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Gegen den „Black Friday“-Wahn hilft nur ein Einkaufszettel

Illustration: Julia Schubert

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Wirst du gerade auch zugeballert mit Mails, in deren Betreff „Schnell! BLACK FRIDAY-Rabattaktionen zu WAHNSINNSPREISEN“ oder ähnliches steht? Freust dich schon auf all die Schnäppchen, ahnst aber, dass ihnen eine traurige Zukunft am Boden deines Kleiderschranks droht? Und willst du dieses Jahr vielleicht gar den Black Friday-Shoppingwahn mit einer etwas nachhaltigeren Lebensführung vereinbaren, weißt aber nicht wie?

Bitteschön, hier kommt eine Geheimwaffe: Ihr Name lautet „Einkaufszettel“. Schon klar, der Einkaufszettel hat ungefähr so viel Sexappeal wie eine Warze auf der Stirn. Wir kennen ihn aus Omas Küche, er strahlt Spießertum, Beschränkung, Kontrollwahn aus – und am Ende vergisst man ihn sowieso immer in der Küche. Der Einkaufszettel ist also ungefähr das Gegenteil davon, wie wir uns einst unser wildes Leben vorgestellt hatten. 

Aber: Der Einkaufszettel ist nun mal die billigste und einfachste Möglichkeit, unserem impulsgesteuerten Gehirn einen Gegenbefehl zu geben. 

Es schmerzt, sich das zu vergegenwärtigen, aber die Profis im Einzelhandel wissen, was für primitive Idioten wir sind – und das nutzen sie. Ist ja auch nachvollziehbar, schließlich wollen sie uns etwas verkaufen. Wenn wir aber völlig unvorbereitet und „ergebnisoffen“ ins Kaufhaus schlendern, sind wir den Tricks der Verkaufspsychologie wehrlos ausgeliefert. Der Einkaufszettel hilft uns dagegen dabei, den Reizen zu widerstehen. Denn er gibt uns eine klare Anleitung, ein Geländer, an dem wir uns festhalten können, um nicht in die Schnäppchen-Untiefen zu stürzen.

Und das gleich aus mehreren Gründen: Es hilft immer, Dinge niederzuschreiben. Egal, ob Vokabeln, To-Do-Listen oder Liebesbriefe. Wer seine Gedanken verschriftlicht, der verinnerlicht sie. Das trainiert nicht nur das Gedächtnis, es hilft uns auch, das Gedankenkuddelmuddel im Hirn zu strukturieren. Dadurch können wir zwischen echten Bedürfnissen und Impulsen unterscheiden. Die Notwendigkeit wird spätestens klar, wenn man einmal hungrig im Supermarkt war: Zuhause holt man einen Berg Chips, Schokolade und Tiefkühlpizza aus dem Rucksack.  Die Milch, wegen der man da war, hat man aber leider vergessen. Und genau sowas passiert eben auch beim Einkaufen außerhalb des Supermarkts. In beiden Fällen braucht es also den Einkaufszettel. Denn was im Supermarkt hilft, ist in einem Sneakerladen oder beim Online-Shopping mindestens genauso wirksam. 

Bevor man sich den Einkaufszettel schreibt, sollte man erst einmal eine Bestandsaufnahme machen. In deren Folge wird man fast immer überrascht feststellen, dass man acht graue Sweatshirts besitzt und dementsprechend getrost auf den Erwerb weiterer grauer Sweatshirts in näherer Zukunft verzichten können wird. 

Es ist in Zeiten wie diesen nicht einfach, ein*e mündige*r Konsument*in zu sein oder zu bleiben

Auf den Einkaufszettel muss man übrigens nicht nur das schreiben, was man wirklich benötigt, sondern auch das, was man gerne hätte. Ist der Einkaufszettel geschrieben, sollte man ihn aber liegen lassen und nach einigen Tagen oder einer Woche noch einmal anschauen. In den allermeisten Fällen wird man feststellen, dass einige der Posten auf dem Zettel nicht nötig sind, weil der Bedarf doch nicht so groß ist, wie vorher angenommen. Den Boxsack „zum Dampf ablassen“ zum Beispiel – weil die Wut schon längst verflogen ist. Oder die neuen Schuhe, weil Schuhcreme die alten am Ende doch wieder aufhübschen konnte. Bei anderen Posten ist der Kaufwunsch zu einem Nichts zusammen geschrumpft. So kann der Zettel immer wieder zusammengekürzt und redigiert werden, bis wirklich nur noch die Dinge auf ihm stehen, die wirklich nötig sind (Socken!) – oder ein echter Wunsch. 

Dabei ist es ziemlich egal, wie genau der Einkaufszettel gestaltet ist, ob er immer wieder neu geschrieben oder in einem einzigen Dokument zusammengefasst wird, ob er auf Papier geschrieben oder im Handy abgespeichert ist – Hauptsache, man findet ihn wieder. Und auch wenn er etwas altbacken und anachronistisch daherkommt, scheint der Einkaufszettel heute nötiger denn je. 

Es ist nämlich in Zeiten wie diesen nicht gerade einfach, ein*e mündige*r Konsument*in zu sein oder zu bleiben: Wir werden auf allen Kanälen bombardiert mit Werbung, schönen Bildchen, interessanten Influencer*innen-Beiträgen. Alle transportieren sie die gleiche Botschaft direkt in unser dopaminsüchtiges Hirn: „Kauf mich, die Schuhe deines Herzens, dann wirst du endlich glücklich!“, „Kauf mich, das Handy deiner Fantasie, und du wirst nie wieder Langeweile verspüren!“

Eigentlich sollten wir wissen, dass keines dieser absurden Versprechen wahr ist. Auch das neueste Telefon und die schönsten Schuhe der Welt werden unser Leben, wenn überhaupt, nur minimal verbessern. Doch unsere Instinkte wollen etwas anderes. Das lässt sich sogar nachmessen. Wenn wir shoppen gehen, reagiert unser Gehirn mit der Ausschüttungen von Dopamin. Wir erleben tatsächlich ein kleines oder größeres High, wenn wir uns entscheiden, einen Gegenstand zu kaufen (vielleicht mit Ausnahme von Klopapier).

Dieses Glücksgefühl ist allerdings alles andere als nachhaltig

Dopamin wird immer dann ausgeschüttet, wenn wir etwas Neues, Spannendes oder Aufregendes erleben. Und wenn wir über unfassbar günstige Rabattaktionen stolpern, werden genau diese Impulse getriggert – der Steinzeit-Jäger in uns wird angefixt und will sofort zuschlagen. 

Weil unser Gehirn dieses Gefühl super findet und gerne mehr davon hätte, finden wir uns immer wieder spätabends nach einem langen Tag vor dem Rechner und füllen die virtuellen Einkaufsläden – oder belohnen uns mit einem kleinen Ausflug in die Geschäfte. Wie bei allen anderen Süchten eben auch. 

Dieses Glücksgefühl ist allerdings alles andere als nachhaltig. In einer Umfrage von Greenpeace kam heraus, dass zwei Drittel der Befragten sich nicht einmal einen Tag lang über ihre Anschaffung freuen konnten, danach war das Glücksgefühl schon wieder weg. Genau das wird dann zum Problem, weil wir das Glücksgefühl immer wieder von Neuem verspüren wollen. 

Wer also den Verheißungen des „Black Friday“ nicht völlig widerstehen kann, sollte sich wenigstens kurz die Mühe machen, aufzuschreiben, was er eigentlich braucht. Und sich dann mit dem Einkaufszettel ins Einkaufsgetümmel stürzen. Das spart Zeit, ist gut für die Umwelt und hilft dabei, unser idiotisches Gehirn ein bisschen auszutricksen. Und wem das alles zu altmodisch ist: Es gibt den Einkaufszettel auch als App.

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