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IDAHOBIT: Fünf queere Doku-Streaming-Tipps auf Netflix, Amazon und Co.
Sperriger Name, wichtiges Anliegen: Gegen Homo- und Biphobie, gegen Inter- und Transphobie erinnert der IDAHOBIT jedes Jahr an den Tag, an dem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschlossen hat, Homosexualität aus ihrem Diagnose-Schlüssel als Krankheit zu streichen. Das war am 17. Mai 1990.
Wenn es darum geht, lieben zu dürfen, wen man liebt oder einfach nur zu sein, wer man ist, stellt die formale Gleichberechtigung zwar die wichtigste Voraussetzung dar, ist aber gleichzeitig nur ein Teil vom großen Ganzen: Im Alltag geht es vor allem um die gesellschaftliche Akzeptanz. Ganz selbstverständlich am Arbeitsplatz von dem*der Partner*in zu erzählen oder sich in der U-Bahn küssen zu können, ohne dafür schräge Blicke oder Schlimmeres zu ernten, beispielsweise. Studien machen deutlich, dass die Gewalt gegenüber queeren Menschen in Deutschland zunimmt. Schwule, Lesben, Bisexuelle, trans und inter Menschen sind immer häufiger Beleidigungen und Angriffen ausgesetzt.
Aktionstage wie der IDAHOBIT und vor allem die mediale Repräsentation sind daher unerlässlich – nicht nur um nicht-queere Menschen an queere Identitäten zu gewöhnen. Sondern auch, um der Community den Rücken zu stärken. Je näher an den vielfältigen Lebensrealitäten von LGBTQI+, desto besser. Hier sind fünf queere Dokus, denen das besonders gut gelingt.
„Visible: LGBTQ on Television“ (2020) auf Apple TV+
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In der fünfteiligen Doku-Reihe geht es genau darum, wie bedeutsam es ist, dass LGBTQI+ Personen im wichtigsten linearen Medium präsent sind: dem Fernsehen. Filmemacher Ryan White zeichnet nach, wie schwer der Weg für Queers hin zur Repräsentation in der US-amerikanischen Fernsehlandschaft war und immer noch ist. Beginnend mit der Nachkriegszeit, als Homosexuelle höchstens als Verbrecher*innen oder Perverse Teil des Fernsehprogramms waren, über das öffentliche Outing der Talk-Show-Moderatorin Ellen DeGeneres als zentrale Zäsur, bis hin zu einer neuen Generation von selbstbewussten queeren Kreativen, die gerade das Gesicht des Fernsehens verändert.
Das Besondere an „Visible“ ist, dass so viele Regisseur*innen, Autor*innen, Produzent*innen und Schauspieler*innen von ihren eigenen Erfahrungen berichten, darunter auch Oprah Winfrey, Ellen DeGeneres, Jennifer Beals („The L Word“), Lena Waithe („Master of None“), Neil Patrick Harris („How I Met Your Mother“) und Laverne Cox („Orange Is the New Black“). Gerade diese Einblicke in ihre persönlichen Geschichten und die gemeinsame Erfahrung, endlich als die Person, die man stolz ist zu sein, gesehen zu werden, machen „Visible“ zu einem informativen und berührenden Doku-Epos.
„Der Kreis” (2014) bei Prime Video
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Ernst Ostertag sieht gut aus, ist gebildet und höflich. Eigentlich der Typ „perfekter Schwiegersohn“ – wäre da nicht seine Homosexualität. Im Zürich der Fünfzigerjahre muss er sein Schwulsein verbergen, um als Lehrer zugelassen zu werden. Außerdem fürchtet er, von seiner Familie verstoßen zu werden, falls sie die Wahrheit erfährt. Dennoch schließt er sich der Schwulenorganisation „Der Kreis“ an, die mit ihren Partys Homosexuelle aus ganz Europa in die Schweiz lockt und regelmäßig ein dreisprachiges Magazin veröffentlicht, das auch über die Ländergrenzen hinaus zahlreiche Abnehmer findet. Als Ernst auf einer dieser Veranstaltungen Travestie-Künstler Röbi Rapp singen hört, ist er sofort fasziniert von seinem Charisma, seinem Selbstbewusstsein.
Regisseur Stefan Haupt inszeniert die Liebesgeschichte der beiden als eine Mischung aus Spiel- und Dokumentarfilm. Immer wieder kommentieren die zum Zeitpunkt der Interviews über 80 Jahre alten Männer die hochwertig nachgedrehten Szenen, erzählen von ihrem Kennenlernen 1956, von erniedrigenden Razzien in Schwulentreffs, aber auch davon, wie sich das Leben innerhalb und außerhalb der Community über die Jahrzehnte veränderte – und von dem Glücksgefühl, als sie 2003 als erstes gleichgeschlechtliches Paar im Kanton Zürich eine Lebenspartnerschaft eingingen. Der Film ist somit sowohl ein Stück Zeitgeschichte als auch eine wunderbar echte Romanze.
„Sidney & Friends“ (2018) auf Prime Video
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Als Sidney sich weigert, Röcke zu tragen und sich mehr für Viehzucht als Hausarbeit zu interessieren beginnt, ist seine Mutter davon überzeugt, dass männliche Dämonen ihn dazu bewegen, ein Mann sein zu wollen. Sidney ist intergeschlechtlich und von seiner Familie als Mädchen erzogen worden. Aber wie so oft stimmt das von den Eltern nach der Geburt einfach beschlossene Geschlecht nicht mit der tatsächlichen Gefühlswelt Sidneys überein.
Nachbar*innen stellen ihm immer wieder nach, gehen auf ihn los und versuchen sogar, ihm die Kleider vom Leib zu reißen. Als selbst seine eigene Familie versucht, ihn zu töten, beschließt Sidney zu fliehen. Weg vom ländlichen Kenia in die Hauptstadt Nairobi. Auch dort lebt er als inter Person am Rande der Gesellschaft und muss von Slum zu Slum ziehen, immer mit der Angst, dass seine Verfolger*innen herausfinden könnten, wo er lebt. Doch in einer trans-Gruppe findet er schließlich emotionalen Halt und echte Freundschaft.
Tristan Aitchison hat die Freundesgruppe über drei Jahre hinweg begleitet und einen sensiblen Dokumentarfilm geschaffen. In Interviews geben Sidney und seine Freund*innen einen einzigartigen Einblick, was es heißt in einer extrem armen und zutiefst abergläubischen Gesellschaft trans oder inter zu sein. Dabei geht es nicht nur um die Anfeindungen und die Gewalt, die ihnen entgegenschlagen – sondern auch um ihre Hoffnungen und Träume.
„Eine geheime Liebe – A secret Love“ (2020) auf Netflix
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Unglaubliche 72 Jahre lang waren Pat Henschel und Terry Donahue ein Paar. Als sich die beiden Frauen Ende der 1940er-Jahre kennenlernen, ist Terry eine kleine Berühmtheit. Sie spielt als „Catcher“ in der „All-American Girls Professionale Baseball League“ und weiß gar nicht, dass es so etwas wie lesbische Liebe überhaupt gibt – bis sie Pat begegnet. Zusammen ziehen sie nach Chicago in ein gemeinsames Haus. Da Homosexualität zu der Zeit noch illegal ist (und es noch lange bleiben wird), geben sie sich gegenüber Fremden stets als Cousinen aus. Erst im Altersheim, als Terrys Parkinson-Erkrankung unaufhaltsam voranschreitet, beschließen sie, endlich zu heiraten. Und selbst dann sorgen sie sich noch darum, was ihre Mitbewohner*innen wohl von ihnen halten könnten.
Ab dem Zeitpunkt ihres späten Coming-outs – damals waren sie bereits länger als sechs Jahrzehnte zusammen – hat sie ihr Großneffe Chris Bolan immer wieder interviewt, bis zu Terrys Tod im Jahr 2019. Mit umfassendem Bildmaterial aus dem Familienalbum taucht der Film ein in ihre Lebensgeschichte, lässt aber auch Familienangehörige und Freund*innen aus der Community, die „zweite Familie“, zu Wort kommen. Die von Ryan Murphy („American Horror Story“, „Glee“) produzierte Dokumentation ist ein überaus persönliches, anrührendes Zeitdokument.
„Silvana – Eine Pop-Love-Story” (2017) bei Vimeo
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Silvana Imam ist die lesbische Ikone Schwedens – aber im deutschen Sprachraum noch weitgehend unbekannt. Zu Unrecht, denn als feministische Punk-Rapperin mit syrisch-litauischen Wurzeln ist sie in vielerlei Hinsicht genau die kompromisslose Symbolfigur, die wir gerade brauchen. In Skandinavien ist sie nicht nur wegen ihrer wütenden Texte gegen patriarchale Strukturen, sondern auch für ihre Kritik am erstarkenden schwedischen Rechtspopulismus bekannt. Ihre Bühnen-Shows werden auch außerhalb der queeren Community als energiegeladene, empowernde Happenings gefeiert.
Die Filmemacherinnen Mika Gustafson, Olivia Kastebring und Christina Tsiobanelis haben Silvana Imam über mehrere Jahre begleitet, und zwar noch bevor sie die ersten Chart-Erfolge feierte. Allerdings erzählt die Dokumentation nicht nur von ihrem künstlerischen Aufstieg – durch Zufall fängt sie auch den Beginn der Liebesgeschichte mit der schwedischen Pop-Sängerin Beatrice Eli ein. Die Momente, in denen die starke Rapperin plötzlich ganz schüchtern wird und der Film ihre verlegenen Annäherungsversuche zeigt, sind umwerfend authentisch. Mittlerweile sind sie das junge, lesbische „power couple“ schlechthin. Nicht nur die Doku, sondern auch Reinhören in ihre komplett unterschiedliche, aber gleichermaßen vor gay pride strotzende Musik lohnt sich.