zu dem gemacht, was ich heute bin. „Man lernt einen Menschen besser kennen, wenn man weiß, was er für eine Beziehungsgeschichte hat“, sagt Schmidbauer.

Ich verlange nicht, dass Freund und Exfreund beste Freunde werden. Ich nehme auch keinem Partner übel, wenn er mich lieber nicht auf die Geburtstagsfeier meines Exfreundes begleiten möchte. Aber ich will dort hingegehen können, ohne dass mein Partner mir ein schlechtes Gewissen macht. Und ich möchte sie einander vorstellen, wenn wir uns zufällig auf einer Party begegnen. 

Liebe bedeutet Vertrauen – und nicht Kontrolle 

„Es gibt Menschen, die eine romantische Situation durch Verleugnung herstellen möchten“, sagt Schmidbauer. „Sie tun so, als ob sie nie vorher eine Beziehung gehabt hätten und sagen zum Partner: Du darfst ihn nie sehen und, wenn du ihn zufällig triffst, musst du ihn ignorieren.“ Solche Forderungen findet Schmidbauer respektlos gegenüber der Geschichte des Partners. 

Wenn ein Partner die Freundschaft zu meinem Exfreund nicht akzeptiert, fühlt sich das für mich an, als würde er mir nicht vertrauen. Als müsste er Angst haben, dass ich mich bei der nächsten Gelegenheit wieder an meinen Exfreund ranmache. 

Und weitergedacht heißt das doch auch: Meinem Freund mangelt es an Selbstvertrauen. Er scheut den Vergleich mit dem Exfreund. Obwohl es da gar kein Konkurrenzverhältnis gibt – ich möchte ja gar nicht vergleichen. Julian ist ein Freund geworden und mein Partner ist mein Partner. Und es gibt schließlich gute Gründe, warum ich nicht mehr mit Julian zusammen bin. 

„In einer Beziehung gibt es keinen Ersatz für Mut und Vertrauen“, sagt Schmidbauer. „Das ist immer etwas riskant, da muss man etwas aushalten. Aber wenn man denkt, man müsste es nicht aushalten, wird es noch komplizierter.“ Ich möchte, dass mein Freund es aushält, mich mit meinem Exfreund zu sehen. Ich möchte, dass er es aushält, wenn ich abends mit Julian ein Bier trinken gehe. Denn Liebe bedeutet Vertrauen – und nicht Kontrolle. 

Damit ihr aktueller Freund sich hier nicht öffentlich angegriffen fühlt, möchte unsere Autorin lieber anonym bleiben.

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