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„Wir sind unbequem“: Pflegekräfte über Lage während Coronakrise
Christstollen. Die hat der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am Montag an Pflegekräfte in einem Krankenhaus in Bischofswerda in der Oberlausitz verteilt. Quasi als Belohnung dafür, dass sie derzeit Covid-19-Patient*innen versorgen. Die Zahl der Menschen, die mit dem Coronavirus infiziert sind und sterben, steigt derzeit an: Die deutschen Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut zuletzt 590 Todesfälle innerhalb eines Tages, wie aus den RKI-Zahlen vom Mittwochmorgen hervorgeht. Das ist ein Plus von mehr als 100 Fällen im Vergleich zum bisherigen Höchstwert vom vergangenen Mittwoch. Da waren 487 Tote gemeldet worden.
Viele Pflegekräfte belastet die Situation, sie sind wütend und fassungslos. Immer mehr von ihnen twittern über ihre Arbeit und üben in Interviews oder auf Demonstrationen scharfe Kritik an der Politik. Am Mittwoch trendet dazu der Hashtag #WirSindUnbequem. Pfleger*innen fordern damit einen besseren Lohn sowie humanere Arbeitsbedingungen.
Nicht alle Arbeitgeber*innen finden solche Forderungen gut. So berichtet die Pflegerin Kathrin Hüster, die sich vermehrt kritisch in Interviews geäußert hatte, dass sie deshalb Probleme mit der Geschäftsführung bekommen habe. Als Reaktion darauf startete eine Kollegin, die im Netz als „VollzeitTante“anonym twittert, den Hashtag.
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„Kein Mensch weiß, was wir tun, warum wir notwendig sind“
In einem Blogeintrag zur Aktion auf der Seite „Die Pflege“, ein freier Zusammenschluss von Pflegenden aus allen Bereichen, steht: „War es vor dem März 2020 schon falsch, Pflege zu einem Fach zu erklären, das sich ausschließlich um Alte, Kranke, Gebrechliche, kümmert, so hätte doch spätestens nach dem Schock der ersten Welle klar sein müssen: Jeden kann es treffen. Und dann könnte mein Wohlergehen, ja mein Leben davon abhängen, dass die Pflegeperson an meiner Seite weiß, was sie tut.“ Viel zu wenige Menschen wüssten aber, was Pfleger*innen alles leisten. Auch deswegen werde der Job viel zu wenig gewertschätzt. „Unsere Sichtbarkeit, das Image in der Öffentlichkeit der Pflegeberufe, ist zum Kotzen. Kein Mensch weiß, was wir tun, warum wir notwendig sind“, heißt es weiter.
Daran soll auch diese Aktion etwas ändern. Manche Pflegekräfte berichten unter dem Hashtag von ihrem eigenen Arbeitsalltag, von Überlastung – und dem Unwillen, bis zur Erschöpfung zu arbeiten.
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Dass vor allem diejenigen, die in Krankenhäusern und Arztpraxen an vorderster Front gegen das Virus kämpfen, unterbezahlt und überarbeitet sind, wurde bereits im Frühjahr deutlich. Von den Balkonen wurde geklatscht, Prämien wurden versprochen. Passiert ist dennoch: wenig. Und jetzt also Christstollen. Auf Twitter machen die Pflegekräfte klar, dass sie als systemrelevante Berufsgruppe mehr wollen und brauchen. „Wir lassen uns kein schlechtes Gewissen einreden und opfern uns nicht mehr auf“, schreibt diese Nutzerin.
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Dieser Nutzer berichtet, eine Abmahnung von seinem Chef bekommen zu haben, nachdem er auf die extreme Belastung in seinem Job aufmerksam gemacht hatte.
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Und viele haben keine Lust mehr, für Pressefotos verschiedener Politiker*innen nett zu lächeln und gleichzeitig das Gefühl zu haben, dass niemand wirklich etwas verbessern wolle. Eine Pflegekraft schreibt deshalb: „Wir lassen uns nicht instrumentalisieren. Wir lassen keinen Wahlkampf auf unseren Rücken machen. (...) Wir wollen wirkliche Verbesserungen im Gesundheitswesen.“
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Auf Twitter solidarisieren sich auch viele andere Nutzer*innen mit den Pflegekräften und fordern bessere Arbeitsbedingungen, mehr Geld und eine Anerkennung des Pflegeberufs.
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Ein Nutzer sagt außerdem deutlich: Wer Kritik übt, sollte dafür nicht vom Arbeitgeber bestraft werden.
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Tatsache ist: Gut ausgebildete und kompetente Pflegekräfte sind nicht nur während einer globalen Pandemie wichtig. Gerade dann, also jetzt, aber doch besonders.
soas