- • Startseite
- • Gesundheit
-
•
New York City: Wie sich das Coronavirus auf junge New Yorker auswirkt
New York City ist die bevölkerungsreichste Stadt der USA. Der Bundesstaat New York, in dem sie liegt, führt die Liste mit den meisten Corona-Infizierten weltweit an. Aktuell steht die Metropole still, der Time Square ist menschenleer. Einzig die Krankenhäuser sind voll, zu voll. Es werden Notfall-Kliniken eingerichtet, im Central Park wurde ein provisorisches Krankenhaus aus Zelten aufgebaut. Mitte April sind in der Stadt rund 200 000 Menschen infiziert, mehr als 10 000 gestorben.
Mitte März twitterte der US-amerikanische Präsident Donald Trump noch, dass „Fake News“ alles daran setzen würden, um das Coronavirus „so schlimm wie möglich“ aussehen zu lassen. Eine Woche später relativierte Trump diese Aussage und schrieb auf Twitter plötzlich ganz anders: „Ich hatte das Gefühl, dass dies eine Pandemie sein würde, lange bevor es eine Pandemie genannt wurde.“ Sein unkoordiniertes Krisenmanagement stieß national wie international auf viel Kritik. Donald Trump weist diese jedoch zurück und beschuldigt stattdessen die Weltgesundheitsorganisation (WHO), für die schnelle Ausbreitung des Virus mitverantwortlich zu sein. Daraufhin kündigte er an, dass die USA ihre Zahlungen an die WHO vorerst einstellen werden.
Wir haben mit drei jungen Menschen, die in New York leben, über die aktuelle Situation gesprochen.
„Krankenhäuser und Massengräber werden vorbereitet“
Dejan Poletan, 28, ist deutscher Creative Director und lebt eigentlich in New York City. Nun kehrte er aus Sorge aber nach Deutschland zurück.
„Die vergangenen vier Jahre bin ich immer wieder in die Staaten gependelt, seit September wohne ich fest in New York. Vor zwei Wochen habe ich mich jedoch kurzfristig dazu entschieden, die USA zu verlassen und vorübergehend wieder zu meiner Familie nach Siegen zu ziehen. Ich bin sehr froh, dass ich zurückkommen konnte, hier fühle ich mich sicherer. New Yorker*innen sind immer selbstbewusst und haben eine positive Mentalität. Selbstbewusst waren sie auch die letzten Wochen, als ich noch vor Ort war. Die Menschen waren nicht panisch, sondern verunsichert, haben aber versucht, die Situation so gut wie möglich anzunehmen. Was jedoch in den letzten Tagen dort passiert ist, hat mich schon sehr mitgenommen. Wie Krankenhäuser und Massengräber vorbereitet wurden – New York wirkt plötzlich so verwundbar. So habe ich die Stadt vorher noch nie gesehen.
In Deutschland zeigen die Politiker*innen meiner Meinung nach alle ein sehr gutes Krisenmanagement. Die lauten, plakativen Auftritte von Trump sind hingegen unsouverän. Sie verunsichern eher, als dass sie beruhigen.
Viele meiner Freund*innen und Arbeitskolleg*innen haben die Stadt ebenfalls verlassen, sind zu ihren Familien nach Lateinamerika gefahren. Ich bin als ‚Production and Creative Director‘ in der Mode- und Beautybranche tätig. Im weiß noch, wie wir im Januar bei einer großen Produktion für das Magazin Vogue gescherzt haben: ‚Wenn das Virus nach New York kommt, sind wir allen dran.‘ Die Stadt ist einfach global enorm vernetzt, so multikulturell, da breiten sich Krankheiten einfach rasant aus. Die Scherze sind dann aber von Woche zu Woche weniger geworden. Im Februar hieß es, dass man sich bitte öfter die Hände waschen soll, im März mussten die Make-up-Artist*innen dann Atemschutzmasken tragen. Als anschließend die ersten Shootings abgesagt wurden, wurden die ersten Leute schon entlassen.
Die Modebranche in New York leidet aktuell sehr, bis zum 1. Juni ist vorerst alles abgesagt. Viele Freund*innen von mir haben ihren Job verloren. Wenn ich aktuell mit Leuten vor Ort spreche, merke ich, dass alle ruhiger und nachdenklicher geworden sind.“
„Unsere Jobs und Produktionen wurden jetzt erstmal alle gecancelt“
Katharina Rembi, 32, ist Model und Schauspielerin, sie kommt aus Deutschland, fühlt sich aber als New Yorkerin.
„Ich bin durch die aktuelle Lage mental einfach überwältigt. Es macht mich sehr traurig, wenn ich daran denke, wie vielen New Yorkern es gerade so schlecht geht. Das einzige, was ich nun tun kann, ist für die Gesellschaft zu Hause zu bleiben. Was mir große Sorge bereitet, ist das fragile Gesundheitssystem hier. Eine Nachbarin hatte in den vergangenen Tagen Symptome, die auf das Virus hindeuteten. Ihre Krankenversicherung meinte jedoch, es sei nicht akut genug, also bekam sie keinen Test. Ein anderer Mann aus unserem Wohnhaus konnte dagegen einen Privatarzt bezahlen. Dieser kam nach Hause und testete ihn. Viele meiner Bekannten sind aus der Stadt in die Hamptons geflüchtet. Mein Mann und ich haben uns entschieden, hier zu bleiben. Durch Reisen breitet sich das Virus schließlich noch weiter aus.
Ich wohne seit zwölf Jahren hier. Ich fühle mich als New Yorkerin. Wir sind jetzt in unserer Wohnung in Williamsburg in Brooklyn. Wir fühlen uns privilegiert, leben aktuell von Ersparnissen. Aber natürlich frage ich mich auch, wie es weitergeht, ich bin Model und Schauspielerin, mein Mann ist Regisseur. Unsere Jobs und Produktionen wurden jetzt erstmal alle gecancelt. Mein Mann ist als Freiberufler mal versichert, mal nicht. Ich frage mich, was passiert, wenn er genau in der Übergangszeit krank wird.
Ich bin immer noch in Deutschland krankenversichert und gehe dort auch zu Routineuntersuchungen zum Arzt. Ich bleibe jetzt dennoch hier in New York. Wenn ich jetzt zu meiner Familie nach Göttingen fahre, hätte ich zu große Angst, sie womöglich anzustecken. Ich musste mein Leben hier radikal umstellen, sonst bin ich immer unterwegs: Castings, Auditions, abends Schauspielschule. Jetzt bin ich nur zu Hause, versuche mich auf mich selbst zu fokussieren. Mache Yoga, koche, kümmere mich um ein soziales Projekte in Indonesien. Teilweise arbeite ich auch noch und nehme an Online-Castings teil. Ich hoffe, dass wir als Gesellschaft gestärkt mit guten Veränderungen aus dieser Krise kommen werden.“
„Die Leute haben zum einen Angst vor dem Virus, zum anderen davor, ihre Arbeit zu verlieren“
Melissa Santos, 32, arbeitet als Mental Health Professional an der New York University– Sie hilft Lehrer*innen, Eltern und Sozialarbeiter*innen, besser auf die Probleme der Kinder einzugehen.
„Das Leben in New York City hat sich gefühlt von einer Minute zur anderen geändert. Nur eine Woche bevor COVID-19 zur Pandemie erklärt wurde, ging ich noch zu einer Show auf dem Broadway, das ganze Leben war zum dem Zeitpunkt noch sehr normal.
Ich lebe in Kingsbridge, einem Teil der Bronx. Dort spürt man von der Hektik der Innenstadt zwar auch sonst nicht viel, aber jetzt gerade ist es immer noch viel ruhiger als gewöhnlich. Schulen, Geschäfte, Restaurants, alles hat jetzt geschlossen, mein Arbeitgeber schickte meine Kollegen und mich ins Home-Office.
Ich würde die Situation in NYC angesichts der Anzahl der vielen Covid-19-Fälle in der ganzen Stadt als schwierig beschreiben. Die Leute haben zum einen Angst vor dem Virus, zum anderen davor, ihre Arbeit zu verlieren. Die Änderungen erfolgten sehr schnell und fast über Nacht. Zum Beispiel in der Gastronomie. An einem Tag hatten die Leute dort noch ihre Jobs und am nächsten Tag wurden alle Restaurants von den Behörden angewiesen, weitestgehend zu schließen. Bei vielen Läden kannst du zwar Essen abholen, aber dafür braucht man zum Beispiel auch keine Kellner mehr.
Viele New Yorker haben gespendet, um Hilfsmaßnahmen für die von der Pandemie Betroffenen zu unterstützen. Oder um Ärzte bei der Beschaffung von Schutzausrüstung unterstützen. Das ist nach wie vor eine der größten Herausforderungen für die Beschäftigten im Gesundheitswesen in New York City. Ich hoffe sehr, dass die Regierung mehr Schutzausrüstung bereitstellen kann.
Ein weiterer Aspekt, der sich über Nacht änderte, war der Zugang zu wichtigen Dingen wie Reinigungs- und Desinfektionsmitteln – und das Hamstern von Toilettenpapier. Supermärkte waren anfangs extrem überfüllt. Bis heute ist es zwar immer noch schwierig, einige dieser Artikel zu finden, aber es gibt etwas mehr Ordnung. Supermärkte kontrollieren jetzt den Eingang. Ich habe neulich ungefähr 30 Minuten vor einem gewartet, bevor ich hineingehen durfte. Für mich persönlich ist aber am schwersten, dass ich meine Lieben nicht treffen und umarmen darf.
Trotz all dieser Widrigkeiten erinnert Andrew Cuomo, der Gouverneur des Staates New York, uns New Yorker immer wieder daran, dass wir ‚New York Strong‘ sind. Wir sind Kämpfer und wir werden auch diese Situation überstehen, auch wenn es eine schwierige Zeit ist.
Die Situation hier hätte grundsätzlich besser gehandhabt werden können. Angesichts der gar nicht so geringen Zeit, die wir als Vorbereitung auf die Krise gehabt hätten. Insgesamt denke ich aber, dass Andrew Cuomo, Gouverneur von New York, das Beste tut, was er kann.“