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"Ich habe nichts gegen Relevanz"

Foto: ProSieben/Claudius Pflug

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jetzt: Klaas, du machst eine Politik-Show zur Wahl, bist aber offensichtlich SPD-Unterstützer und hast mehrfach Wahlwerbung für die Sozialdemokraten gemacht. Ist das nicht ein Problem für deine Glaubwürdigkeit in dieser Sendung?

Klaas Heufer-Umlauf: Das Konzept der Sendung löst das Problem. Es gibt die drei Rollen – den konservativen, den linken und den liberalen Klaas. So komme ich in keinen Konflikt, weil ich nicht als Klaas mit all meiner persönlichen politischen Haltung agiere und deswegen auch niemanden von der Klaas-Position überzeugen muss. Das gibt mir die Freiheit, nicht eine Stunde lang zu erzählen, was ich denke. Es geht nicht darum, dass der Zuschauer am Ende das Gleiche denken soll wie ich.

Was ist dann das Ziel deiner Sendung?

Sie soll darauf hinweisen, dass die Bundestagswahl stattfindet. Sie soll es dem Zuschauer erleichtern, ein politisch-gesellschaftliches Interesse aufzubringen und zu verstehen, was diese Bundestagswahl mit ihm zu tun hat. Ich will keine Wahlempfehlung abgeben. Nur kenntlich machen, was an politischen Ideen da ist. Denn das ist immer die größte erste Hürde: Die Leute müssen erst mal wissen, wer zur Wahl steht und wofür die Kandidaten wiederum stehen. Das muss der Entwicklung einer politischen Haltung vorausgehen.

Existieren der konservative, der linke und der liberale Klaas wirklich?

Nicht so abgegrenzt und ausschließlich. Aber grundsätzlich schon. Ich glaube, vor der Bundestagswahl haben viele Menschen innere Konflikte. Die Leute müssen sich durch Ereignisse in den vergangenen Monaten und Jahren mit Ansprüchen an die Welt und die Politiker auseinandersetzen, die ihnen neu sind. Der Sicherheitsanspruch ist zum Beispiel auch bei vielen liberalen Menschen gewachsen.

"Wenn die Konsequenz aus Angst Gewalt bedeutet, muss niemand dafür Verständnis aufbringen" 

Warum gibt es keinen ganz rechten Klaas in deiner WG? Rechtspopulismus und -extremismus sind grade große Themen.

Deswegen haben wir uns ja auch dazu entschieden, mit Alice Weidel von der AfD zu reden und sie in die Sendung mitaufzunehmen. Aber das muss dann auch reichen.

Politiker sagen oft, man müsse die Ängste und Sorgen der AfD-Wähler und zum Beispiel der Pegida-Anhänger ernst nehmen.

Dass man miteinander spricht und versucht, mit den Wünschen anderer empathisch zu sein, das ist gut. Was man daraus ableitet, ist eine andere Sache. Ich kann akzeptieren, wenn einer Angst hat. Dafür kann er nichts. Wenn er Angst hat, hat er Angst. Ich muss aber nicht zufrieden sein mit der politischen Schlussfolgerung, die er daraus zieht. Wenn die Konsequenz aus Angst Gewalt bedeutet, verbal oder physisch, dann muss niemand dafür Verständnis aufbringen. 

Also Empathie ja, aber nur bis zu einem gewissen Punkt?

Jeder hat ein Recht zu demonstrieren und seine Ängste auszudrücken. Aber es bleibt ja leider oft nicht dabei. Es gibt in Deutschland mehr ausufernde und am Ende auch gesetzwidrige und diskriminierende Auswucherungen, als eine liberale Gesellschaft tolerieren sollte. Einem Rechtsextremen braucht man nicht so viel Verständnis entgegenzubringen, und ich will auch nicht in einer Rolle in der Sendung so tun, denn das würde dessen Gedankengut auch schon in gewisser Weise legitimieren.

Dahinter steckt eine sehr aktuelle Frage: Was ist rechts? Wie erkenne ich Aussagen, die zu weit gehen, und unterscheide sie von dem, was nur konservativ ist?

Das müssen wahrscheinlich immer Einzelfallentscheidungen sein. Die AfD tänzelt ja auf genau dieser Grenze permanent herum. Mal übertritt sie einer, dann wird er wieder eingefangen. Das ist mittlerweile einfach zu durchschauen.

Auch in den vielen bisherigen ProSieben-Politik-Sendungen gab es immer einen Promi aus dem Entertainment-Bereich, der durch Sendung und Politik führt, von Sido über Gentleman bis Stefan Raab. Warum brauchen junge Leute einen Entertainer zur politischen Willensbildung?

Aus demselben Grund, aus dem Iris Berben in Filmen mitspielt: Die Menschen schauen sich eher etwas an, wenn Leute drin vorkommen, die sie kennen. Das ist wie mit einer Geschichte, die dir ein Freund erzählt: Die interessiert dich auch mehr, als wenn dich irgendein Fremder an der Bushaltestelle vollquatscht. Das ist eine ganz einfache Mechanik. Und man braucht ja nicht das Fernseh-Handwerk zu vergessen, nur weil es um Politik geht.

Es gibt trotzdem große Skepsis gegenüber Entertainern, die Politik-Fernsehen machen. Hattest du da keine Bedenken?

Doch, klar. Das ist immer eine große Gefahr. Denn natürlich biete ich eine riesige Angriffsfläche, so eine Sendung ist alles, nur kein Elfmeter. Wenn man will, kann man sicher eine Million Punkte finden, die zu kritisieren sind. Aber man kann die Sendung auch von einem anderen Ausgangspunkt bewerten. Nämlich indem man sagt: Es ist besser, Klaas und ProSieben machen so eine Sendung und interessieren ein paar junge Menschen für die Wahl, als wenn es dort niemand macht. Wir wissen, dass das kein Quotenhit wird, mit dem man der Konkurrenz den Rang abläuft. Dafür ist es nicht gedacht. Aber wenn danach fünf Leute mehr zur Wahl gehen, ist das schon mal nicht schlecht.

"Ich habe keine Minderwertigkeitskomplexe, weil ich Unterhaltungsfernsehen mache" 

Also machst du die Sendung aus Pflichtgefühl gegenüber der Demokratie? Und ist das auch der Grund für dein Engagement bei der SPD?

Das gehört wohl irgendwie zu meinem politischen Bewusstsein: das Gefühl zu haben, die Aufmerksamkeit, die einem entgegengebracht wird, für etwas Sinnvolles nutzen zu müssen. Dass ich mir damit das Leben schwerer mache als nötig, weiß ich. Aber das ist dann eben so.

Prominent sein bedeutet also, dass man sich gesellschaftlich engagieren sollte?

Ja, ich denke schon, dass man mit einer gewissen Bekanntheit was machen sollte. Für mich ist das ja einfach und gleichzeitig in einer schnellen und informationsreichen Welt sehr schwierig: Aufmerksamkeit herzustellen. Das Licht auf etwas zu lenken, das zu sehr im Hintergrund steht. Darum geht’s. Nicht um mich. Ich habe keine Minderwertigkeitskomplexe, weil ich Unterhaltungsfernsehen mache. Das muss nicht immer große Relevanz haben, das darf auch nur lustig und doof sein. Aber ich habe andere Facetten und Dinge, die ich wichtig finde im Leben. Also engagiere ich mich – wenn sich die Gelegenheit ergibt. Ich bin ja nicht vor dem Willy-Brand-Haus aufmarschiert und habe geschrien „Ich habe Zeit“. Aber es gab Ideen, ich habe Bereitschaft signalisiert, manches habe ich gemacht, manches nicht. Ich lasse mich vor keinen Karren spannen. Wenn, dann spanne ich mich selbst davor.

Sind Entertainer wie du, Joko oder zum Beispiel Jan Böhmermann für junge Leute politische Identifikationsfiguren? Vielleicht sogar mehr als die Politiker selbst?

Das würde ich nicht sagen. Aber eine gesellschaftliche Stimmung können sie natürlich vermitteln und beeinflussen. Sie können Dinge einordnen. Und damit vielleicht eine Verbindung schaffen zwischen der komplexen Politikwelt und der Welt des jüngeren Menschen. Manchmal können wir zum Beispiel einen Donald Trump eher in das Licht setzen, in das er gehört, als die Politik das im Tagesgeschäft kann. Der sitzt beim G-20-Gipfel wie jeder andere US-Präsident vor ihm, und Politikern sind die Hände gebunden, die müssen in solchen Momenten diplomatisch sein. Sie müssen es geschehen lassen, dass bestimmte Bilder erzeugt werden, die zwangsläufig vermitteln: Alles ganz normal. Unterhalter können die Absurdität deutlich machen. Es reicht, wenn ich einen Satz twittere: „Donald Trump ist der Präsident der USA.“

Wie entscheidest du, zu welchen politischen Themen du dich öffentlich äußerst?

Das ist Bauchgefühl. Natürlich könnte ich jeden Tag lauter sinnvolle Themen finden, für die ich mich stark machen könnte. Aber wenn es darum geht, sich als Prominenter zu engagieren, ist ein ganz wichtiges Thema Nachhaltigkeit. Habe ich die Zeit und Begeisterung, da dran zu bleiben? Nur mal irgendwo kurz vorbeizuspringen und zu sagen „Super wichtig hier alles, ciao, bis nie wieder“ ist den Leuten gegenüber nicht fair, für die man sich einsetzt. Das ist übrigens auch ein Problem im Wahlkampf: Dass Politiker irgendwo vorbeischneien und ihre Gesprächspartner dabei aber spüren, die werden danach nicht noch mal schauen, wie es in der Kita oder Wurstfabrik so läuft.

"Wir haben ja eigentlich keine Flüchtlingskrise, wie sie immer genannt wird. Wir haben eine Europakrise" 

Es gibt ein Halligalli-Video namens #Mundaufmachen, in dem Joko und du im Sommer 2015 sehr ernste und deutliche Worte an Fremdenfeinde richtet. Am Anfang des Clips sagt ihr, ihr habt lange überlegt, ob es eure Aufgabe ist, euch dazu zu äußern. Wie lief das ab?

Wir haben immer überlegt, wie wir mit Situationen so umgehen können, dass sie in einer Tonalität stattfinden, die zu Halligalli passt. Sehr oft haben wir ernstere Themen dann in einen unterhaltsamen oder satirischen Zusammenhang gestellt. Aber manchmal – und wir fanden, das war hier der Fall – reicht das halt nicht. Ironie kann dazu führen, dass das Ganze nicht greifbar genug wird. Wir hatten den Eindruck, dass ein Witz die Situation verharmlost. Und dann ist es vielleicht besser, den Spaß sein zu lassen und einfach zu sagen, was man denkt. 

Der Erfolg gibt euch recht: Allein auf eurem Youtube-Kanal ist das Video mit 5,5 Millionen Views das zweiterfolgreichste. Wie erklärst du dir das?

Ich habe den Eindruck, viele Leute konnten sich mit dieser ja ziemlich vollumfänglichen Aussage identifizieren und selbst positionieren. Wenn du sowas teilst, ist das ja mehr als ein „Finde ich ganz gut“, das ist ein Klarmachen der eigenen Haltung vor deinem Freundeskreis. Und das finde ich gut: Dass wir damit Leuten ein Statement an die Hand geben konnten, mit dem sie in dieser Flüchtlingskrise und dem darauffolgenden Rechtsruck selbstbewusst Position beziehen konnten.

 

Ein weiterer politischer Viralhit war dein Lob auf Europa in einer NDR-Talkshow, und die Warnung an die junge Generation, das jetzt nicht kaputtgehen zu lassen.

Das fand ich tatsächlich fast erschreckend. Ich habe da keine neuen Gedanken formuliert, sondern eigentlich recht selbstverständliche Dinge über Europa gesagt. Dass die so eine Euphorie auslösen, sollte einem auch ein bisschen Angst machen. Vor fünf Jahren hätte das nicht die Runde gemacht.

Europa ist aber eines deiner politischen Herzensthemen?

Natürlich. Weil ja alles damit zusammenhängt. Wir haben ja eigentlich keine Flüchtlingskrise, wie sie immer genannt wird. Wir haben eine Europakrise. Wir schaffen es als 500 Millionen Menschen starke EU nicht, eine überschaubare Anzahl von Flüchtlingen aufzunehmen und auf menschenwürdige Weise zu behandeln un zu versorgen. Und warum? Weil einige Regierungschefs nicht wollen. Und damit das Potenzial von Europa und der Idee dahinter kaputt machen. Insofern hat die aktuelle Flüchtlingskrise ganz praktisch und menschlich veranschaulicht, wo es hakt: nicht zuallererst an Gesetzen und Institutionen und der Verwaltung der EU. Sondern vor allem am Gefühl für Europa, das offensichtlich nicht da ist. Ohne ein Herz für die europäische Idee zu haben, wird man mit den permanenten, kräftezehrenden Anforderungen der Institution nicht fertig werden.

 

War „Ein Mann, eine Wahl“ ein Test für deine Zukunft? Du musst ja nicht mehr wöchentlich Circus Halligalli machen.

Mal sehen. Dieses spezielle Format kann man nur vor der Wahl machen und das ist abgeschlossen. Aber ich habe nichts gegen Relevanz in meinen Sendungen. Das muss ja nicht gleich ein Politikformat sein, sondern vielleicht nur eine Show, die über den Status Quo unseres gegenwärtigen Lebens was aussagt. Aber ich würde trotzdem gerne auch mal Dwayne „The Rock“ Johnson fragen, welche seine Lieblingsfarbe bei Fidget Spinnern ist.

 

Mehr Klaas und mehr Bundestagswahl:

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