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„Je jünger der Mensch, desto schädlicher sind Bildschirme für die Augen“

Brauchen wir wegen der Pandemie bald alle eine Brille? Augenärztin Quỳnh Trang-Ippisch, 31, erklärt, inwiefern die erhöhte Bildschirmzeit die Sehkraft beeinträgtigt.
Foto: Augenzentrum Nymphenburger Höfe

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„Sitz nicht so lange vor dem Fernseher, sonst bekommst du viereckige Augen!“ Diesen Satz haben wohl die meisten von uns als Kinder gehört. Seit der Corona-Pandemie sind Restaurants und Bars geschlossen, finden Konzerte nicht mehr statt und Feiern mit vielen Menschen sind undenkbar. Als Feierabendbeschäftigung bleibt oft nur noch der Fernseher oder das Smartphone. Und auch tagsüber sitzen viele Menschen vor allem vor dem Laptop und starren in Videokonferenzen. 

Quỳnh Trang-Ippisch, 31, ist Augenärztin in München. Mit ihr haben wir darüber gesprochen, was dieser dauerhafte Bildschirmkonsum für unsere Augen bedeutet und ob wir alle in ein paar Monaten mit Brillen herumlaufen müssen.

jetzt: Dr. Ippisch, ich habe das Gefühl, dass ich seit Beginn der Corona-Pandemie schlechter sehe. Alles ist irgendwie unschärfer. Kann das damit zusammenhängen, dass ich aufgrund der andauernden Bildschirmarbeit kurzsichtig geworden bin?

Quỳnh-Trang Ippisch: Die Gefahr, dass Arbeit auf geringe Entfernung Kurzsichtigkeit auslöst oder verschlimmert, ist ab Mitte 20 eher gering. 

Mitte 20 bin ich leider nicht mehr. Also ist die Bildschirmarbeit nicht Schuld an meiner neuen Kurzsichtigkeit?

Bei Ihnen höchstwahrscheinlich nicht. Aber bei jüngeren Menschen kann „in der Nähe arbeiten“ zu Kurzsichtigkeit führen oder dazu, dass sich die Kurzsichtigkeit verstärkt. Besonders Kinder sind gefährdet. Je jünger der Mensch, desto schädlicher sind Bildschirme für die Augen.

Was heißt Arbeit in der Nähe?

Alles, wo man auf kurze Entfernung scharf stellen muss: Ob das jetzt digitaler Unterricht ist, Bücher lesen, Hausaufgaben machen oder Playstation spielen.

„Das Schlechteste, was Kinder für ihre Augen machen können, ist nachts mit der Taschenlampe zu lesen“

Die Realität heißt aber nun mal zur Zeit: Viel Bildschirm, viel Handy, viel Playstation. Wie können Kinder und junge Erwachsene ihre Augen denn schützen?

Das beste Mittel ist, viel nach draußen gehen. Gerade in der Pandemie halten sich Kinder weniger draußen auf und machen dafür mehr sichtnahe Arbeit. Eltern sollten darauf achten, dass die Zeit am Bildschirm oder dem Hausaufgabenheft begrenzt wird und die Kinder mindestens eine halbe Stunde, besser anderthalb Stunden pro Tag draußen verbringen. Zum einen ist der Blick in die Weite wichtig, aber vor allen Dingen schützt Sonnenlicht vor Kurzsichtigkeit.

Sind Bildschirme in punkto Kurzsichtigkeit denn schlechter für die Augen als Bücher?

Nein, da geht es vor allen Dingen um die Entfernung. Das Schlechteste, was Kinder für ihre Augen machen können, ist nachts mit der Taschenlampe zu lesen. Denn da fokussieren sie sich in einem dunklen Raum auf einen sehr nahen, hellen Punkt.

Heißt das, dass Bildschirme für Erwachsene nicht schädlich sind?

So weit würde ich nicht gehen. Wenn man viel am Computer arbeitet, bekommt man trockene Augen. Das heißt, sie brennen, spannen, werden müde, tränen vielleicht sogar. Das liegt daran, dass wir weniger blinzeln, wenn wir konzentriert am Bildschirm sitzen. Dadurch verdunstet Tränenflüssigkeit deutlich schneller und die Augen trocknen aus.

Was kann man dagegen machen?

Die Bildschirmzeit verkürzen, Pausen machen, bewusst blinzeln, in die Ferne schauen, damit die Augen nicht immer nur die gleiche Entfernung scharf stellen müssen. Und wenn das alles nicht hilft, rezeptfreie Tränenersatzflüssigkeit aus der Apotheke benutzen.

„Wenn man viel in der Nähe arbeitet, fällt einem eher auf, dass alles verschwommener ist“

Was bringen Brillen mit Blaulichtfilter und der Nachtmodus auf dem Smartphone?

Blaulicht beeinträchtigt den Tag-Nacht-Rhythmus, weil es auch im Sonnenlicht zu finden ist. Es signalisiert uns, dass Tag ist. Wenn man also bis spät in die Nacht noch am Bildschirm arbeitet oder am Handy ist, kann es sein, dass man unter Schlafstörungen leidet oder schlechter zur Ruhe kommt. Blaulicht ist insgesamt ein sehr kurzwelliges Licht und dadurch auch sehr energiereich. Das kann auch zur Makuladegeneration beitragen. Das Zeitalter des Bildschirms dauert allerdings noch nicht so lange an, dass es ausreichende Langzeitstudien über die möglichen Gefahren gibt. Was man aber definitiv weiß, ist, dass Brillen mit Blaulichtfilter nicht dabei helfen, die Netzhaut zu schützen, weil sie trotz Filter noch sehr durchlässig für Blaulicht sind.

Jetzt muss ich aber doch nochmal auf meine persönlichen Erfahrungen kommen: In meinem Umkreis klagen seit Beginn der Corona-Pandemie viel mehr Menschen, dass ihre Augen schlechter werden. Ist da denn gar nichts dran?

Teilweise. Wenn man viel in der Nähe arbeitet, fällt einem eher auf, dass alles verschwommener ist. Das liegt aber nicht daran, dass die Bildschirmarbeit die Verschlechterung auslöst, sondern durch sie fallen die Augenprobleme überhaupt erst auf. Das gilt auch für Glaskörperfloater, also wenn Sie vor den Augen Schlieren, Trübungen oder Fliegen sehen. Das ist eine altersbedingte Trübung des Glaskörpers, also des Teils des Auges, der sich zwischen Linse und Netzhaut befindet. Hier kann ab Mitte 20 eine Trübung vorkommen – bei manchen Menschen passiert das aber auch deutlich später. Diese Trübungen werden aber auch nicht durch Bildschirmarbeit ausgelöst oder verschlechtert, sondern sind nur einfacher erkennbar, weil der Bildschirm hell eingestellt ist und die Schatten, die die Trübungen auf die Netzhaut werfen, deutlicher werden.

Also kann ich wohl eher nicht der Pandemie die Schuld für meine schlechten Augen geben?

Dass die Pandemie bzw. die vermehrte Bildschirmarbeit die Augen nachhaltig verschlechtern oder ernstzunehmende Augenerkrankungen verursachen, ist eher unwahrscheinlich. Dennoch sollte man bei subjektiver Sehverschlehterung, insbesondere wenn sie akut auftritt, sich augenärzlich abklären lassen. Denn auch wenn die Bildschirmarbeit selbst nicht die Ursache für die Sehverschlechterung ist, können Augenerkrankungen, die schon vorher bestanden haben, erst durch die verstärkte Bildschirmarbeit bemerkt werden. Ab einem Alter von 40 Jahren ist es am ehesten die zunehmende Altersweitsichtigkeit, die verstärkt wahrgenommen wird, gefährliche Augenerkrankungen müssen jedoch ausgeschlossen werden.

Erleben Sie also seit der Pandemie einen Ansturm von Patientinnen und Patienten?

Nein, wir haben nicht mehr Patienten. Ich habe eher das Gefühl, dass viele Menschen – vor allen Dingen ältere – aus Angst vor Ansteckung daheim bleiben und lieber nicht zum Arzt gehen. Das ist gerade bei schweren Augenverletzungen und -krankheiten wie Netzhautablösungen oder Makuladegeneration, also Krankheiten, die den gelben Fleck im Auge betreffen, fatal.

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