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Oscar-Gewinnerin Chloé Zhao im Porträt
Um spontan zu sein, brauche es manchmal viel Planung. „Das weiß jeder, der schon mal einen Roadtrip gemacht hat“, sagte Chloé Zhao, 39, vor einiger Zeit in einem Interview. Die Regisseurin ist selbst gerne spontan, zumindest was ihre Arbeit betrifft. Das Drehbuch zu ihrem Film „Nomadland“ änderte sie ständig, bis zum Morgen des letzten Drehtages ging das so. Umso mehr musste ihr Produktionsteam also vorausplanen. Falls Zhao sich mal wieder kurzfristig umentschied, mussten verschiedene Optionen bereitstehen, neue Drehorte, neue Schauspieler*innen, neue Logistik. Diese geplante Art der Spontaneität hat sich nun ausgezahlt.
Denn in der vergangenen Nacht schrieb Chloé Zhao Geschichte: Als erste Woman of Color gewann sie bei den diesjährigen Oscars den Preis für den Besten Film. „Nomadland“ wurde außerdem mit dem Oscar für die beste Regie und die beste Hauptdarstellerin (Frances McDormand) ausgezeichnet. Die Filmemacherin Zhao ist nach Kathryn Bigelow („The Hurt Locker“) im Jahr 2010 die zweite Frau in der Geschichte der Academy Awards, die mit ihrem Film die Haupttrophäe gewinnt. Und nach dem südkoreanischen Regisseur Bong Joon-hoo („Parasite“) die zweite ostasiatische Filmemacher*in. Die chinesische, in den USA lebende Regisseurin Chloé Zhao gewann zuvor auch schon zahlreiche andere Preise für ihren Film „Nomadland“: unter anderem den Goldenen Löwen in Venedig, den Golden Globe und den Independent Spirit Award.
„Nomadland“ erzählt die Geschichte der 60-jährigen Witwe Fern (gespielt von Frances McDormand), die im US-Bundesstaat Nevada lebt. Als ihr Heimatort wirtschaftlich kollabiert, packt sie Hab und Gut ins Auto und fährt durch die USA, als moderne Nomadin eben.
Die Oscars sind in diesem Jahr wirklich diverser geworden
Zhao, die 1982 in Peking geboren wurde und in „Nomadland“ nicht nur Regie geführt, sondern auch das Drehbuch geschrieben hat, wird im Netz als Inspiration und Vorbild für junge ostasiatische Frauen gefeiert, die in Hollywood immer noch unterrepräsentiert sind. Zhao ist Tochter einer Krankenschwester, ihr Vater arbeitete in hoher Position in einem der führenden Stahl-Unternehmen Chinas, die beiden ließen sich scheiden, als Zhao in die weiterführende Schule kam.
Als Jugendliche besuchte sie ein Internat in Großbritannien und machte ihren Highschool-Abschluss später in Los Angeles. 2010 zog sie für das Filmstudium nach New York. Zuvor habe sie immer eine sehr romantische Vorstellung von den Vereinigten Staaten gehabt, sagte sie mal in einem Gespräch mit dem New York Magazine: „Es ist nicht so, wie sie es in den Filmen darstellen.“ Wie das Land wirklich ist, erkundet sie nun in ihren Filmen und Drehbüchern.
Als Kind wollte Zhao Manga-Zeichnerin werden, aber das mit dem Zeichnen klappte nicht so recht, dafür fehlt ihr nach eigenen Angaben das Talent. Geschichten erzählen wollte sie trotzdem, deshalb hat sie sich für die Regie entschieden: „Dafür musst du nicht eine bestimmte Fähigkeit perfekt können, sondern eher eine Art Tausendsassa sein.“ In Interviews beteuert Zhao immer wieder, dass es beim Filmemachen nicht allein um die Person des Regisseurs oder der Regisseurin gehe.
„Filme geben uns die Möglichkeit, miteinander zu lachen, zu weinen, voneinander zu lernen und: Mitgefühl zu empfinden“, sagte Zhao in ihrer Dankesrede nach den Golden Globes. Ebenjenes Mitgefühl sei der Grund, warum sie das Filmemachen liebe.
Die Auszeichnung gibt vielen Menschen Hoffnung, dass sich die Filmbranche endlich ändern und diverser werden könnte. In den vergangenen Jahren wurde immer wieder kritisiert, dass die Oscars vorwiegend an weiße Männer vergeben wurden. In diesem Jahr gingen viele Auszeichnungen an People of Color und an Frauen. Zwei Beispiele sind der Drehbuch-Preis für Emerald Fennell für das Vergewaltigungs-Rachedrama „Promising Young Woman“ und die Nebendarstellerin-Auszeichnung für die Südkoreanerin Youn Yuh-jung („Minari“).
Ähnlich sah es bei den Golden Globes aus: Neben Chloé Zhao wurden noch nie zuvor so viele Frauen in der Kategorie „Regie“ nominiert, erstmals waren es mehr Frauen als Männer – was dafür spricht, dass sich in der Branche allmählich etwas verändert, dass sie allmählich etwas vielfältiger wird. Neben Zhao gehörten zu den weiblichen Nominierten Regina King mit ihrem Debüt „One Night in Miami...“ und Emerald Fennell für „Promising Young Woman“.