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Wie das Coronavirus unser Sexleben verändert

Illustration: Federico Delfrati

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Social-Distancing, Home-Office, gecancelte Partys: Seit Ausbruch des Coronavirus findet das menschliche Leben immer mehr in den eigenen vier Wänden statt. Man hat deshalb schon Menschen jubeln hören: Denn wer mit seinem*r Partner*in zusammenwohnt, wird mit der neu gewonnenen Zeit vielleicht öfter seine sexuelle Lust ausleben können. Menschen in Fernbeziehungen und Singles freuen sich da vermutlich ein bisschen weniger. Denn sie werden ihre sexuellen Kontakt nun wohl auf die mit sich selbst beschränken müssen – oder in die virtuelle Welt verlegen. Aber stimmen diese Vermutungen überhaupt? Was macht die Pandemie wirklich mit unserem Sexleben? 

Die „Coronavirus-Statistiken” von Pornhub der vergangenen Wochen deuten darauf hin, dass die Pandemie einen erheblichen Einfluss auf den weltweiten Pornokonsum und somit wohl auch auf unser Sexleben hat. Die ersten Suchanfragen nach „Coronavirus” wurden am 25. Januar verzeichnet und sind im vergangenen Monat auf mehrere Millionenen weltweit gestiegen. Außerdem scheinen die Menschen in sozialer Quarantäne generell mehr Ponographie im Internet zu suchen. Besonders seit am 24. März bekannt wurde, dass Pornhub Premium weltweit gratis genutzt werden könne, stieg der Konsum an – um 18,5 Prozent. In Ländern wie Italien und Spanien war der Effekt noch größer, dort stieg der Konsum mit dem neuen Angebot um etwa 60 Prozent an, verglichen mit der Nachfrage eines durchschnittlichen Tages. In Deutschland waren es nur 15 Prozent mehr

Zeit ist ein wesentlicher Faktor, wenn es um Sexualität geht

Auch die Sextoy-Hersteller bemerken den Einfluss des Coronavirus – und nutzen die Krisenzeit für eigene Zwecke. Amorelie wirbt inzwischen mit „#StayHomeandFuck oder „Meine Dates für die nächsten Tage: Vibrator, Plug und Liebeskugeln”. Laut dem Hersteller Womanizer ist die Nachfrage seiner Kund*innen nach erotischem Spielzeug über fünfzig Prozent höher, als es für diesen Zeitraum kalkuliert war. Eine Sprecherin des Unternehmens sagte gegenüber dem Nachrichtenportal Inews: „Wir wissen aus dem Feedback unserer Kunden sowie aus verschiedenen Umfragen, die wir in unserem Sexspielzeug-Test-Panel durchgeführt haben, dass Zeit ein wesentlicher Faktor ist, wenn es um Sexualität und Selbstvergnügen geht.“ Und diese Zeit scheinen sich nun viele nehmen zu wollen. 

Masturbation hilft schließlich nicht nur gegen Langeweile, um uns die Zeit in sozialer Quarantäne zu versüßen, sondern stärkt angeblich auch das Immunsystem. Wenn bei Orgasmen Serotonin und Noradrenalin ausgeschüttet werden, hat das nämlich einen positiven Effekt auf unsere Schlafqualität und somit auch Gesundheit. 

Die jetzt entstehenden Babys heißen Coronials oder Quaranteens

Und wie bereiten sich Paare auf die Isolationszeit vor? Es wird gemutmaßt, dass in nächster Zeit viele Menschen ihre Zeit in Quarantäne damit verbringen werden, Sex zu haben. Dass mehr Zeit zu Hause dann tatsächlich auch zu einem Babyboom führen kann, hat schon ein Fall 2005* gezeigt. Nachdem 250 000 Münsterländer*innen wegen eines Wetterchaoses tagelang ohne Strom auskommen mussten, meldeten Krankenhäuser neun Monate später überdurchschnittlich viele Geburten von „Schneechaos-Kindern”. Auch für den jetzt aus sozialer Isolation entstehenden Nachwuchs haben die sozialen Netzwerke schon einen Namen parat: Coronnials. Oder Quaranteens. Und wer eine ungewollte Schwangerschaft verhindern will, sich aber dennoch auf schöne Stunden zu zweit vorbereitet, scheint sich mit Kondomen einzudecken, wie Fotos auf sozialen Netzwerken von Supermarktregalen zeigen. Und auch die Statistik eines Herstellers können dies belegen: Ritex-Kondome werden im aktuellen Monat gegenüber dem Vorjahreszeitraum fast doppelt so häufig nachgefragt. 

Das Preppen mit Kondomen dient dabei hoffentlich nicht als Vorbereitung für One Night Stands. Denn soziale Isolation, die jetzt so wichtig ist, um die Infektionsraten zu verlangsamen und das Gesundheitssystem nicht zu überlasten, bedeutet auch: keine Hook-ups. Kein Dating. Tinder stellte deshalb zwar nicht den Dienst ein, schrieb seinen Nutzer*innen aber: „Wir wollen natürlich, dass du Spaß hast, trotzdem ist es wichtig sich vor dem Coronavirus zu schützen.” Darauf folgen Anweisungen von der WHO, wie man sich gegen COVID 19 schützen kann. Wie zum Beispiel durch regelmäßiges Händewaschen, nicht ins Gesicht fassen und Fernhalten von großen Menschenmengen. Inzwischen wird von Tinder sogar geraten, auf ein persönliches Treffen mit den Matches zu verzichten und das Kennenlernen ausschließlich in den digitalen Raum zu verlegen.

Eine isländische Dating-App matched ihre Nutzer*innen nach der Corona-Infizierung

Besonders kreativ reagiert wohl die isländische Dating-App One auf das Virus. Auf ihren Profilen können Nutzer*innen nun neben Namen, Sexualität und Interessen auch Informationen zu ihrem COVID-19-Status geben. Gewählt werden kann zwischen: Ich hatte das Virus, ich habe es, ich bin in Quarantäne und ich hatte es nicht. Basierend darauf werden Paare gematched.

Die Einflüsse von COVID-19 auf unser Sexleben mögen alle sehr witzig klingen. Für Sexarbeiter*innen verändert unser neuer Umgang mit Sex aber auch ihre finanzielle Situation. Durch das Schließen von Bordellen sind viele Prostituierte in ihrer Existenz bedroht. Die Sexarbeiterin Johanna Weber sagt dazu gegenüber PluraPolit: „Die Frauen sitzen von einem Tag auf den anderen auf der Straße. In Ihre Heimatländer können sie auch nicht zurück wegen Einreise-Stops und fehlendem Geld.” Sie gehe davon aus, dass Sexarbeiter*innen weiterhin auf der Straße oder im Internet nach Kund*innen suchen müssen. 

Alle Meldungen zur aktuellen Coronavirus-Lage findet ihr zweimal täglich im SZ Espresso-Newsletter.

*In einer früheren Version stand, das Schneechaos wäre 2010 gewesen. Wir haben das korrigiert. Danke für den Hinweis über Instagram,  franziska_vr!

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