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Ich bin nicht überzeugt!

Foto: SWR

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Mein erster Gedanke war: „Die ARD versucht es jetzt also auch.” Nach dem Youtuber-Interview mit Angela Merkel vor einer Woche strahlte sie Montagnacht um 23 Uhr die Sendung „Überzeugt uns! Der Politikercheck” aus. Eine Politiksendung für junge Menschen mit Politiker-Gästen, moderiert von Ingo Zamperoni und Ronja von Rönne. Mein erstes Gefühl beim Anschauen dann: Neid. Auf Ronja. Was für eine krasse Möglichkeit, hätte ich auch gern gemacht! Danach folgten: Fassungslosigkeit, Fremdscham und Wut. Dann bin ich eingeschlafen.

Heute, mit einem Tag Abstand, frage ich mich: Liebes Fernsehen, warum tust du dich so schwer damit, eine gute politische Jugendsendung zu produzieren? Du hast das Geld, du hast die (Wo)Manpower, du hast die Reichweite. Woran scheiterst du? 

Dabei war die Gästeauswahl zunächst ganz interessant: Jeweils ein Politiker der im Bundestag vertretenen Parteien, sowie einer von FDP und AfD durften sprechen - also nicht automatisch die üblichen Talkshow-Nasen. Produziert wurde die Sendung von SWR, BR und MDR. Thematisch wurde sich an drei Fragenkomplexen entlang gehangelt: Wie fair ist Deutschland, Wie verändert es sich, und welche Regeln braucht es? Für das Format, die Anzahl der Gäste und die Sendezeit waren das aber eindeutig schon zu viele Themen und Fragen.

Alexander Gauland sollte an diesem Abend das Opfer der Runde werden

Ronja von Rönne debütierte dabei als Moderatorin einer Livesendung. 90 Minuten ohne Erfahrung durchmoderieren - eine starke Aufgabe. Allerdings war sie der Rolle der Moderatorin nicht gewachsen und auch nicht gewillt, richtig in sie einzusteigen. Immer wieder ergriff sie Partei, sagte Dinge wie „Sie sind der Gute” zu Grünen-Politiker Cem Özdemir oder fuhr Alexander Gauland von der AfD mit bissigen Kommentaren wie „Mit Ihnen bin ich schon lange durch!”, an. Der sollte an diesem Abend das Opfer der Runde werden. Mit einer Du-bist-hier-der-Nazi-dich-mögen-wir-nicht-Attitüde legte sie ihm immer wieder Begriffe wie deutsch, völkisch oder national in den Mund. Das ist definitiv nicht die Aufgabe der Moderation. Man merkte, dass Politik nicht ihr Themengebiet ist. Erst recht nicht Politik auf höchstem Niveau mit sechs Berufspolitikern als ihr Gegenüber. Aber sie ist jung! Und hip! Ingo Zamperoni wirkte da aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung mit Live-Übertragungen deutlich souveräner. Gab sich aber auch ungewohnt frech und trug Bart - so wie er es immer tut, wenn er jugendlich sein will (oder soll).

Du kannst mir ruhig mehr Inhalte aus Wahlprogrammen zumuten, ich kann das ertragen

 

Meine Vorstellung der vor dieser Sendung abgelaufenen Redaktionskonferenz ist wie folgt: In einem Raum, in dem überdurchschnittlich viele alte Männer sitzen, wird die Themenliste für die Bundestagswahl besprochen. Ganz am Ende heißt es: „Achja, für die jungen Leute müssen wir auch noch irgendetwas machen…”, gefolgt von einem kollektiven „Puuuuuh…was is’n gerade so hip?”. Und da haben wir es schon. Ihr wisst es nicht, weil es euch auch eigentlich nicht interessiert.

Sinnbildlich dafür war auch die Studioeinrichtung: Ziemlich dunkle Clubatmosphäre, die Zuschauer sitzen auf Barhockern, der Sendungstitel ist im Graffiti-Look auf die nackte Steinwand gesprüht - ziemlich underground eben. So eine Sendung denen zu überlassen, die es interessiert, die selbst jung sind, das ist keine Option. Zu viel Hierarchie, zu starre Strukturen.

Ein weiteres Problem, liebes Fernsehen, ist dein Blick auf die junge Generation. Du denkst, wir sind grundsätzlich eher dumm, desinteressiert und egozentrisch - das war auch der Tenor der gesamten Sendung. Dabei darfst du komplizierte Wörter wie Volatilität ruhig benutzen, ich kann die verstehen! Und wenn ich es nicht verstehe, es mich aber trotzdem interessiert, dann googele ich. Und warum glaubst du eigentlich immer noch, dass die Legalisierung von Cannabis das einzige Thema ist, mit dem man Jugendliche so richtig gut triggern kann? Du kannst mir ruhig mehr Inhalte aus Wahlprogrammen zumuten, ich kann das ertragen!

 

Damit zieht sie das echte Interesse von Menschen wie mir ins Lächerliche

 

Das grundsätzliche Problem von Talkshows, dass keiner den anderen ausreden lässt, wurde am Montagabend auf die Spitze getrieben. Immer wieder schnitten die Moderatoren den Politikern das Wort ab. Als Begründung nannte Ronja von Rönne, dass junge Leute nur eine Aufmerksamkeitsspanne eines Katzenvideos hätten. Haha, wie selbstironisch. Damit zieht sie das echte Interesse von Menschen wie mir ins Lächerliche.

 

Die Fragen der Online-Zuschauer (weil die Sendung ist ja digital und interaktiv) mussten in 15 Sekunden beantwortet werden. Wer länger sprach, wurde weggebuzzert. Von Rönne würgte Gauland mit, „Sie müssen sich auch an die Regeln halten, in diesem Land ist das so!”, ab. Dass 15 Sekunden nicht ausreichen, um die Parteipositionen differenziert darzulegen, und dass der Zuschauer mit mehr Fragen als Antworten zurückgelassen wird, ist egal - denkt an die Aufmerksamkeitsspanne!

 

Dabei hätte ich mir als Fragende so gewünscht, dass sich für die Antwort Zeit genommen wird. Schließlich möchte ich es ja wirklich verstehen. Aber auch hier wieder vermutlich der grundsätzliche Gedanke aus der Redaktionskonferenz: Für jungen Menschen muss alles kurz und schnell sein. Mehr als kleine Häppchen an Informationen traut man uns nicht zu, uns mit unseren Snapchat-Gedächtnissen.

 

Anstatt etwas zu riskieren und mit uns auf Augenhöhe zu sprechen, fütterst du uns mit videoclipartigen Wissensschnipseln

 

Ich konnte somit gut verstehen, dass Jens Spahn von der CDU nachdem er konstant unterbrochen wurde der Kragen platzte: „Entschuldigung, ihr könnt ja hier nicht tausend Themen in 90 Minuten abends um elf pressen. Ich weiß sowieso nicht wer sich diese Sendezeit ausgedacht hat.” Nach der Sendung wetterte er auf Twitter weiter und nannte die Sendung eine „Parodie auf Journalismus”. Zu Recht.

 

Die Sendung hat sehr anschaulich gezeigt, was bei der politischen Bildung und Meinungsbildung junger Menschen noch immer falsch läuft. Du hälst uns für zu doof, um komplexe politische Vorgänge zu verstehen. Anstatt etwas zu riskieren und mit uns auf Augenhöhe zu sprechen, fütterst du uns mit videoclipartigen Wissensschnipseln. Aber weißt du, die, die es eh nicht interessiert werden es nicht gucken, da kannst du das Format noch so hip machen. Und die anderen fühlen sich verarscht. Du bist, liebes Fernsehen, wie so viele vor dir, an dem Anspruch, „Wir müssen die Leute da abholen wo sie sind!”, gescheitert. Wie wäre es, wenn du sie stattdessen dahin bringst, wo du sie haben willst?

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