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Game of Thrones: Die politische Botschaft des Finales
In „Game of Thrones“ wurde intrigiert, geputscht und gemordet. Aber das wenigstens mit intellektuellem Anspruch! Die Fantasy-Geschichte aus dem Pseudo-Mittelalter transportiert nämlich ein überraschend realistisches Politikerlebnis: Charaktere haben verschiedene Interessen, die darauf beruhen, dass sie Unterschiedliches als „richtig“ und „wichtig“ ansehen: das eigene Überleben, das der Familie, Gerechtigkeit, Ehre, Macht, Wohlstand, Reichtum, Liebe.
Die Spannung der Serie war also immer eine politische: Welches Machtmodell, welche Normen, welche Strategien werden sich durchsetzen – wo sind die „Game of Thrones“-Autoren nach acht Staffeln, 73 Folgen und über 4000 Minuten gelandet? Welche politische Botschaft steckt letztlich im Finale von Game of Thrones?
Der König sieht vielleicht nur aus wie der beste Herrscher
Vor allem eines ist klar: Es gibt in Westeros, genauso wenig wie in der echten Welt, nicht die eine richtige Ideologie. Sie alle scheitern: die Idealisten schon als Ned Stark seinen Kopf verlor, die Kapitalisten, als Margery und der Rest der Tyrells in den Händen der religiösen Fanatiker Demut lernten. Die religiösen Fanatiker wurden wiederum von den Hardcore Militär-Realisten Lannisters wortwörtlich gesprengt – und sogar Letztere mussten einsehen, dass es immer jemanden mit einer dickeren Kanone gibt. Dass Diplomatie im Falle einer atomaren Herausforderung, ähhh eines Drachens, vor der eigenen Haustür auch eine Möglichkeit sein könnte.
Das Rad der Familien war immer auch das Rad der Ideologien, oder zumindest eines der Norm- und Wertvorstellungen, mit denen die einzelnen Figuren sozialisiert wurden.
Am Schluss wird die Frage nach dem rechtmäßigen Herrscher und der richtigen Ideologie in alter „Game of Thrones“-Manier einfach aufgegeben. Stattdessen wird gefragt: „Wer sieht aus wie der beste Herrscher – und hat damit die besten Chancen von allen akzeptiert zu werden?“
Die Antwort: Jemand Unbedrohliches, ohne eine eigene politische Agenda, ohne Ideologie. Im besten Sinne ist Bran als „Der Dreiäugige Rabe“ ein Symbol des Einzugs der Aufklärung, ein Philosophenkaiser, ein edler Vorbote der Wissensgesellschaft, ein widerspenstiges Wikipedia. Im schlechtesten Fall ist er ein Strohmann für seinen Rat.
Dadurch, dass die Serie keine wirkliche Entscheidung trifft, sondern den etwas abwesend wirkenden Quasi-Halbgott zum finalen Herrscher macht (so jemanden finden die Westerosi sicher auch kein zweites Mal) ziehen die Autoren den Fantasy-Joker. Und lässt die unterschiedlichen Perspektiven und Ideologien zum Schluss gleichberechtigt nebeneinander stehen, indem er sich für keine entscheidet.
Martin beansprucht nicht, die soziale und politische Komplexität der Got-Welt für den Leser aufzudröseln und eine Lösung zu präsentieren. Er hält fest, dass es nicht die eine objektiv erkennbare Wahrheit gibt, sondern nur verschiedene, gleichberechtigte Lebensrealitäten: Eine erstaunlich radikal liberale Botschaft für eine Geschichte, die sich so stark auf Macht, Gewalt und Unterdrückung konzentriert.
Boss ist, wer lange genug überlebt
Das ist aber nicht alles, das aus dem Serienfinale über den ganz realen Politikbetrieb zu lernen ist. Tatsächlich zeigt GoT Strukturen auf, die sich auch bei uns finden lassen.
Wir können dank des Serienfinales erahnen, was die Politikwissenschaft schon lange vermutet: Es ist schön, Personen zu haben, denen man zutraut, dass sie alles besser machen. Aber eigentlich braucht es mehr: starke Institutionen, die die Gesellschaft formen und die Macht innehalten. Westeros hat fünf oder sechs Könige und Königinnen kommen und gehen gesehen (je nachdem, ob man Daenerys’ Ein-Tag-Herrschaft inkludiert), aber am Ende wurde nur einmal als krönendes Finale eine Mini-Schraube am Regierungssystem gedreht. Sad!
Erst ganz zum Schluss, in einem Moment des absoluten Machtvakuums, entdeckt der schlauste Mann Westeros’ eine Möglichkeit: Wie wäre es positiven Wandel zu erreichen, indem das institutionelle Staatsdesign angepasst wird – anstatt bloß Stellen umzubesetzen? Aber wie ein Kleinkind, das Fahrrad fahren lernt, rollen die Entscheider erst nur im Vorgarten rum, behalten den König (quasi als Bran-Walter Steinmeier) und lachen über die (zugegeben in der Situation) abwegige Idee einer Demokratie.
Dabei ist es zwar progressiv, das altbewährte Modell der Blutliniennachfolge durch eine Art Mini-Wahl auszutauschen. Gleichzeitig hilft das auch nichts – solange die wirklich Herrschenden (der kleine Rat) nur durch eine Art darwinistischen Wer-acht-Staffeln-überlebt-der-gewinnt Selektionsprozess an die Macht kommen.