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Gurk macht mit - bei Greenpeace

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Motivation ist ein zartes Pflänzlein. Ein falsches Wort, ein scheeler Blick und die jungen Triebe sind dahin. Zack! Abrasiert und ausradiert mitsamt der Wurzel. Es dauert lange, unendlich lange bis so etwas einmal nachgewachsen ist. Deshalb: Obacht! Kein überstürztes Engagement bei einer wahllos ausgekuckten Öko-Truppe! Latzhosentragende Hippies oder besserwisserische Gutmenschen wären das jähe Ende meines schüchtern erwachenden sozialen Gewissens. Meine zukünftige Sozialspielwiese möchte also mit Bedacht gewählt sein: Keine Ökotanten und keine steifen Idealisten bitteschön. Dafür Aktionen mit Witz und Charme, die im besten Fall sogar echt etwas bringen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

„Besuchen Sie uns doch unverbindlich bei einem unseren regelmäßigen Treffen in unserem Büro“ steht auf der Homepage der Greenpeace Gruppe München. „Unverbindlich“ fand ich gut. Und Greenpeace sowieso. Bärtige Aktivisten die jahrelang auf Urwaldriesen nisten oder mit wackligen Schlauchbooten monströse Walfänger rammen. Die Actionhelden der Naturschutzszene. Als ich meiner Mitbewohnerin erzähle, dass ich zu einem Greenpeacetreffen gehe, meint sie nur „Cool, mit denen bin ich bei MySpace befreundet“. Jetzt sitze ich auf garantiert Tropenholz freien Möbeln in einem Keller in München – Milbertshofen. An der Wand hängen Delphine und Schildkröten aus Tonpapier, am Fenster klebt ein „Atomkraft? Nein Danke!“ Aufkleber. Bis jetzt sind wir zu fünft: Statt muskelschweren Actionhelden gibt es einige engagierte Mitdreißiger und markige Rentner. Einen Bart hat außer mir niemand. Bis jetzt sind wir zu fünft. „Mehr werdens wohl auch nicht“ sagt Michael, „die Ferien“. Seit 8 Jahren ist er schon dabei und damals, im Wendtland, da haben sie ihn mal verhaftet als er mit ein paar anderen eine Bahnstrecke blockierte. „Eigentlich waren die Polizisten sehr nett,“ erzählt er, „eingesperrt haben sie mich aber trotzdem. Die ganze Nacht saß ich dann in so einem Polizeibus. Dabei wollte ich doch eigentlich in ein richtiges Gefängnis!“ Das war vor fünf Jahren. Michael ist jetzt knappe 70. Ich bin beeindruckt. Während ich überlege was Actionhelden eigentlich machen wenn sie in Rente sind, fängt die Vorstellungsrunde an. Weil wir immer noch darauf warten, dass noch ein paar mehr Leute eintrudeln, erzählen die verschiedenen Gruppenleiter mir und einem anderen „Neuen“ was sie in letzter Zeit so gemacht haben: Peter von „Wald und Papier“ hat einen Infostand gegen Gartenmöbel aus Teakholz gemacht, die Gruppe „Energie“ ist diversen Bundestagsabgeordneten mit Klimaschutzforderungen auf den Keks gefallen. Das „Team Plus 50“ hat zusammen mit der „Gen“ Gruppe Restaurants nach genmanipuliertem Öl durchsucht und „Meere“ plant einen Infostand auf dem Streetlife-Festival. Gähn. Damit hatte ich nicht gerechnet. Mir war schon klar, dass wir beim ersten Treffen nicht in den Amazonas fahren um Baumriesen zu streicheln. Aber schnöde Flyer und Protestbriefe gegen Teakholzmöbel und Gen-Öl? In meinem Kopf flackern Gartenmöbelscheiterhaufen, rüstige Rentner ketten sich an Bundestagsabgeordnete und die gewissenlosen Manager der Lebensmittelmultis werden in blubberndem Gen-Öl gar gesotten. Es hatte so gut angefangen, wo bleibt die Action? Nach etwa eineinhalb Stunden verlasse ich desillusioniert und mit einem schlechten Gewissen den Keller. Eigentlich waren alle wahnsinnig nett. Und bestimmt ist alles was sie machen total sinnvoll. Aber leider lässt meine Motivationspflanze bei Infoständen und Protestbriefen ganz bedenklich das Köpfchen hängen. Zu wenig Machen und zu viel Basis. Obwohl ich ganz genau weiß, dass ich nicht wiederkomme sage ich „Bis nächstes Mal vielleicht!“ und winke noch freundlich. Ach, ich bin ein Sensations-Idealist. Hier geht es zur ersten Folge texte/anzeigen/396142 von "Gurk macht mit".

Text: christoph-gurk - Illustration: Katharina Bitzl

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